Mittwoch, 20. März 2024

Kunst kann weg

„Was macht die Kunst?“ „Prinz, die Kunst geht nach Brot.“ (Lessing: Emilia Galotti)

Um es gleich vorweg zu sagen: Mir könnten die Gagen für meine Auftritte als Moderator und/oder Zauberer eigentlich völlig egal sein. Ich brauche sie bestimmt nicht zum Leben. Daher spende ich sie ohnehin meiner Lieblings-Organisation, der Deutschen Welthungerhilfe.

Ich bin allerdings schon dafür, dass wir nicht „für lau“ oder zu einem besseren Taschengeld arbeiten. Einfach, weil sonst der Respekt für Kunst – und auch Künstler – verlorengeht. Eine Vorstellung oder ein Konzert bedeuten für jeden von uns einen erheblichen Arbeitsaufwand: Allein für das Schreiben oder Überarbeiten meiner Moderationen, die Programmplanung und Vorbereitung, das Einpacken der Requisiten sind mindestens 5 Stunden nötig, dazu kommen Anfahrt, Auf- und Abbau vor Ort und der Auftritt selber mit durchschnittlich weiteren 5 Stunden. Natürlich auch die Fahrkosten, Parkgebühren etc.

Wenn man dann hinterher eine Gage von 50 Euro erhält, sind das 5 Euro pro Stunde – und das liegt weit unter dem derzeitigen Mindestlohn von 12,41 Euro. Für das Geld würde kein Arbeitsloser eine Stelle annehmen.

Eigentlich müsste man Gigs zu solchen Bedingungen ablehnen. Aber in vielen Fällen ist das nicht meine alleinige Entscheidung – und sicherlich lockt auch der Wunsch, sich wieder einmal „ausprobieren“ zu können. Vor allem, wenn Anlass und Ambiente verlockend klingen. Und so lässt man sich nicht selten auf Vorstellungen ein, die wirtschaftlich eine Katastrophe sind. Unterm Strich muss man manchmal froh sein, nicht noch Geld mitbringen zu müssen!

Nach meinen Erfahrungen führt das bei Gastgebern überhaupt nicht dazu, die finanzielle Zumutung nun etwa durch einen erhöhten Service auszugleichen. Öfters ist das Gegenteil der Fall. Es scheint die Einsicht vorzuherrschen: Was kaum etwas kostet, kann auch nicht viel wert sein. Die organisatorischen Umstände interessieren eher wenig. Unter welch abenteuerlichen Bedingungen ich beispielsweise schon oft meine Requisiten herrichten musste, ist kaum auszudenken. Begriffe wie „Garderobe“ sind für manche Gastgeber ein Fremdwort.

Dazu kommen nicht selten Stillosigkeiten der besonderen Art: Obwohl die Veranstaltung schon wochenlang vorher abgesprochen war, fragt der Organisator gerne zwei Minuten vor dem Beginn. „Und wie soll ich Sie jetzt ansagen?“ Mir liegt da auf der Zunge: „Am besten gar nicht!“ Manchmal wird diese Frage sogar vor dem Publikum gestellt: „Wie nennt sich Ihre Gruppe?“ Die Botschaft: „Ist doch wurscht, euch merkt sich eh keiner!“

Auch die Einsicht, dass es sich bei unseren Konzerten nicht um „Hintergrundmusik“ handelt, ist nicht allgemein verbreitet. Nicht mal im Tango. Da wird fröhlich weitergeschwafelt – selbst beim Tanzen.

Wie das Publikum den Geldwert eines längeren Programms einstuft, erfährt man, wenn „für den Hut“ gespielt wird. Was die Besucher durchschnittlich „spenden“, liegt pro Person nicht viel über 5 Euro. Für das Geld kämen sie nicht einmal in eine Kinovorführung, von den üblichen Konzertkarten ganz zu schweigen, für die man meist nicht unter 30 Euro löhnen muss – Grenze nach oben offen.

Die Besitzer von Veranstaltungsorten langen da ganz anders zu: Für einen Saal mit 200 Plätzen sind 300 Euro Miete pro Abend eher günstig. Gelegentlich darf man zusätzlich für die Saalreinigung" Kohle berappen. Will man den auf der Bühne stehenden Flügel nutzen, kostet das weitere 150 Euro. Das Geld muss dann erstmal reinkommen, wenn man überhaupt an eine Gage denken will! Daher ergibt sich die absurde Situation, dass wir manchmal ein eigenes E-Piano nutzen, welches dann neben dem zu teuren Steinway steht…

Ich weiß, dieser Artikel wird nicht viele Leser erreichen, da er keine gute Laune macht und sich viele betroffen fühlen könnten. Aber vielleicht denken einige bei der nächsten Livemusik auf einer Milonga oder dem nächsten Konzert doch darüber nach, was eigentlich den Künstlern zustünde. Sie haben ja viele Jahre Unterricht genommen, geübt und sich gewissenhaft auf ihre Darbietung vorbereitet. Das verdient nicht nur Applaus, sondern auch eine finanzielle Vergütung, für die man sich nicht schämen muss.

Fußballprofi müsste man sein! Dann ginge in der 1. Bundesliga unter 400000 Euro pro Jahr nichts. Jeder Kicker kassiert also täglich mindestens 1100 Euro – ob er spielt oder nicht.

https://www.sport.de/diashow/sl4404/die-durchschnittsgehaelter-der-bundesligisten/#slide=1;

„Ist das Kunst oder kann das weg?“ lautet ein Buchtitel von Christian Saehrendt. Die Redewendung stellt die Erkennbarkeit und Wertschätzung mancher moderner Kunstwerke in Frage. Wenn man aber untersucht, mit welchen Gagen und Auftrittsbedingungen viele Künstler konfrontiert sind, lautet dieser Satz besser:

„Das ist Kunst, kann also weg!“   

P.S. Vielleicht sollte man öfters einen Eklat wagen wie beim Festakt „100 Jahre Burgenland“, als der Musiker Alexander Köck eine unerwartete Rede hielt:

Ich möchte mich bei allen bedanken, aber ich möchte trotzdem etwas sagen. Ich habe mitbekommen, dass die Damen und Herren da drüben im Orchester heute 30 Euro fürs Spielen bekommen. Ich finde das in einem Kulturland Burgenland, bei ‚100 Jahre Burgenland' in einem sozialdemokratischen Land, beschämend, ich finde es besonders beschämend nach Corona, und noch beschämender finde ich es, wenn man weiß, dass während Corona genug Geld dafür da ist, dass es zwei Intendanten bei den Seefestspielen Mörbisch gibt."

Das provozierte den ORF-Moderator und Intendanten der Seefestspiele Mörbisch, Alfons Haider, zu einer Entgegnung, bei der er unter anderem darauf hinwies, die jungen Musiker seien schließlich noch keine Profis, sondern Musikstudentinnen und Studenten. Zudem erhielten sie Fahrkosten plus Verpflegung.

Die jungen Leute schien das nicht zu überzeugen.

https://www.youtube.com/watch?v=S_YFABsTc2Q

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.