„Eine Meinung ist wie ein Penis. Es ist schön,
wenn man einen hat, man darf darauf sogar stolz sein. Problematisch wird es,
wenn man anderen damit vor der Nase herumwedelt.“ (gefunden auf Facebook)
Fast täglich regnen auf meine Blogs Dinge herunter, von
denen ich meine Leserinnen und Leser eher verschone. Menschen wedeln mir mit
ihren seltsamen Ansichten vor der Nase herum. In meinem Archiv füllen diese Attacken seit 2019
inzwischen 33 Seiten (in 12 Punkt-Schrift) – und mein Spam-Ordner umfasst für einen ähnlichen Zeitraum über 90 Beiträge.
Um mit einer ganz aktuellen Zuschrift zu beginnen,
die mich heute Nacht erreichte, diesmal auf meinem Zauber-Blog:
„Ich empfinde es als beschämend und
unverantwortlich, dass Sie Jochen Zmecks wunderbare Tricks hier preisgeben! Was
soll das??? Ihr ‚Zauberblog‘ ist leider nur Effekthascherei. Ein Magier, der
einen Trick verrät, ist kein Magier, sondern ein Verräter.“
Hier sieht man einige Zutaten solcher
„Meinungsäußerungen“:
· Ein
realer Name fehlt (öfters wird ein falscher verwendet).
· weder
Anrede noch Grußformel
· Häufung
von Satzzeichen („???“); Großbuchstaben
· starkes
Vokabular („beschämend“, „unverantwortlich“, „Verräter“)
· Der
inhaltliche Zusammenhang wir nur kurz umrissen, um dann sofort ins Persönliche
abzugleiten.
· Soweit
man sich auf Tatsachen bezieht, sind die häufig verkürzt, pauschaliert und bis
zur Unkenntlichkeit verändert.
Hier soll beispielsweise der Eindruck erweckt werden, ich
würde auf meinem Zauberblog Geheimnisse unserer Profession verraten.
Tatsächlich tun das etliche Kollegen – heute meist in YouTube-Erklärvideos. Ich
gehöre nicht dazu.
Auch in dem Text, zu dem der Kommentar eingestellt wurde,
geschieht das nicht. Zudem stammt der gezeigte Effekt nicht vom einstigen
DDR-Magier Jochen Zmeck, sondern vom Schweizer Kartenexperten Roberto
Giobbi. Und beide haben Bücher geschrieben, in denen sie ihre Kunststücke
öffentlich erklären.
https://diemagiedesgr.blogspot.com/2020/04/mentale-koordination.html
Inzwischen wirft mir der Herr per Kommentar
zu
einem meiner YouTube-Videos die Verletzung von Urheberrechten vor.
Er werde mich daher beim Verlag melden.
https://www.youtube.com/watch?v=Xg5FUJeqxkc
Gerne wird dabei meine Kompetenz
– nicht nur im Tango – in Frage gestellt („Effekthascherei“). Nur darf
man die werten Kritiker keinesfalls nach ihrer fragen. Sonst klingt das
so:
„SIE haben meine Kritik an diesem wirklich
schlechten Video sofort auf eine persönliche Ebene gelenkt. Sie haben versucht
mich auszuspionieren und wollten von mir persönliche Daten wissen. Ich betone
nochmals: Wer und mit welchem Bildungshintergrund eine Kritik äußert, mag für
Sie von persönlichem Interesse sein, tut aber nichts zur Sache.
Anstatt sich SACHLICH mit meinen Kritikpunkten auseinanderzusetzen, haben Sie
abenteuerliche Vermutungen über meine Person geäußert, die schwer unter die
Gürtellinie gingen und mit Sachlichkeit nichts zu tun hatten.
KEINEN EINZIGEN PUNKT MEINER KRITIK KONNTEN SIE SACHLICH WIDERLEGEN.“
Ihre Kritik an meinen musiktheoretischen „Fehlern“
wiederholte die Schreiberin in mehreren Anläufen mit fast
gleichlautenden Formulierungen. Übrigens war ich bei ihr nicht „unter der
Gürtellinie“ spionagemäßig tätig. Ich hatte sie lediglich nach ihrer musikalischen
Ausbildung sowie ihren Tangoerfahrungen gefragt, wogegen sie sich
heftig sträubte.
Merke: Meine Fachkenntnisse darf man beurteilen, die
meiner Kommentatoren nicht!
Ich denke öfter darüber nach, ob hinter solchen Attacken
ein gemeinsames Muster steckt. Allerdings natürlich mit der Einschränkung,
dass mir psychologische oder psychotherapeutische Expertise
fehlt. Daher sind meine folgenden Gedanken auch nicht als „Diagnose“ zu
verstehen.
Wenn ich mal von mir ausgehe: Da ich täglich – meist in Tangosachen
– im Internet unterwegs bin, lese ich vieles, das ich für ausgemachten Blödsinn
halte. Nur im Promillebereich reagiere ich überhaupt darauf. Und dann
nicht per kräftigem Statement auf den Facebook-Seiten oder Blogs dieser Leute.
Das ist ihr „digitales Wohnzimmer“ – und ich kann mir ihre Reaktionen
ausmalen, wenn ich dort mit meiner Kritik aufbaumte: Ich würde ignoriert,
beschimpft oder gelöscht.
Wenn, dann erscheint halt auf meinem Blog ein
Artikel oder eine Anmerkung dazu. Diese Texte kann man bei Interesse lesen –
oder es lassen. Und ich verlinke meine Beiträge nur auf den eigenen Seiten,
anstatt anderen damit auf den Senkel zu gehen. Ich wedle ihnen also nicht mit
meinen Ansichten (und erst recht nicht mit anderem) unter der Nase herum.
Wie sind nun Leute gestrickt, welche mir dringend persönlich
mitteilen müssen, welchen Müll ich schreibe?
Ich glaube, dass es sich bei den Urhebern oft um sehr einsame
Menschen handelt, was nicht bedeuten muss, dass sie allein leben. Aber sie
leiden vermutlich daran, dass ihre Genialität nicht erkannt wird, sie
mit ihren Ansichten im realen Dasein öfters schlecht angekommen sind.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass solche
Zeitgenossen mir gerne – und geradezu als Anschuldigung
– meine frühere Lehrtätigkeit
vorhalten. Offenbar waren sie schon in Kindheit und Jugend solche Problematiker, mit denen das
Lehrpersonal seine liebe Not hatte. Und von dem sie sich in ihrer geistigen
Potenz unterschätzt, gar missachtet fühlten.
Das muss die Welt nun büßen!
Stellvertretend suchen sie sich Opfer, welche sich in ihren Augen viel
zu wichtig machen – und (aus ihrer Sicht) damit auch noch Erfolg haben.
Das muss unter allen Umständen verhindert werden!
Daher tun sie alles, um die Objekte ihres Zorns zu diskreditieren:
Es kann doch nicht sein, dass die Menschheit auf einen solchen Blender
hereinfällt! Daher fühlen sie sich als moralische Vollstrecker in
geradezu göttlicher Mission.
Besonders tragisch geraten wütende Attacken bejahrter Tangovertreter, welche
ersichtlich darunter leiden, dass ihre Verdienste
um unseren Tanz zu wenig gewürdigt werden, sie vielleicht sogar in
Vergessenheit geraten. Für ihren Frust
diene ich dann als Ersatzobjekt.
Was ganz typisch ist: Zwischentöne oder gar Buntheit
existieren nicht – die Welt ist schwarz und weiß, schon Grau
wirkt verdächtig. Was diese Herrschaften verkünden, sind niemals subjektive
Ansichten, sondern TATSACHEN. Und die können nur richtig oder falsch sein.
Verhandlungen oder gar Kompromisse kommen ihnen stets suspekt vor.
Ich fürchte, solche Menschen sind völlig empathiefrei. Ein Gespür dafür, den
Gesprächspartner mit einem Minimum an Respekt zu behandeln, fehlt
völlig. Da wird vom ersten Satz an geholzt, dass die Spreißel fliegen. Einzig Selbstmitleid ist im Überschuss
vorhanden. Daher empfinden sie jede Kritik an ihren Ansichten als „Beleidigung“.
Die geistige
Beweglichkeit solcher Naturen hält sich in Grenzen. Oft wird in einer
ganzen Serie von Zuschriften immer wieder das
Gleiche behauptet. Der Sprung in Platte und Schüssel ergänzen einander
perfekt.
Objektivität ist
ein Fremdwort. Stattdessen gilt: Wenn andere meine Ansichten verurteilen, wird
deren Sachkunde in den höchsten Tönen gepriesen.
Kommentatoren, welche mir beipflichten, sind nichts anderes als elende Speichellecker. Total voreingenommen! Manchmal stellt man
auch erfundene positive Statements
unter falschem Namen ein und verspottet
mich hinterher, dass ich mich darüber gefreut habe.
Ich sehe auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern:
Während bei den (wenigen) Frauen die (bei den Herren äußerst beliebte) Tendenz dominiert,
Vorhaltungen in Serie zu wiederholen, überwiegt bei den Männern
die Lust am Krawall. Ich erlebe diesen Effekt immer wieder: Gerade sehr tatsachen-orientierte
Artikel finden oft weniger Beachtung – es sei denn, irgendein Depp postet seine
möglichst extreme Ansicht dazu. Findet er gar noch ein Pendant,
welches in ähnlichem Stil antwortet, gehen die Zugriffszahlen durch die
Decke.
Als Beispiel hier ziemlich sachlicher Beitrag aus
der jüngsten Zeit mit 26 (!) Kommentaren:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/08/faktencheck-phrasierungen.html
Lesen die dann nur die Kommentare oder versehentlich auch mal
den Artikel? Wie dem auch sei: Ärgern bringt nichts. Man muss es als Naturerscheinung betrachten wie beispielsweise den Regen.
Kurt Tucholsky besprach
1929 ein Büchlein mit dem Titel „ABC des Angeklagten“ und zitiert daraus:
»Die Ausführungen des
Staatsanwalts musst du hinnehmen wie ein Mensch, der ohne Schirm unterwegs ist
und plötzlich von einem Platzregen überfallen wird. Der Platzregen hört einmal
auf – der Staatsanwalt auch!«
Bravo! Aber das ist ja
meisterhaft! Woher beziehen Sie Ihre Satire, Herr? Es ist nur ein kleiner
Fehler anzumerken: Regen ist sauber.
https://www.textlog.de/tucholsky-abc-angeklagten
Dem ist nichts hinzuzufügen.