Samstag, 27. August 2022

Regen bringt nicht immer Segen

 

„Eine Meinung ist wie ein Penis. Es ist schön, wenn man einen hat, man darf darauf sogar stolz sein. Problematisch wird es, wenn man anderen damit vor der Nase herumwedelt.“ (gefunden auf Facebook)

Fast täglich regnen auf meine Blogs Dinge herunter, von denen ich meine Leserinnen und Leser eher verschone. Menschen wedeln mir mit ihren seltsamen Ansichten vor der Nase herum. In meinem Archiv füllen diese Attacken seit 2019 inzwischen 33 Seiten (in 12 Punkt-Schrift) – und mein Spam-Ordner umfasst für einen ähnlichen Zeitraum über 90 Beiträge.

Um mit einer ganz aktuellen Zuschrift zu beginnen, die mich heute Nacht erreichte, diesmal auf meinem Zauber-Blog:

„Ich empfinde es als beschämend und unverantwortlich, dass Sie Jochen Zmecks wunderbare Tricks hier preisgeben! Was soll das??? Ihr ‚Zauberblog‘ ist leider nur Effekthascherei. Ein Magier, der einen Trick verrät, ist kein Magier, sondern ein Verräter.“

Hier sieht man einige Zutaten solcher „Meinungsäußerungen“:

·       Ein realer Name fehlt (öfters wird ein falscher verwendet).

·       weder Anrede noch Grußformel

·       Häufung von Satzzeichen („???“); Großbuchstaben

·       starkes Vokabular („beschämend“, „unverantwortlich“, „Verräter“)

·       Der inhaltliche Zusammenhang wir nur kurz umrissen, um dann sofort ins Persönliche abzugleiten.

·       Soweit man sich auf Tatsachen bezieht, sind die häufig verkürzt, pauschaliert und bis zur Unkenntlichkeit verändert.

Hier soll beispielsweise der Eindruck erweckt werden, ich würde auf meinem Zauberblog Geheimnisse unserer Profession verraten. Tatsächlich tun das etliche Kollegen – heute meist in YouTube-Erklärvideos. Ich gehöre nicht dazu.

Auch in dem Text, zu dem der Kommentar eingestellt wurde, geschieht das nicht. Zudem stammt der gezeigte Effekt nicht vom einstigen DDR-Magier Jochen Zmeck, sondern vom Schweizer Kartenexperten Roberto Giobbi. Und beide haben Bücher geschrieben, in denen sie ihre Kunststücke öffentlich erklären.

https://diemagiedesgr.blogspot.com/2020/04/mentale-koordination.html

Inzwischen wirft mir der Herr per Kommentar zu einem meiner YouTube-Videos die Verletzung von Urheberrechten vor. Er werde mich daher beim Verlag melden.

https://www.youtube.com/watch?v=Xg5FUJeqxkc

Gerne wird dabei meine Kompetenz – nicht nur im Tango – in Frage gestellt („Effekthascherei“). Nur darf man die werten Kritiker keinesfalls nach ihrer fragen. Sonst klingt das so:

„SIE haben meine Kritik an diesem wirklich schlechten Video sofort auf eine persönliche Ebene gelenkt. Sie haben versucht mich auszuspionieren und wollten von mir persönliche Daten wissen. Ich betone nochmals: Wer und mit welchem Bildungshintergrund eine Kritik äußert, mag für Sie von persönlichem Interesse sein, tut aber nichts zur Sache.

Anstatt sich SACHLICH mit meinen Kritikpunkten auseinanderzusetzen, haben Sie abenteuerliche Vermutungen über meine Person geäußert, die schwer unter die Gürtellinie gingen und mit Sachlichkeit nichts zu tun hatten.
KEINEN EINZIGEN PUNKT MEINER KRITIK KONNTEN SIE SACHLICH WIDERLEGEN.“

Ihre Kritik an meinen musiktheoretischen „Fehlern“ wiederholte die Schreiberin in mehreren Anläufen mit fast gleichlautenden Formulierungen. Übrigens war ich bei ihr nicht „unter der Gürtellinie“ spionagemäßig tätig. Ich hatte sie lediglich nach ihrer musikalischen Ausbildung sowie ihren Tangoerfahrungen gefragt, wogegen sie sich heftig sträubte.

Merke: Meine Fachkenntnisse darf man beurteilen, die meiner Kommentatoren nicht!

Ich denke öfter darüber nach, ob hinter solchen Attacken ein gemeinsames Muster steckt. Allerdings natürlich mit der Einschränkung, dass mir psychologische oder psychotherapeutische Expertise fehlt. Daher sind meine folgenden Gedanken auch nicht als „Diagnose“ zu verstehen.

Wenn ich mal von mir ausgehe: Da ich täglich – meist in Tangosachen – im Internet unterwegs bin, lese ich vieles, das ich für ausgemachten Blödsinn halte. Nur im Promillebereich reagiere ich überhaupt darauf. Und dann nicht per kräftigem Statement auf den Facebook-Seiten oder Blogs dieser Leute. Das ist ihr „digitales Wohnzimmer“ – und ich kann mir ihre Reaktionen ausmalen, wenn ich dort mit meiner Kritik aufbaumte: Ich würde ignoriert, beschimpft oder gelöscht.

Wenn, dann erscheint halt auf meinem Blog ein Artikel oder eine Anmerkung dazu. Diese Texte kann man bei Interesse lesen – oder es lassen. Und ich verlinke meine Beiträge nur auf den eigenen Seiten, anstatt anderen damit auf den Senkel zu gehen. Ich wedle ihnen also nicht mit meinen Ansichten (und erst recht nicht mit anderem) unter der Nase herum.

Wie sind nun Leute gestrickt, welche mir dringend persönlich mitteilen müssen, welchen Müll ich schreibe?

Ich glaube, dass es sich bei den Urhebern oft um sehr einsame Menschen handelt, was nicht bedeuten muss, dass sie allein leben. Aber sie leiden vermutlich daran, dass ihre Genialität nicht erkannt wird, sie mit ihren Ansichten im realen Dasein öfters schlecht angekommen sind.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass solche Zeitgenossen mir gerne – und geradezu als Anschuldigung – meine frühere Lehrtätigkeit vorhalten. Offenbar waren sie schon in Kindheit und Jugend solche Problematiker, mit denen das Lehrpersonal seine liebe Not hatte. Und von dem sie sich in ihrer geistigen Potenz unterschätzt, gar missachtet fühlten.

Das muss die Welt nun büßen! Stellvertretend suchen sie sich Opfer, welche sich in ihren Augen viel zu wichtig machen – und (aus ihrer Sicht) damit auch noch Erfolg haben. Das muss unter allen Umständen verhindert werden!

Daher tun sie alles, um die Objekte ihres Zorns zu diskreditieren: Es kann doch nicht sein, dass die Menschheit auf einen solchen Blender hereinfällt! Daher fühlen sie sich als moralische Vollstrecker in geradezu göttlicher Mission.

Besonders tragisch geraten wütende Attacken bejahrter Tangovertreter, welche ersichtlich darunter leiden, dass ihre Verdienste um unseren Tanz zu wenig gewürdigt werden, sie vielleicht sogar in Vergessenheit geraten. Für ihren Frust diene ich dann als Ersatzobjekt.

Was ganz typisch ist: Zwischentöne oder gar Buntheit existieren nicht – die Welt ist schwarz und weiß, schon Grau wirkt verdächtig. Was diese Herrschaften verkünden, sind niemals subjektive Ansichten, sondern TATSACHEN. Und die können nur richtig oder falsch sein. Verhandlungen oder gar Kompromisse kommen ihnen stets suspekt vor.

Ich fürchte, solche Menschen sind völlig empathiefrei. Ein Gespür dafür, den Gesprächspartner mit einem Minimum an Respekt zu behandeln, fehlt völlig. Da wird vom ersten Satz an geholzt, dass die Spreißel fliegen. Einzig Selbstmitleid ist im Überschuss vorhanden. Daher empfinden sie jede Kritik an ihren Ansichten als „Beleidigung“.      

Die geistige Beweglichkeit solcher Naturen hält sich in Grenzen. Oft wird in einer ganzen Serie von Zuschriften immer wieder das Gleiche behauptet. Der Sprung in Platte und Schüssel ergänzen einander perfekt.

Objektivität ist ein Fremdwort. Stattdessen gilt: Wenn andere meine Ansichten verurteilen, wird deren Sachkunde in den höchsten Tönen gepriesen. Kommentatoren, welche mir beipflichten, sind nichts anderes als elende Speichellecker. Total voreingenommen! Manchmal stellt man auch erfundene positive Statements unter falschem Namen ein und verspottet mich hinterher, dass ich mich darüber gefreut habe.

Ich sehe auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Während bei den (wenigen) Frauen die (bei den Herren äußerst beliebte) Tendenz dominiert, Vorhaltungen in Serie zu wiederholen, überwiegt bei den Männern die Lust am Krawall. Ich erlebe diesen Effekt immer wieder: Gerade sehr tatsachen-orientierte Artikel finden oft weniger Beachtung – es sei denn, irgendein Depp postet seine möglichst extreme Ansicht dazu. Findet er gar noch ein Pendant, welches in ähnlichem Stil antwortet, gehen die Zugriffszahlen durch die Decke.

Als Beispiel hier ziemlich sachlicher Beitrag aus der jüngsten Zeit mit 26 (!) Kommentaren:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/08/faktencheck-phrasierungen.html

Lesen die dann nur die Kommentare oder versehentlich auch mal den Artikel? Wie dem auch sei: Ärgern bringt nichts. Man muss es als Naturerscheinung betrachten wie beispielsweise den Regen.

Kurt Tucholsky besprach 1929 ein Büchlein mit dem Titel „ABC des Angeklagten“ und zitiert daraus:

»Die Ausführungen des Staatsanwalts musst du hinnehmen wie ein Mensch, der ohne Schirm unterwegs ist und plötzlich von einem Platzregen überfallen wird. Der Platzregen hört einmal auf – der Staatsanwalt auch!«

Bravo! Aber das ist ja meisterhaft! Woher beziehen Sie Ihre Satire, Herr? Es ist nur ein kleiner Fehler anzumerken: Regen ist sauber.

https://www.textlog.de/tucholsky-abc-angeklagten

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Dienstag, 9. August 2022

„Zauberhafte Operette“ in Pörnbach

Am vergangenen Sonntag war es endlich so weit: In unserem Heimatdorf präsentierten wir ein Operettenkonzert!

Ein ähnliches, aber auf 60 Minuten gekürztes Programm haben wir schon zweimal beim Kurkonzert in Bad Gögging gespielt – ich hatte davon berichtet:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2021/11/unser-operettenkonzert-moderation-und.html

Ich durfte, wie schon vorher, den Auftritt des „Hallertauer Salon-Trios“ inklusive kleiner Zaubereien moderieren:

Hartwig Simon (Fagott und musikalische Arrangements)

Bettina Kollmannsberger (Akkordeon und Refraingesang)

Karin Law Robinson-Riedl (Violine und Gesang)

Das Ensemble in Aktion

Im Vorfeld gab es, neben den Proben, genügend zu tun. Flyer und Einladungen mussten entworfen, Arrangements, Programm plus Moderation wegen des neuen Umfangs von eindreiviertel Stunden neu gestaltet werden.

Nach dem Tangokonzert 2019, dem Schlagerprogramm 2020 (mit dem Salon-Ensemble Ingolstadt) und unseren „Liedern mit Worten“ 2021 war es nun das vierte Mal, dass wir für unsere „Fans“ aus der näheren Umgebung spielten.

https://milongafuehrer.blogspot.com/2019/05/zauberhafter-dorf-tango.html

https://diemagiedesgr.blogspot.com/2020/03/schlager-heimspiel-in-pornbach.html

https://diemagiedesgr.blogspot.com/2021/09/lieder-mit-worten.html

Wie beim letzten Mal gab es keine große Werbung, sondern nur persönliche Einladungen an Verwandte, Freunde, Bekannte und Musikkollegen (beiderlei Geschlechts). Also keine „öffentliche Veranstaltung“. Warum auch? Wir wollten einfach Menschen eine Freude machen, denen unsere Musik, unsere Art der Darbietung gefällt.

Unser Programm war ein Streifzug durch Evergreens der Operette, die heute noch fast jeder und jede kennt – obwohl die Kompositionen teilweise weit über 100 Jahr alt sind:

Potpourri: „Der Vogelhändler (Carl Zeller, 1891)

Als geblüht der Kirschenbaum (s.o.)

Erklingen zum Tanze die Geigen (Leon Jessel: „Schwarzwaldmädel“, 1917)

Barcarole (Jaques Offenbach: „Hoffmanns Erzählungen“, 1881)

Potpourri: „Der Zigeunerbaron“ (Johann Strauss, 1885)

Frühling in San Remo (Fred Raymond: „Maske in Blau“, 1937)

Die Juliska aus Budapest (s.o.)

„Die lustige Witwe“ – große Melodienfolge (Franz Lehár, 1905)

"Da geh ich ins Maxim..."

Pause

Eingangschor (Johann Strauss: „Eine Nacht in Venedig“, 1883)

Alle maskiert (s.o.)

Leise, ganz leise (Oscar Straus: „Ein Walzertraum“, 1907)

Es war einmal (Paul Lincke: „Im Reiche des Indra“, 1899)

Schlösser, die im Monde liegen (Paul Lincke: „Frau Luna“, 1899)

Schenk mir doch ein kleines bisschen Liebe (s.o.)

O Theophil (s.o.)

Das ist die Berliner Luft (s.o.)

Zugabe:

Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände (Paul Abraham: „Viktoria und ihr Husar", 1930)

Mir hat die Zauberei großen Spaß gemacht: Während ich zu Beginn den Zuschauern bunte Blüten aus den Haaren zog, sauste ich beim tränenreichen Schlusslied mit einer Kleenex-Schachtel durchs Publikum. So hielt sich die Rührung in Grenzen…

Etwas ins Schleudern gebracht hat uns der Ansturm der Gäste: Ich hatte mit zirka 30 bis 50 Anmeldungen gerechnet – tatsächlich waren wir mit etwa 75 Zuschauern ausverkauft. Ein Problem war, dass wir die Aufführung in den Biergarten des Gasthofs Bogenrieder verlegen mussten, wo wir etwas weniger Platz hatten als bei den früheren Vorstellungen dort. Daher legten wir eine Obergrenze fest und konnten einige Reservierungs-Wünsche leider nicht mehr berücksichtigen.

Aber wir wollten, dass alle Teilnehmenden einen bequemen Sitzplatz und halbwegs gute Sicht hatten – und wegen Corona war es vielleicht ganz sinnvoll, wenn das große Gedränge unterblieb.

Das gesteigerte Interesse haben wir sicherlich unseren Musikern zu verdanken, welche sich in vielen Aufführungen – auch in der Kirchenmusik – ihr Publikum „erspielt“ haben. Daher werden wir auch 2023 (soweit Gesundheit und Fitness es zulassen) in Pörnbach ein Konzert geben. Ein Thema haben wir schon – wird aber noch nicht verraten…

Wir danken unseren Zuschauern für den riesigen Applaus, den freiwilligen Helferinnen und Helfern (vor allem Maria, Manuela und Gerhard) und der Gastwirtsfamilie Bogenrieder, welche uns kurz vor ihrem Urlaub noch einen schönen Auftrittsort einrichtete!

Für mich als „Entertainment-Junkie“ ist es immer wieder ein Kick, auszuprobieren, ob ein Konzept auch in der Praxis funktioniert – und eine gigantische Freude, wenn es sich bestätigt!

Dafür war auch das musikalische Sujet dieses Konzerts verantwortlich: die Operette. Gegen Ende meiner Moderation erlaubte ich mir einige persönliche Worte:

„Ich muss gestehen, dass mich dieses Genre schon immer fasziniert hat. In meinen schlimmsten Pubertätsjahren, als meine Kumpel auf die Beatles oder Rolling Stones standen, nahm ich mit dem Tonbandgerät Operettensendungen auf und konnte bald die Liedtexte auswendig. Warum?

Ich finde, die Operette nimmt das Leben ziemlich leicht und bietet fast immer ein Happy End. In dieser Mixtur aus bescheuerter Handlung und zuckersüßen Melodien wird ganz selten gestorben – und wenn, dann singt man nicht wie in der Oper mit dem Messer in der Brust noch eine Arie.“

Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass in der Musik technische Fertigkeiten zwar eine elementare Voraussetzung darstellen, etwas anderes aber noch wichtiger ist: Musik entsteht ja in Kopf und Herz des Komponisten. Was er dann zu Papier bringt, sind formale Notierungen. Interpreten müssen diese „zurückübersetzen“ – und die Emotionen rüberbringen, die den Autor leiteten. Die entscheiden – und der Spaß, den man selber bei der Darbietung hat.

Nach dem Ende unseres Konzerts sagte mir eine Zuschauerin: „Es ist eigentlich egal, was ihr spielt. Die Leute entscheiden nach der persönlichen Ausstrahlung, nicht nach dem Programm.“

Dies ist auch beim Zaubern so – niemand erinnert sich hinterher an die genauen Kunststücke – an die Persönlichkeit des Magiers aber stets! Und auch beim Tango sind nicht die Schritte und Figuren entscheidend, sondern die Art, wie man damit die eigenen Gefühle und die in der Musik ausdrückt.

Das alles ist für uns kein Grund, „abzuheben“. Wir wissen, dass Lob gerne und laut, Kritik dagegen leise oder gar nicht geäußert wird. Dennoch:

Letzten Sonntag scheint uns diese Umsetzung gelungen zu sein. Darauf sind wir mächtig stolz!

Unser Abschiedsgruß