Dienstag, 21. Juli 2015

„Was brauchen Sie jetzt alles?“



Ich liebe diese Frage, wenn sie dreißig Minuten vor dem Auftritt kommt. Was immer ich nun noch benötigen würde – meist ist es zu spät!

Aus diesem Grund habe ich für meine Auftraggeber eine Dreiviertelseite Infos zusammengestellt, die ich ihnen meist Wochen vorher zukommen lasse, und auf denen ich die problematischen Themen anspreche:

·         Parkplatz möglichst nahe am Auftrittsort – Möglichkeit einer Reservierung
·         Vorbereitungsraum (weniger „zum Umziehen“ – obwohl sich dort kaum einmal Garderobenhaken oder gar Kleiderbügel befinden – sondern zur ungestörten Vor- und Nachbereitung des Auftritts und somit auch zur Wahrung der Zaubergeheimnisse)
·         möglichst kurze Wege zwischen Parkplatz, Garderobe und Auftrittsort
·         zur Verfügung stehende Fläche für den Auftritt (Relation Zuschauerzahl / Sichtbarkeit / Requisitengröße)
·         Zusammensetzung des Publikums, insbesondere Anwesenheit von Kleinkindern (unter fünf Jahren); Möglichkeiten zu deren Betreuung bei Störungen der Vorstellung

Selbstverständlich bespreche ich mit dem Veranstalter diese Punkte, halte die wichtigsten in unserer Vereinbarung fest und sehe mir im Zweifel die Örtlichkeiten lieber vorher an (aber ja nicht zu früh – man ahnt es nicht, was sich bis zum Festtag noch alles andern kann…). Bestehen Sie unbedingt auf einer schriftlichen Abmachung – ob Sie diese nun „Vertrag“ oder „Auftragsbestätigung“ nennen – Sie können sich sonst fest darauf verlassen, dass es bei Problemen von Seiten des Kunden heißt: „Das haben wir aber so nicht besprochen“. Meist sind dies die gleichen Zeitgenossen, welche ihnen vorher treuherzig versicherten, man brauche doch den ganzen „Papierkram“ nicht, es sei doch alles klar… Eine E-Mail mit Bestätigung per Rückantwort ist für mich das Mindeste!

Dennoch habe ich Szenarien der folgenden Art schon oft erlebt:

·         Im Umkreis von einigen hundert Metern um das Veranstaltungslokal ist alles zugeparkt – von einem reservierten Abstellplatz keine Spur.
·         Der zugesagte Vorbereitungsraum ist mit irgendwelchem Krempel vollgestellt – offenbar zu dessen Transport wuseln ständig Personen hinein und heraus.
·         Das ersatzweise zur Verfügung gestellte Zimmer liegt im Keller (oder im zweiten Stock) – inklusive des weiter entfernten Parkplatzes müssen die Requisiten weite Strecken sowie über enge Treppen etc. geschleppt werden
·         Die vormals leere Auftrittsfläche wurde vom Wirt mit dem Büfett vollgestellt (wahlweise von den Musikern mit ihrem technischen Gerät) – fürs Zaubern bleibt ein Raum von wenigen Quadratmetern.
·         Trotz gegenteiliger Auskunft wuselt auf der Bühne ein Dutzend Kleinkinder umher, und wie die Geräusche von Publikumsseite verraten, sind auch etliche Säuglinge anwesend. Personen, welche die Kids in Schranken halten, sind nicht ersichtlich.

Natürlich kann man vom Ausrichter einer privaten Feier (das Milieu, in dem ich häufig arbeite) nicht erwarten, dass er die Welt mit den Augen eines Zauberkünstlers sieht. Doch hierfür biete ich ihm ja Beratung an. Das Hauptproblem ist es wohl aber, dass Menschen nicht gerne Texten folgen, an deren Ende sie einen Handlungsauftrag für sich vermuten (war schon in der Schule so mit den Hausaufgaben…). Nach meinen Erfahrungen wird dies der verständlichste Info-Text nicht verhindern.

Kirchen, Seniorenheime und andere soziale Einrichtungen bieten einem zudem häufig die Variante verschiedener Ansprechpartner: Die Person, mit welcher man das Erstgespräch führte, ist nun leider in Urlaub (respektive krank oder auf Fortbildung) – also beim zweiten Mal bitte alles von vorn! Am Auftrittstag trifft man dann auf die Nummer drei, welche lediglich informiert wurde, dass „ein Zauberer“ käme. Muss doch reichen…

Im Fall des Falles müssen Sie sich nach dem Eintreffen ganz schnell entscheiden, ob Ihnen die gebotenen Bedingungen für einen Auftritt reichen. Bedenken Sie: Wenn Sie wegen der lausigen Umstände die Show in den Sand setzen, werden Publikum (und Gastgeber) das auf Ihr Konto buchen. Die Meisten wissen gar nichts vom Vorlauf, und wenn: Sie können doch zaubern, oder?

Hier gilt für mich der Grundsatz: Verbreiten Sie gute Laune im Publikum, aber scheren Sie sich nicht um die des Veranstalters! Natürlich können kleine Pannen und Versäumnisse vorkommen, und man entwickelt mit zunehmender Erfahrung ein Krisenmanagement, von dem die übrigen Beteiligten oft gar nichts mitbekommen. Wenn Sie aber zur hinreichenden Gewissheit kommen, den Auftritt unter den herrschenden Bedingungen nur schlecht oder gar nicht absolvieren zu können, sagen Sie dies dem Verantwortlichen klar und deutlich! Setzen Sie ihm eine Frist und kündigen an, dass er ansonsten eine Vorstellung bezahlen muss, die nicht stattfindet. (Juristisch gesehen verweigert dann der Veranstalter die Annahme einer Leistung, siehe „Annahmeverzug“, § 615 BGB.) Hierbei hilft es natürlich sehr, wenn die Abmachungen vorher detailliert genug waren. Vor einer solchen „Drohkulisse“ bekommt man dann meist doch noch halbwegs annehmbare Bedingungen geboten.

Die Befürchtung, bei einem solchen Vorgehen dort nie mehr ein Engagement zu bekommen, ist übrigens nicht immer realistisch: Letztlich werden Sie anhand des Erfolgs beim Publikum beurteilt, und zudem sehen viele Gastgeber zumindest im Nachhinein ein, warum Sie auf bestimmten Auftrittsbedingungen bestehen mussten. (Ich habe in solchen Fällen durchaus schon Entschuldigungen erlebt – wie schön!)

Mit den Jahren legt man sich ein dickes Fell zu und ist auch durch absonderlichste Vorkommnisse kaum noch zu erschüttern. Ich gestehe allerdings, immer noch in die Gefahr der Verübung einer Körperverletzung zu geraten, wenn ich eine halbe Stunde vor meiner Darbietung den Gastgeber endlich hinter seiner Schweinshaxe entdecke und er mir auf die Frage, ob er denn schon wegen des Parkplatzes, Garderobenraums etc. aktiv geworden sei, die Antwort erteilt:

„Ja, richtig, da werde ich mich jetzt gleich drum kümmern!“

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