Von
Alexander de Cova kenne ich den
Satz, dass ein Anfänger seinen Zauberhändler frage, ob er etwas Neues habe. Ein
erfahrener Magier hingegen wolle wissen, ob er etwas Altes anbieten könne.
Daher habe ich zwei Kunststücke bearbeitet, die es schon sehr lange gibt.
Das
„Kompass-Prinzip“ dürfte Insidern
vertraut sein – insbesondere in der Version „Exit“ von Thomas Vité.
Die
für mich schönste Variante stammt vom legendären Punx: In seinem Buch „Setzt
Euch zu meinen Füßen…“ nennt er sie „Das
Märchen vom Chinesischen Kompass“.
Eckhard Böttcher hat vor langer Zeit
die Requisiten für diesen Effekt verkauft. Obwohl ich sie besitze, komme ich
kaum zu einer Vorführung, da es halt ein Tischkunststück ist.
Vor
einiger Zeit kam ich auf die Idee, die Tafel von „Exit“ mit der Geschichte von
Punx zu verbinden. Kleine Kompromisse sind unvermeidlich, dennoch kam die
Routine beim Publikum sehr gut an.
Daher
möchte ich meine Version – bei allem
Respekt für die Original-Autoren – hier vorstellen:
Es war einmal ein
alter Yangtsekiang-Kapitän, der fuhr jahraus, jahrein den Gelben Fluss hinauf
und hinunter. Für ihn gab es keine Navigationsschwierigkeiten – er hatte ja die
festen Ufer zu seiner Orientierung. So kümmerte er sich nicht darum, wo Norden
oder Süden war. Nur war es zu seinem Leidwesen immer schwieriger geworden,
zwischen Ost und West zu steuern, ohne aufzulaufen oder Schlagseite zu
bekommen.
Eines Tages gab es
jedoch eine gewaltige Überschwemmung. Der Fluss trat so weit über die Ufer,
dass man meinte, auf hoher See zu fahren. So fürchtete unser Kapitän, die
Orientierung zu verlieren. Glücklicherweise ragte in der Ferne noch ein ihm
bekannter Turm aus dem Wasser. Aber was würde er tun, wenn die Nacht käme und
das Wasser noch höher stiege?
Doch Not lehrt nicht
nur Beten, sondern auch Denken! So besann sich der Kapitän, dass er einmal
etwas von einem „Kompass“ gehört hatte. In seiner Einfalt machte er sich aus
einem Fächer, mit dem er das Opferfeuer für seinen Flussgott Yang anzufachen
pflegte, einen Kompass – oder jedenfalls das, was er dafür hielt. Mit einem
Stück Kreide zeichnete er einen Pfeil in Richtung des immer noch sichtbaren
Turms, und auf der Rückseite, zur Sicherheit, noch einen.
Präsentieren
Sie (leicht wedelnd) die Karte von „Exit“ und halten Sie diese an der oberen
rechten und unteren linken Ecke (von Ihnen aus gesehen). Der vom Publikum aus
zu sehende Pfeil zeigt (aus Ihrer Sicht) nach rechts, also „zum Turm“. Bei der
Diagonaldrehung bleibt die Richtung des Pfeiles vorne unverändert.
So segelte er weiter –
doch als dann die Nacht kam, merkte er, dass er bereits über Untiefen fuhr, und
er begann zu beten. Da gab ihm der Flussgott Yang eine kleine Hilfe, denn auch
in China pflegen einem die Götter nur einen Fingerzeig zu geben. Marschieren muss
man alleine. Der Tipp war der Polarstern, der kurz zwischen den Wolken
aufblitzte.
Da leuchtete es auch
in seinem alten Kopf auf: Richtig, die Kompassnadel musste ja nach Norden
zeigen! Nichts einfacher als das – er stellte sie richtig ein und fuhr, in
blindem Vertrauen auf die Technik, immer der Nadel nach.
Doch inzwischen war
er so weit in die falsche Richtung gesegelt, dass er die Flussufer längst
überschritten hatte. Hier herrschte nicht mehr der Flussgott Yang, sondern der
grimmige Gott des Landes: Matung! Der war dem Kapitän bitterböse, da er ihm
noch nie ein Brandopfer gebracht hatte, und spielte ihm einen schlimmen Streich:
Er ließ die Kompassnadel – mir nichts, dir nichts, nach Süden umspringen, und auch
wieder nach Norden!
Drehen
Sie den Karton um 90 Grad nach links, sodass der vordere Pfeil nach oben („Norden“)
zeigt. Wenn Sie in der gleichen Handhaltung diagonal drehen, springt der
vordere Pfeil nach unten („Süden“). Drehen Sie noch einmal, damit der Pfeil
wieder nach oben zeigt.
Der Kapitän bekam
keinen schlechten Schreck und warf erst einmal Anker. Nein, er musste zurück
zum Fluss. Aber dann nach Osten oder Westen? Er entschied sich für Westen, doch
da kam er bei Matung an den Falschen: Ein westlich orientierter Kapitän? Dem
wer ich’s zeigen! Und – wuppdich – sprang die Nadel wieder nach Osten um – und hin
und her und um die Ecke – es war zum Verzweifeln!
Halten
Sie den Karton an den bisherigen Ecken fest und drehen ihn um 90 Grad nach
rechts (von Ihnen aus): Nun zeigt der vordere Pfeil (vom Publikum aus) nach
links („Westen“). Wenn Sie nun wieder diagonal rotieren lassen, springt der
Pfeil ständig von links nach rechts und zurück. Halten Sie Karte dann mit links
und rechts in der Mitte am Rand und lassen sie um die Längsachse rotieren, so springt
der Pfeil ständig ums Eck.
Da besann sich unser
Kapitän auf seinen alten, zuverlässigen Gott Yang. Er entzündete ihm ein
Opferfeuer und betete so innig, dass sein Flehen, über den Machtbereich von
Matung, bis zum Reich des Flussgottes ausstrahlen konnte. Der wies ihm den
rechten Weg zurück zum Fluss: Nach Osten – und dorthin zeigten beide Seiten des
Kompasses zuverlässig.
Halten
Sie den Karton wie zu Beginn (links unten, rechts oben), nur zeigt der Pfeil
nun vom Publikum aus gesehen nach rechts („Osten“). Eine diagonale Rotation
ändert daran nichts. Beim folgenden Text klappe ich an der entsprechenden
Stelle die Karte auf: Bei mir zeigt sie dann eine Fülle unterschiedlich
gerichteter Pfeile.
So gelangte der
Kapitän dank der Ostrichtung sicher in seinen Hafen und segelte auch in Zukunft
sicher in alle Richtungen. Er trank bei seiner Heimkehr eine große Flasche
Reiswein auf das Wohl der Götter. Wohlgemerkt, auf beide! Denn warum sollte ein
Sterblicher mehr Charakter haben als die Götter selber?
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