Mittwoch, 17. Juni 2020

Kinderzauberei – der erste Kontakt


Der findet meist telefonisch statt. Typischer Fall: Eine Mutter ruft an, da sie einen Kindergeburtstag zu organisieren hat. Der Beginn des Dialogs lautet meist:

„Zaubern Sie auch für Kinder?“
„Ja, gerne!“
„Was kostet denn sowas und wie lang dauert es?“

Wenn Sie dann antworten „eine Dreiviertelstunde, hundert Euro“ – haben Sie in der Regel bereits verloren! Denn als Antwort kommt mit ziemlicher Sicherheit: „Was, so viel?“

Die Rechnung ist ja sehr einfach: Für die Anruferin errechnet sich daraus ein Stundenlohn von über 130 Euro!

Daher stelle ich im Normalfall lieber zunächst Gegenfragen:

„Dazu müsste ich zunächst von Ihnen einiges erfahren: Wie viele Kinder werden denn ungefähr teilnehmen? Wie alt ist das Geburtstagskind? Und der jüngste Zuschauer? Sind noch ältere Kinder anwesend? Ich nehme an, Erwachsene sind auch dabei? Wohin müsste ich da fahren?

Nach den erhaltenen Informationen kann ich viel besser antworten, zum Beispiel:

Die Anfahrt dauert zirka 45 Minuten, nehme ich an? Also, inklusive Vorbereitung, Packen, An- und Abfahrt, Auf- und Abbau bei Ihnen, natürlich plus Auftritt, rechne ich mit ungefähr vier bis fünf Arbeitsstunden. Dafür würde ich, alles inklusive, hundert Euro vorschlagen.“

(Anmerkung: Damit will ich keinem Kollegen die Höhe seiner Gage vorschreiben – Näheres hierzu: https://diemagiedesgr.blogspot.com/2015/03/und-was-kostet-das.html)

So ergeben sich nunmehr, unter Berücksichtigung der wahren Arbeitszeit (über die Sie so Ihren Gastgeber informieren), nicht viel mehr als 20 Euro pro Stunde – und dafür kommt kein Handwerker ins Haus. Weisen Sie gegebenenfalls ruhig auf diesen Umstand hin!

Aber auch damit können Sie nicht alle Interessenten zufriedenstellen. Der Grund ist klar: Die defekte Klospülung muss repariert werden – ein Zauberer hingegen ist nicht unbedingt nötig.

Ich sehe das ebenfalls so: Der Live-Auftritt eines Künstlers ist etwas Besonderes. Und obwohl ich nicht davon lebe, sehe ich auch nicht ein, diesen „Luxus“ für ein Trinkgeld zu verramschen.

Übrigens sind gerade die Leute, welche den Preis drücken wollen, meist keine Hartz 4-Bezieher – im Gegenteil. Immer wieder erlebe ich es dann vor Ort, dass einfache Menschen nach der Vorstellung noch einen Schein drauflegen (oder eine Flasche Wein) – bei Kunden in eher exquisitem Ambiente hingegen bekommt man so gut wie nie auch nur einen Euro extra!

Auch die andere Frage sollten Sie zurückgeben: „Wie lange soll ich denn zaubern, was meinen Sie?“ Man hört dann (gerade bei größeren Kinderfesten) oft Erstaunliches: Ja, so zwei Stunden wären schon ganz gut… In solchen Fällen läutet bei mir bereits die Alarmglocke: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie dann eher zur „Kinderbetreuung“ denn zum Zaubern eingesetzt werden sollen, damit die Gastgeber weniger Stress haben. Natürlich mache ich anschließend klar, dass die Dauer einer Schulstunde (45 Minuten) die Obergrenze ist – bei kleineren Kindern eher weniger.

Weiterhin frage ich alles ab, was ich an Organisatorischem wissen muss – und weise auf die Liste hin, welche auf meiner Website steht:

Außer bei sehr guten Bekannten verlange ich auf jeden Fall eine schriftliche Auftragsbestätigung (heute ja per Mail leicht auszutauschen). Der Kunde erhält dabei einen Text, den man ebenfalls auf meiner Website finden kann:

Bei aller Digitalisierung freuen sich die meisten Kunden dennoch, wenn sie etwas schriftliches Informationsmaterial bekommen. Ich biete es jedenfalls stets an und übersende dann meinen Prospekt, eventuell zusätzlich auch spezielle Hinweise für besondere Fälle.

Wenn ich meine alten Unterlagen zu den über tausend Auftritten in bald 35 Jahren durchblättere, wird mir klar: Nach den Erfahrungen, über die ich nun verfüge, hätte ich sicherlich zwischen 10 und 20 Prozent der Engagements ablehnen sollen – gerade im Kinder-Bereich.

In vielen Fällen liefert nämlich bereits das erste Telefonat  Alarmzeichen, welche man nicht überhören sollte:

·         Wenn ums Geld geschachert wird, ist das ein sehr schlechtes Omen. Sollten sich die Gastgeber dann zähneknirschend auf die Höhe der Gage einlassen (vielleicht, weil die Kollegen noch teurer sind), dürfen Sie sicher sein: Praktische Hilfe vor Ort werden Sie kaum erhalten, eher muffiges Verhalten  – und wenn Sie Pech haben, sind die Spuren solchen Anspruchsdenkens bereits auf die Kinder übergegangen. Im Zweifel lieber selber die Reißleine ziehen – sollen die doch in einen Kinder-Ferienpark fahren und dort das Mehrfache des Geldes lassen!
·         Bedenken sollten Ihnen auch kommen, wenn die Auskünfte nur widerstrebend erfolgen: Nein, man wisse 14 Tage vorher noch gar nicht, wie viele Gäste kämen, in welchen Räumlichkeiten der Auftritt stattfinden solle, wo Sie Ihre Requisiten ungestört vorbereiten könnten... Das Risiko ist groß, dann in einem desorganisierten Chaos zu landen. Bitten Sie in solchen Fällen um eine neue Kontaktaufnahme, wenn diese Daten feststünden – meist hört man dann nie mehr etwas vom Kunden…
·         Ebenfalls ein sehr schlechtes Zeichen ist während des Gesprächs lautes Kindergeschrei im Hintergrund. Wenn die Mutter es nicht hinkriegt, einmal zehn Minuten ungestört zu telefonieren, sind die Machtverhältnisse in dieser Familie äußerst verdächtig! Ich spreche das inzwischen ganz offen an: „Sagen Sie, bei der Vorstellung sind die Kinder dann schon ruhiger, oder?“ Es gibt Fälle, wo Ihre Gesprächspartnerin die Problematik positiv erkennt und für Ruhe sorgt. Ansonsten sollten Sie es lassen.
·         In den Jahrzehnten meiner magischen Aktivitäten ist das Alter der Kinder stetig gesunken, in dem sie nach Ansicht der Eltern schon reif für einen Zauberauftritt sind. Auch für Zweijährige scheint inzwischen zu gelten: „Mein Kind versteht das schon!“ Ein klares Nein: Erst ab mindestens vier Jahren ist der Realitätssinn der Kinder stark genug entwickelt, dass sie Abweichungen von der Wirklichkeit, also Zauberei, einschätzen können. Lassen Sie da nicht mit sich handeln, das wird nichts – schlimmstenfalls haben Sie einen quengelnden und plärrenden Störfaktor, der Ihren Auftritt ruiniert.
Bei kleineren Kindern gebe ich den Eltern den Rat: „Hängen Sie sich eine Decke um und brüllen, dann sind Sie ein Löwe!“
·         Höchste Vorsicht ist geboten, wenn der Anruf von einem Kindergarten, einer Schule oder ähnlichen Einrichtung kommt. Meist geht es dann um eine größere Fiesta mit Altersstufen vom Kleinkind bis zum Opa. Schon das ist schwierig genug!
Zusätzlich herrscht an solchen Orten leider nicht selten eine „Kultur der organisierten Verantwortungslosigkeit“: Eine Mitarbeiterin bekam den Job aufgedrückt, einen Zauberer zu besorgen – und die gibt die lästige Aufgabe so bald als möglich ab. Folge: Die Person, mit der Sie alles abgesprochen haben, ist am Auftrittstag gar nicht da. Szenetypische Begründungen: Urlaub, Krankheit, Fortbildung, Teilzeit. Daher dürfen Sie sich im Gewühl durchfragen und landen endlich bei einer pädagogischen Kraft, die eigentlich nur weiß, dass „ein Zauberer kommt“.
Daher: Lassen Sie sich schriftlich bestätigen, wer Sie bei der Vorstellung betreut – und was dazu alles gehört. Öfters kriegt man dann von der Einrichtung eine Absage…
·         Letzter Tipp: Wenn eine Künstleragentur anruft – sofort auflegen! Nach meiner Erfahrung gibt es nur schlechte und ganz miese Agenturen. (Okay: Es mag auch wenige gute geben – aber die rufen nicht mich an, sondern Günther Jauch…)

Wenn ich dann zugesagt habe, kann ich nur hoffen, dass alles so wird, wie man es besprochen hat. Dies ahne ich schon am Hauseingang des Auftrittsorts: Wenn davor kreuz und quer die Fahrräder liegen, ist das kein gutes Zeichen. Ebenso, wenn kein Erwachsener die Tür öffnet, sondern nach mehrmaligem Läuten ein Kleinkind. Muss ich dann im Flur über einen Berg von Jacken steigen, wird es ganz schlimm. Und wenn ich dabei auch noch auf einen Keks trete, möchte ich eigentlich gleich wieder heimfahren.

Was ich stattdessen mache, erfahren Sie in den nächsten Beiträgen!

Foto: www.tangofish.de

Dienstag, 16. Juni 2020

Kinderzauberei – eine andere Welt


„Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach.“
(Karl Valentin)

Der tragische Irrtum: „Es ist ja nur für die Kleinen“

Oft genug hört man als Zauberkünstler diesen Satz von den entsprechenden
Gastgeberinnen (ob es nun Kindergärtnerinnen sind oder Mütter, welche die Geburtstagsfeier ihres Sprösslings planen – Väter dagegen rufen kaum jemals an).

Spätestens kommt er beim Thema Gage und soll bedeuten: „Da Sie sich ja nicht besonders anstrengen müssen, darf es auch weniger kosten.“ Großes Erstaunen erzeugt dann stets meine Feststellung, dass ich – ausgehend von der Arbeitsleistung – eigentlich mehr verlangen sollte als bei Erwachsenen.

Es gibt eine beträchtliche Anzahl von erfahrenen, sogar berühmten Kollegen, die sich strikt weigern, vor Kindern aufzutreten. Und womit tun sie das? Mit Recht! Es gibt (ausgenommen vielleicht besoffene Rocker) kein schwierigeres Publikum!

Ich möchte hier nicht das große Lamento anstimmen über die „heutigen Kinder“, bei denen (mit welcher Verlässlichkeit auch immer) Verhaltensstörungen wie ADHS diagnostiziert werden und die angeblich nur noch mit einer kräftigen Dosis Psychopharmaka davon abgehalten werden können, über Tische und Bänke zu gehen. Aus meiner 35-jährigen Tätigkeit als Gymnasiallehrer weiß ich, dass dies ein Klischee ist – allerdings ebenso wie die Einstellung, man dürfe die „armen Kleinen“ nicht mit „überkommenen“ Benimmregeln in der Erlangung ihrer Selbstständigkeit behindern.

Sicher ist allerdings: Bei einem erwachsenen Publikum ist die Bandbreite des Verhaltens eher klein – sicherlich gibt es tolle Zuschauer und auch solche, welche von Natur und/oder Alkoholpegel her sicherlich nicht dem Wunschtraum von Magiern entsprechen.

Dennoch können Sie sich fast immer darauf verlassen, dass Sie – selbst wenn es nicht so gut läuft – zumindest Höflichkeitsapplaus erhalten und Zwischenrufe wie „Ej Mann, das kenn’ ich schon“ oder ein plötzlicher Heulanfall mit 110 Dezibel kaum vorkommen. Ebenso müssen Sie nicht fürchten, dass volljährige Gäste immer näher rücken, bis sie schon fast mit der Nase an Ihrem Zaubertisch kleben oder gar unter diesem herumkriechen. Oder bei einer Gartenparty ein vorbeiflitzendes Eichhörnchen Ihre tolle Routine im Bewusstsein absolut auslöscht. Oder ein Zuschauer plötzlich aufsteht und Ihnen eine Geschichte erzählen will, die mit Ihrem Programm genau nichts zu tun hat. Oder…  

Bei Kindern habe ich so ziemlich jedes Extrem schon erlebt:

Da gibt es Auftritte, nach denen ich eigentlich gar nicht wegfahren möchte, weil meine kleinen Zuschauer derartig toll mitgegangen sind. Und wenn dann an der Autotür noch eine kleine Prinzessin mit riesigen Kulleraugen versichert „Das war so schön, Herr Zauberer“, möchte man fast die Gage wieder zurückgeben…

Auf der anderen Seite gibt es Kinderfeste, welche praktisch nur aus Gebrüll und völlig überdrehten Kids bestehen, die vor allem Süßigkeiten in sich reinstopfen, Egozentrik pur bei null Konzentrationsfähigkeit und Empathie sowie einem höchstens zweistelligen IQ – Kürzung des Programms bei Rettung der Gage und  Evakuierung der Requisiten vor den heranstürmenden Kleinen in letzter Sekunde bei vollem Körpereinsatz.

Natürlich ist mir inzwischen klar, dass ich gerade in meiner Anfangszeit nicht selten durch elementare eigene Fehler in solche Situationen geraten bin. Dennoch stimmt der eingangs zitierten Satz von Valentin: Die lieben Kleinen können nichts dafür, wenn ihre Eltern eklatante Mängel im Sozialverhalten aufweisen. Und unfähig sind, ihren Kindern etwas abzuverlangen. Bei manchen Auftritten hatte ich das Gefühl, der erste Mensch zu sein, der bei den Kindern in dieser Richtung agierte.

Wer‘s nicht glaubt, sollte einmal über eine Erfahrung von mir nachdenken: Private Kinderfeste verliefen stets harmonischer, wenn beide Eltern anwesend waren und sich um die kleinen Gäste kümmerten. Häufig aber waren die Väter absent – aus welchem Grund auch immer. (In einem Fall entdeckte ich den männlichen Erzeuger nach dem Auftritt unter einer Decke schlafend auf der Couch!)      

Ich erlebte also genügend Horrorszenarien, bei denen mir bis heute kein Gegenmittel einfällt – außer das Engagement nicht anzunehmen, wenn sich im Vorfeld gewisse „Warnzeichen“ zeigen (davon später). Bedenken Sie daher:

Bei Auftritten vor Kindern kann vom größten Triumph bis zur krachenden
Niederlage alles passieren – und manches davon haben Sie nicht in der Hand. Sollte Ihnen dieses Risiko zu hoch sein, zaubern Sie lieber nur vor Erwachsenen!

Persönlich habe ich es immer als spannend empfunden, mich auf ein solches Spiel einzulassen und herauszufinden, wie ich es im Sinne der Zauberkunst beeinflussen kann – ein gutes Drittel meiner Auftritte (also über 300) fand in diesem Metier statt.

Weiterhin ist es kaum vermeidbar, öfters vor gemischtem Publikum aufzutreten; gerade bei Familienfesten oder „Tagen der offenen Tür“ mit einem beträchtlichen Anteil junger Gäste. Hierbei benötigen Sie ebenfalls gewisse Kenntnisse über diese sehr spezielle Art von Publikum.

In welcher Hinsicht weichen Auftritte vor Kindern von solchen bei Erwachsenen ab?

·         Die einzelnen Altersgruppen reagieren sehr unterschiedlich; die Vorstellung muss genau hierauf abgestimmt sein. Daher stellen sich die größten Probleme, wenn Sie eine Melange von Drei- bis Vierzehnjährigen vor sich haben!
·         Das Verhalten der Kinder hängt extrem von den äußeren Bedingungen ab: der Art des Festes, dem sonstigen Programm, den sozialen Beziehungen untereinander und zu den anwesenden Erwachsenen, den Sicht- und Platzverhältnissen, Verfügbarkeit von Essen und Getränken, diversen Störquellen von außen usw.
·         Kinder denken sehr direkt und sind stark von der Optik beeinflussbar. Längere Texte, welche vom Zaubergeheimnis ablenken sollen, wirkt vor allem bei sehr jungen Zuschauern wenig. Ihr Denken verläuft noch nicht in mehreren Spuren: Die schönste Geschichte kann sie nicht davon abbringen, Ihnen genauestens auf die Finger zu sehen!
·         Auch unter Kollegen herrscht oft die Meinung, man müsse sich vom technischen Hintergrund her bei Kindern wenig Mühe geben – die könne man leicht täuschen. Nach meiner Erfahrung ist das Gegenteil richtig. Wenn Sie mit einem Manöver bei Erwachsenen durchkommen, kann es durchaus sein, dass die lieben Kleinen Ihnen die (richtige) Erklärung zurufen!
Das liegt an der einfachen Denkweise junger Zuschauer: „Wenn’s nicht mehr in der linken Hand ist, kann’s ja nur in der rechten sein!“ – Erwachsene würden eher meinen: „So simpel ist es sicher nicht!“
·         Bei kleinen Zuschauern ist die Schwelle, direkt ins Geschehen einzugreifen, äußerst niedrig: Eine Unachtsamkeit Ihrerseits (z.B. das „Blitzen“ eines palmierten Gegenstands) werden Ältere meist höflicherweise übersehen – bei Kindern kriegen Sie unverzüglich einen entlarvenden Zwischenruf: „Du hast es ja nur in der Hand versteckt!“
·         Kinder wollen sich beteiligen, also wählen Sie mehr Effekte mit direktem Zuschauereinsatz! Die Gefahr ist jedoch groß, dass die kleinen Akteure Ihnen dabei die Inszenierung aus der Hand nehmen. Die kluge Steuerung des „Mitmachens“ ist eine der größten Herausforderungen in diesem Bereich!
·         Anspielungen, Ironie oder gar „Killerphrasen“ wirken bei Jüngeren überhaupt nicht. Allenfalls kommt die Botschaft an, dass der „Zauberer sie nicht mag“ – und dies ist noch weniger empfehlenswert als bei volljährigen Zuschauern!
·         Auch Aufsitzer-Routinen funktionieren, je nach Alter, entweder gar nicht oder können zu einer feindseligen Stimmung führen, da sich die Kinder nicht ernst genommen oder gar veralbert fühlen. Hier ist höchste Sensibilität gefragt!
·         Negative Veränderungen (z.B. Konzentrationsabfall, Desinteresse, Ablenkung durch Störungen) stellen sich bei Kindern sehr rasch ein. Dem müssen Sie mit erhöhter Flexibilität begegnen (z.B. Abkürzung einer Routine oder des ganzen Programms, Ausweichen auf alternative Effekte).
·         Die schauspielerische Gestaltung ist in diesem Bereich noch wichtiger als sonst; übertreiben Sie, wo es nur geht – vor diesem Publikum dürfen Sie deutlich exzentrischer agieren als gewöhnlich. Nicht so sehr das Unerklärliche fasziniert kleine Zuschauer (eher verwirrt es sie oft), sondern der Weg dorthin, der möglichst spannend und komisch gestaltet werden sollte.
·         Und schließlich: Kinder applaudieren von sich aus kaum – warten Sie also nicht darauf! Bestenfalls ahmen sie das Händeklatschen älterer Gäste nach; es bleibt jedoch mehr ein Ritual denn eine echte Anerkennung.

O je, wie soll man das alles hinkriegen? Ich werde in der nächsten Zeit auf diesem Blog einige Ideen und Tipps dazu veröffentlichen.

Für heute wollte ich Ihnen jedoch klarmachen: In keiner anderen Sparte der Magie liegt die Messlatte für den Künstler derartig hoch. In seinem hervorragenden Buch „Seriously silly“ findet der amerikanische Kinderzauberer David Kaye hierzu ein schönes Bild:

„Wenn ein Popsänger, unterstützt von Dutzenden Helfern und einem großen Bühnenaufbau, seinen Auftritt beginnt, erwarten die Besucher, dass er singen kann. Wenn sich der Vorhang zu einer Musicalaufführung mit über hundert Mitwirkenden hebt, erwarten die Zuschauer, dass die Darsteller singen, tanzen und schauspielern können.
Wenn Sie als Kinderzauberer Ihre vier Koffer in den 6. Stock wuchten, wo die siebenjährige Susi ihren Geburtstag feiert, erwartet Ihr Publikum, dass Sie alles
können!“

Bis dahin eine kleine „Hausaufgabe“: Wie gefällt Ihnen dieser Auftritt vor Kindern? Was kommt beim kleinen Publikum wie an? Anhand der Reaktionen ist das ganz gut abschätzbar. Meine Sichtweisen dazu erfahren Sie demnächst!


Montag, 1. Juni 2020

Ten Card Poker Deal


Am wirksamsten ist die Zauberei, wenn sie geheime Wünsche der Zuschauer erfüllt.
Einer davon ist sicherlich, beim Kartenspiel (Glücksspiel) zu gewinnen. Das erfüllt ein Kunststück, mit dem ich mich lange beschäftigt habe: Der „Ten Card Poker Deal“.

Die von Arthur Buckley kreierte Idee wurde von vielen magischen Berühmtheiten
wie Dai Vernon, Tony Griffith, Harry Lorraine und Tony Binarelli bearbeitet. Ich selber lernte das Kunststück 1987 auf einem Seminar von Rudolf Braunmüller kennen und entwickelte eine eigene Vorführweise.

Effekt:
Ein (möglichst kartenerfahrener) Herr und eine (mit Spielkarten nicht vertraute) Dame aus dem Publikum spielen gegeneinander eine vereinfachte Poker-Version. Obwohl alles fair wirkt, gewinnt die vom Zauberer unterstützte Dame jedes Spiel!

Prinzip:
Es werden dreimal drei Karten von jeweils gleichem Wert, aber unterschiedlicher Farbe verwendet (also z.B. drei Siebener, drei Zehner, drei Damen), dazu eine
Karte von ganz anderem Wert (möglichst niedrig, damit sie keine Aufmerksamkeit auf sich zieht, z.B. eine Sechs). Diese trägt auf dem Rücken eine Markierung (mit Tipp-Ex in der Mitte ein kleines Ornament löschen, siehe Foto). Wer diese „wilde“ Karte erhält, verliert nach den (vorher erklärten) Regeln das Spiel.



Vorbereitung:
Suchen Sie aus einem Spiel die drei Dreiersätze heraus und mischen Sie diese. Auf das Restspiel kommt rückenoben zunächst die „wilde“ Karte, darauf das Päckchen mit den neun Karten.

Routine und Vortrag:

„Viele Kartenkunststücke basieren ja auf den Methoden von Falschspielern. Wir Zauberer wollen natürlich niemanden wirklich betrügen und um sein Geld bringen. Aber ich möchte Ihnen einmal zeigen, wie man beim Kartenspiel gewinnen kann. Wir spielen Poker, aber nach etwas vereinfachten Regeln.“

Suchen Sie von der Bildseite (!) des Spiels Karten heraus, mit denen Sie die einzelnen Zusammenstellungen demonstrieren:

·         unterster Gewinnwert: zwei Karten gleichen Werts (Zweier)
·         dann: zweimal zwei gleiche Karten (zwei Zweier)
·         wiederum höher: drei Karten gleichen Werts (Dreier)
·         bei Gleichstand: Höhe des Kartenwertes entscheidet (also gewinnen z.B. zwei Damen gegen zwei Zehner)
·         noch besser: Full House (Zweier- plus Dreiergruppe)
·         oberster Wert: vier gleiche Karten (kann hier gar nicht vorkommen, macht aber die Regeln logischer)

„Ich suche nun einen Herrn, der etwas Erfahrung mit Spielkarten hat – vielleicht Sie? Ich dachte es mir… Und nun noch eine Dame, die mit Kartenspielen nichts am Hut hat – da ist die Auswahl wohl größer… Wären Sie so freundlich? Danke! Aber keine Angst, ich werde Sie magisch unterstützen!“

Geben Sie die verwendeten Karten wieder auf die Bildseite des Spiels zurück und heben  es rückenoben falsch ab (z.B. Zuschauer nimmt oberen Teil des Päckchens ab und legt ihn auf den Tisch, Sie platzieren Ihr Restspiel rechts daneben, dann kommt der linke Stapel wieder auf den rechten).

„Mein Herr, würden Sie vom Spielrücken aus zehn Karten einzeln übereinander auf den Tisch zählen?“

Die „wilde“ Karte wird somit zur obersten!
(Das Restspiel räumen Sie weg, damit keiner auf die Idee kommt, auch mal andere Karten verwenden zu wollen.)
Nun soll die Dame die Karten einzeln austeilen, also die erste für den Herrn, dann für sich, die nächste an den Partner usw. Damit kriegt der Mann die „Verliererkarte“!
Ein mögliches Ergebnis zeigt das Foto (vorn der Kartensatz der Dame, hinten der des Herrn, der die "Verliererkarte", hier die Pik 6, bekam):


„Ja, mein Herr, das sieht schlecht aus: Zwar haben Sie immerhin zwei Paare, aber die Dame einen Dreier, und damit ist sie die Gewinnerin!“

Sammeln Sie die Karten ein, „bringen sie etwas durcheinander“ und machen so die bewusste einzelne zur zweiten von oben. Nun darf der Herr austeilen (die erste für die Dame, die zweite für sich usw.): So hat er wieder die Verliererkarte!

Zum Trost darf er nun mischen und die Karten rückenoben in zwei Reihen zu fünf Karten auslegen. Nun soll jeder Mitspieler abwechselnd eine Karte nehmen, wobei der Herr die Karten auch gerne einzeln umdrehen, sich anschauen und eventuell seine Wahl ändern kann. Die Dame beginnt und ist somit in „Vorhand“: Sie braucht (unterstützt vom Magier) nur niemals die markierte Karte zu nehmen – der Herr verliert!

Sie nehmen die Karten zusammen und machen die „Verliererkarte“ zur obersten. Mischen Sie das Päckchen kurz durch, wobei die bewusste Karte als erste abgezogen wird und die anderen durch Mischen darauf landen. Der Herr teilt wie gehabt aus und erhält zum Schluss die „wilde“ Karte.

Bei der letzten Tour betonen Sie, dass nun der männliche Spieler nochmal alle Chancen hat, zu gewinnen: Er darf das Spiel mischen und austeilen, wie es ihm beliebt.

Nun kommt es darauf an: Hat die Dame die „Verliererkarte“ nicht (was Sie schon beim Austeilen an der Markierung sehen), ist alles prima – sie gewinnt so unter völlig fairen Bedingungen das fünfte und letzte Spiel!

Hat diesmal die Dame aber diesmal die „wilde“ Karte (was Sie schon beim Austeilen an der Markierung sehen), verkünden Sie eine weitere Spielregel:

„Mein Herr, ich gebe Ihnen noch eine zusätzliche Chance: Sie können eine Karte, die Sie gerne loswerden wollen, Ihrer Partnerin geben – und kriegen von der eine zurück, die Sie vielleicht besser brauchen können.“

Im den meisten Fällen gibt es bei dem Herrn wirklich eine Karte im Spiel, die ihm keinen Gewinnwert bringt und auf die er bereitwillig verzichtet. Allerdings bekommt er von seiner Mitspielerin (auf Ihren Rat hin) die „Verliererkarte“. (Ein wenig problematisch wird es nur, falls der Mann ein „Full House“ hat – dann ist etwas Überzeugungsarbeit nötig. Aber: No risk, no fun…)

Schön wäre es, den Frust beim männlichen Spieler zu lindern, indem man ein kleines Präsent für ihn vorsieht (vielleicht eine Urkunde über die „erfolgreiche Teilnahme an einem Falschspieler-Seminar“). Oder Sie können ihn mit dem Satz verabschieden:

„Und Sie haben das Wertvollste gewonnen, nämlich die Einsicht, sich niemals mit einem Falschspieler einzulassen – und Sie wissen ja, Pech im Spiel, Glück in der Liebe!“

Fazit:

Bei der Routine bieten Sie mit „nur“ einem Kartenspiel fünf Minuten spannendes Entertainment. Bedenken Sie die Vorzüge:

·         Das Thema „Falschspiel“ (Spielcasino!) ist attraktiv und beansprucht so die emotionale Aufmerksamkeit der Zuschauer.
·         Den „Schwächeren“ (die Dame) zu unterstützen erzeugt Sympathie.
·         Die bewusste Karte ist auf der Rückseite markiert und daher für den Vorführenden stets verfolgbar.
·         Man kann die Spielkarten weitgehend sehr natürlich handhaben, „Kunstgriffe“ kommen fast nicht zum Einsatz. Es wird lediglich ein falsches Abheben und ein kontrolliertes Mischen eingesetzt.
·         Die relativ logischen Spielregeln werden als vereinfachte und so für den Laien überschaubare Variante des Pokerns vorgestellt; sie wirken fair.
·         Das anfängliche Heraussuchen von „Beispielkarten“ festigt den Eindruck eines „gut gemischten“ Spiels mit beliebiger Reihenfolge.
·         Die Effekte steigern sich, es wird fünfmal Spannung aufgebaut.
  
Viel Spaß beim Ausprobieren!