Sonntag, 29. November 2020

Meine schönsten Zaubererlebnisse III

 

Hier nun die dritte Folge meiner Zaubergeschichten – wie immer alle selbst erlebt und nicht übertrieben. Viel Spaß! 

Eigenheiten und persönliche Wünsche

der Veranstalter oder Gäste sind ein gutes Mittel, dem Auftritt eine persönliche Note zu geben. Einige besonders schöne Beispiele: 

·         Eine Gastgeberin bat mich einmal, bei ihrem Familienfest keine satirisch-politischen Anspielungen zu bringen, da ihr Vater (im Gegensatz zu mir) sehr konservativ sei. Daher kündigte ich an: „Jetzt folgt mein übernächstes Kunststück, denn das nächste wäre politisch gewesen…“

·         Bei einer Firmenfeier landete ich trotz gegenteiliger Beteuerungen des Chefs in einem Bierzelt mit besoffenen Maurern. Meine Moderation: „Ich möchte Ihnen nun ein Kunststück erklären, und da wir heute in Niederbayern sind, habe ich ein ganz einfaches gewählt!“ Ich brauchte 30 Minuten, bis mich die Gäste wieder sympathisch fanden…

·         Auf dem grauen Nadelfilz eines Versicherungsunternehmens glückte mir dies nicht mehr. Genervt wegen der langen Wartezeit durch scheinheilig-dröge Reden der hohen Herren brachte ich den Spruch: „Ein Hauptproblem Ihrer Branche ist ja der Versicherungsbetrug, aber ich habe gehört, dass manchmal auch die Kunden die Versicherung reinlegen…“ Lediglich der Plebs auf den billigen Plätzen jubelte, zur Verabschiedung erschien nur der Buchhalter mit dem Scheck (na, immerhin!).

·         Bei einigen Praxisfesten von Ärzten hatte zumindest ich viel Spaß, z.B. mit dem Vergleich von Zauberern und Medizinern („Wir kommen beide zwar manchmal vergeblich, aber nie umsonst, und unsere Probleme beginnen in der Praxis…“).

·         Ein Augenarzt bekam einmal zu hören, ich bewundere ihn als Ehemann: „Sie können spät nachts heimkommen und ihrer Frau wahrheitsgemäß erzählen, Sie hätten sich noch mit der Iris beschäftigt!“

·         Mitgefühl zeige ich stets mit der finanziellen Not der Heilberufler: „Ich habe gehört, Sie müssen oft einige Wochen vor Quartalsende Sprechstundenhilfen entlassen, da das Kontingent aufgebraucht ist, um sie dann zum nächsten Ersten wieder einzustellen. Das ist sehr clever, denn Ihr Reitpferd ließe sich das nicht gefallen.“

·         Bei einem Fest in einer Apotheke erklärte ich einmal, der Begriff „Rezept“ komme vom lateinischen „recipe“ (rp.), also „nimm“. Es sei die Mitteilung des Arztes an den Apotheker: „Ich habe mein Geld schon, jetzt nimm dir deines!“

·         Nicht wärmer als diese Berufsgruppen reagierte eine ziemlich hoheitsvolle Zuschauerin bei einem Auftritt auf einem Schloss. Sie sei leider zu spät gekommen, ob ich ihr ein besonders tolles Kunststück noch einmal zeigen könne? Sie bekam einen Prospekt mit dem Angebot, mich doch einmal zu engagieren!

·         Vor einer Darbietung bei einer Hochzeit wurden wir dahingehend instruiert, dass die meisten Gäste einer besonders frommen Sekte angehörten und ich daher Unmoralisches wie Wein, Weib und Gesang außen vor lassen sollte. Dummerweise war wohl übergroße Fruchtbarkeit nicht verwerflich: Auf 25 Erwachsene kamen schätzungsweise 75 ultimativ unerzogene Kinder. Ich zeigte nur das zur Gagenrettung unumgängliche Minimum an sittlich einwandfreien Effekten und grübelte auf der Heimfahrt, ob die hohe Fortpflanzungsrate nicht durch etwas Alkohol im richtigen (oder falschen?) Moment eingrenzbar gewesen wäre…

·         Groß war meine Ratlosigkeit bei einer anderen Hochzeit: Das Publikum war sehr freundlich und spendete Beifall, aber die verbalen Gags kamen überhaupt nicht an. Nach Programmende erfuhr ich den Grund: Fast alles Ausländer – des Deutschen nicht mächtig. Die vermittelnde Agentur hatte einen entsprechenden Hinweis wohl als unnötig erachtet. Dieses Einzelbeispiel lässt sich verallgemeinern: Noch nie habe ich von einer Künstlervermittlung ein auch nur halbwegs vernünftiges Angebot erhalten!

 

Fehler und Pannen 

während des Auftritts lassen den Adrenalinspiegel zwar gewaltig ansteigen, werden aber, durch den rosa Zeitschleier betrachtet, mit zunehmendem Abstand immer schöner:

·         Bei einem meiner Vorzeige-Kunststücke verwandelt sich ein hohles Ei, in das ein Tuch gestopft wird, in ein echtes solches. Einmal (wohl um die Osterzeit) hatte ich die Bleistiftmarkierung „g“ auf dem Hühnerprodukt wohl übersehen. Das finale Aufschlagen zum Beweis von dessen Rohheit gestaltete sich problematisch – es war ein hart gekochtes! Meine Assistentin und ich schauten tunlichst aneinander vorbei, um die Vorstellung ohne Lachanfall weiterführen zu können...

·         Meine Frau kennt meine Texte natürlich „im Schlaf“. Wenn ich mal wieder kreativ mit dem Programmablauf umgehe, reagiert sie kongenial. Einmal besann ich mich erst während des Ankündigungstextes auf ein anderes Kunststück und „bog“ verbal um. Stoisch marschierte sie mit dem nun unnötigen Requisit von links nach rechts über die Bühne und verschwand sodann, um die neuen Utensilien zu holen.

·         Ein ziemlich turbulenter Auftritt hatte mich schon nach einigen Minuten ziemlich ins Schwitzen gebracht, zumal ich allein zaubern musste; die Assistentin hatte eine andere „Mugge“. Die gerade laufende Nummer war eine ziemliche Materialschlacht mit vielen Tüchern etc. – ich merkte, dass ich der Begleitmusik „hinterherzauberte“. Plötzlich wurde mir ein gerade erschienenes Seidentuch galant abgenommen: Karin war mir nach Ende ihres eigenen Auftritts gefolgt und nahtlos in die Routine eingestiegen!

·         Als ich wieder mal ein Kinderpublikum im „allwissenden“ Alter (um die 12 Jahre) hatte, wollte ich einen gerade geschlagenen Knoten von einem Seil verschwinden lassen. Prompt kam der neunmalkluge Zwischenruf: „Das ist gar kein echter Knoten, Du ziehst nur dran!“ Vielleicht geriet darob meine Zugkraft etwas heftiger, vielleicht war das Seil wegen der vielen „verschwundenen“ Knoten an dieser Stelle schon etwas morsch – auf jeden Fall hatte ich plötzlich zwei Seile! Den Luftzug durch die vielen offenen Münder werde ich nie vergessen! Doch Triumphe sollte man sofort genießen, da sie nicht haltbar sind: Nach Schluss der Vorstellung machte mich der Hausherr darauf aufmerksam, dass auf der Rückseite meines nagelneuen Jacketts noch der Firmenzettel prangte!

·         Unvergessen und daher als Schlusswort zum Thema geeignet ist der Kommentar eines Pianisten, mit dem wir gelegentlich zusammenarbeiten. Nach einer besonders stressigen Anreise, bei der wir auch noch sein Keyboard über eine verschneite Kellertreppe wuchten mussten, waren wir in Sorge, dass wir dem älteren Herrn zu viel zumuteten. Zum Abschied aber strahlte er uns an: „Mit eich is’ so schee, da is’ immer was los!“

 

Fest gebucht

Wenn Kunden anrufen, erkundigen sie sich meistens, ob ein bestimmter Termin noch frei ist. Bestätige ich ihnen dies und übersende die entsprechenden Unterlagen (Informationsmaterial, Vertrag), so breitet sich möglicherweise in den nächsten Wochen donnerndes Schweigen aus. Also muss man wieder nachfragen, und da ist eventuell schon wieder alles anders…

·         Eine Veranstalterin engagierte für ein großes Gartenfest eine Jazzballettgruppe sowie mich als Zauberer. Die Tanz-Chefin lieh sich für den Auftritt ein Dutzend große Tücher von mir. Nach geraumer Zeit wurde ich wieder ausgeladen: Zwei Darbietungen würden den Zeit-(und Geld?)rahmen sprengen. Meine Textilien erhielt ich nicht vollständig zurück – einige Tänzerinnen hatten ihre „Schärpen“ nach der Vorstellung verbummelt. Dafür bekam ich Ersatz, aber in anderen Farben und Mustern, so dass ich mir einen komplett neuen Tüchersatz kaufen musste. Diese Erfahrung war für mich der Anlass, schriftliche Auftrittsverträge einzuführen!

·         Besonders absageträchtig sind Kindervorstellungen. Wegen des Zeitstresses für die Kleinen (Reit- und Tennisstunden, Karatekurs, familiengerichtlich festgesetzter Besuchstag etc.) ist offenbar eine verlässliche Terminplanung höchst diffizil. Hinzu kommen noch diverse Kinderkrankheiten. In einem Fall versorgte mich eine Mutter tagelang mit Bulletins über die aktuellen Körpertemperaturen etc., bis sie schließlich am Auftrittstag kurz nach acht Uhr morgens absagte! Auftrittsverträge mit Kostenerstattung bei Rücktritten wirken übrigens ausgesprochen gesundheitsfördernd…

·         Eine telefonische Nachfrage wegen eines fest zugesagten Geburtstagsauftritts förderte zumindest den Verlobten der besagten Dame zu Tage. Dessen Auskunft: „Des Festl is’ scho’ lang g’loffa“…

In Extremfällen komme ich dann (nach mehrfachen Erinnerungen und Fristsetzung für die Vertragsrücksendung) einfach nicht. In solchen Situationen sind die Veranstalter natürlich tödlich beleidigt wegen meiner „grundlosen Absage“…

Auch in Kenntnis meines Berufes landeten Anfragen in der Mehrzahl am Vormittag auf meinem Anrufbeantworter. Eine entsprechende Ansage („erreichbar erst ab 14 Uhr“) bewirkte wenig. Rückrufe von mir gehen oft tagelang ins Leere, auch wenn sie einige Minuten nach dem Anruf erfolgen. Offenbar brechen manche Menschen kurz nach ihrem Telefonat zu einer längeren Reise auf… 

Wird man für eine Firmenveranstaltung engagiert, muss man früh aufstehen. Mitarbeiter in der freien Wirtschaft betreten offensichtlich gegen 7.30 Uhr ihr Büro, und wenn Morgenkaffee und -zeitung nichts mehr hergeben (so gegen 8.00 Uhr), werden die fälligen Anrufe erledigt. Zwei Auftritte bei einem Betriebsseminar bescherten mir jedenfalls zur Ferienzeit den fast allmorgendlichen „Weckdienst“ durch einen alerten Mitarbeiter, der offenbar zur „Künstlerbetreuung“ eingesetzt war und dem ständig wieder etwas Neues einfiel! 

Das andere Extrem bediente eine Schwägerin des Bräutigams bei einem geplanten Hochzeitsauftritt: Gegen 22.30 Uhr erreichte mich ihr Anruf – ihr sei zu einer bestimmten Eigenheit ihres Schwagers noch eine Idee für meine Vorstellung gekommen. Meine Replik, auch Amateurzauberer hätten gewisse „Bürozeiten“, erzeugte selbstredend tief gekränkte Reaktionen…

Spitzenreiter meiner bisherigen Kommunikations-Odysseen: An einem Dienstagnachmittag rief eine Kundin an – ob ich am folgenden Sonntag eine Kindervorstellung geben könnte? Alles soweit okay – ob sie ein Faxgerät zwecks Hin- und Rücksendung des Vertrags habe? Ja, aber das sei derzeit defekt. Eventuell habe ihr Mann im Büro eines, sie werde sich erkundigen.

Dienstagabend dann die Bestätigung: Ja, ich könne ein Fax schicken, was umgehend erfolgte – zuerst mit Fehlermeldung, beim zweiten Anlauf einwandfrei. Dann am Donnerstag (!) der nächste Anruf: Mein gestriges (?) Fax sei nur verstümmelt angekommen, ob ich es nochmal probieren wolle? Die Fehlermeldungen rissen nicht ab – laut Nummer übrigens das ehedem „kaputte“ Gerät! Letzter Vorschlag meinerseits: Ich würde die Unterlagen jetzt sofort zur Post bringen – die Rücksendung bis Samstag sei dann ihre Sache. Am Freitagmittag erreichte mich dann ein völlig fehlerfreies Fax: Man bedaure, mir so viel Umstände bereitet zu haben – zur Vermeidung von weiterem Stress wolle man den Auftrag absagen. (Von einer Bezahlung von zwei Stunden Arbeitszeit nebst Porto-, Telefon- und Faxkosten natürlich keine Rede…)

Behörden sind da keinen Deut zuverlässiger. So wollte mich die Verwaltung einer benachbarten Stadt einmal als Zauberer für ein Bürgerfest haben. Bedingung sei eine persönliche Vorsprache bei der Behörde. Beim vereinbarten Termin empfing uns dann die ziemlich hochnäsige Sekretärin des Bürgermeisters, die uns umgehend an eine junge, ziemlich unerfahren wirkende Kraft loswurde. Bei der Ortsbesichtigung die üblichen Unverbindlichkeiten: Ja, ungefähr da stehe die Bühne, wahrscheinlich könne man mit dem Auto heranfahren, Stromanschluss gebe es vermutlich auch. Das restliche Programm? Sei noch in Arbeit.

Trotz meiner Bedenken schickte ich einen Auftrittsvertrag ab – Replik: Danke für die Mühe, man habe sich nun doch anders entschieden. Von der Bezahlung von Fahrtkosten für den Ortstermin natürlich keine Rede…  

Wer glauben sollte, in den Zeiten von E-Mail und WhatsApp laufe das nun besser: nein. Auch heute noch gibt es Kunden, die mich mit längeren Telefonaten und Mails beschäftigen, denen ich Angebote schicke und Termine reserviere, um dann länger nichts mehr zu hören. Auf Nachfrage heißt es dann: Ja, danke für die Mühe – man werde bei anderer Gelegenheit sicher auf mich zurückkommen…

 Fortsetzung folgt!
 

Sonntag, 22. November 2020

Vom Gymnasium zur Irrealschule

 

Manchmal haben die Schüler nicht mal nach dem Abitur genug von einem. So fragten mich 2005 die Abiturienten, ob ich nicht auf ihrem Abschlussball zaubern könnte.

Ich schrieb damals ein spezielles Programm für diesen Anlass – und nachdem gerade das G 8 eingeführt worden war, machte mir das noch mehr Spaß als sonst. 

Den Text habe ich kürzlich wiedergefunden und möchte ihn hier veröffentlichen. Er zeigt besonders deutlich, dass ich stets versucht habe, bei meinen Auftritten Kabarett und Zauberei zu verbinden. Viel Vergnügen!

 

Hochverehrtes Publikum,

danke für die Blumen (in jeder Hand erscheint ein Blumenstrauß) und herzlich willkommen zu meinem kabarettistischen Zauberprogramm:

„Schulische Illsuionen – vom Gymnasium zur Irrealschule“,

speziell bearbeitet für die K 13 des Gymnasiums … unter dem Motto:

„Der Hopfen stirbt zuletzt!“ 

Bekanntlich wohnen ja mindestens zwei Seelen in meiner Brust: Lehrer und Zauberer – eine wahrhaft faustische Existenz! (noch zwei Blumensträuße erscheinen)

Habe nun ach, Biologie, Chemie und ein wenig Juristerei

durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

Da steh ich nun, ich armer Tor,

und bin so klug als wie zuvor!

Heiße Magister – warum nicht Doktor gar,

und ziehe schon bald dreißig Jahr

herauf, herab und quer und krumm,

meine Schüler an der Nase herum –

und sehe, dass wir nichts wissen können.

(Ein Buch mit dem Titel „Magie“ wird leer gezeigt.)

 

Zwar bin ich gescheiter als alle Laffen,

Direktoren, Minister Schneider und Pfaffen.

Dafür ist mir auch alle Freud entrissen,

bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,

bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,

die Schüler bessern und bekehren –

drum hab ich mich der Magie ergeben! 

Befürchten Sie nun nicht, dass ich den ganzen Faust zitiere, aber ich wollte Ihnen einmal die Goethesche Metamorphose zeigen: von  der Seite zur Seide, vom Text zur Textilie – oder, etwas einfacher fürs G 8 – vom Buch zum Tuch!

(Seidenstreamer erscheint aus Buch.)

Doch womit beschäftigt sich ein Lehrer den lieben langen Tag? Doch zumeist mit leeren Inhalten! (Große Kiste wird leer gezeigt, aus ihr erscheinen dann die Requisiten wie Pyroschnur, lange Bahnen Druckerpapier, große Tücher und Würfel.)

Ein Magier dagegen lebt von Erscheinungen! Doch was erscheint schon an der Schule aus diesem Konglomerat aus langer Leitung, Geistesblitzen (Pyroschnur), Milch der frommen Denkungsart (Milkpitcher) sowie den Sporen des Amtsschimmels (Locher mit Konfetti)? Schließlich leben wir in einer Zeit, in der man die schönsten Zeugnisse von besonders netten Computern erhält – und nicht alles, was gedruckt wird, muss flach sein, aber es erleichtert den Druckvorgang erheblich.

(Beginn Papierstreamer-Produktion)) 

O sähst du, voller Mondenschein,

zum letzten Mal auf meine Pein,

den ich so manche Mitternacht

mit Korrekturen zugebracht!

Dann, über Büchern und Papier,

trübsel’ger Geist, erscheinst du mir! 

Doch besteht unser Leben wirklich nur aus Tatsachen, nicht auch aus Träumen, Idealen, Illusionen? Lassen Sie sich heute Abend nichts vorzaubern, sondern verzaubern, nichts vorführen, sondern entführen! Fragen Sie nicht nach dem Woher und Wohin, sondern lassen Sie den gnädigen Schleier des Geheimnisses über dem Rätselvollen!

(Beginn Tücherproduktion)

Etwas erscheint aus dem Nichts und bliebe doch ein Nichts, wäre da nicht das Geheimnis, welches verborgen bleibt… Doch wäre Magie nur die Kunst der Täuschung, so wäre jeder Bildungspolitiker ein Magier. Was ihm fehlt, ist, die Täuschung so amüsant zu gestalten, dass sie nicht zur Enttäuschung wird, Bezauberung zurückbleibt und kein fauler Zauber. 

Die Sehnsucht des Menschen nach dem Schein, welcher trügt, ist uralt – dieses Kunststück beispielsweise stammt aus der Jungsteinzeit, nur benutzte man damals statt Seidentüchern Mammutfelle. Von der Freude am schönen Schein profitierten die Tempelpriester aller Kulturen, die Gaukler des Mittelalters, die Fakire Indiens und die deutschen Ärzte: Der Glaube allein entscheidet – niemals die Mittel, sondern immer nur die Wirkung. Nur den Stoff, aus dem die Träume sind, den gibt es nicht auf Rezept!

(Stoffkaninchen, Beginn Würfelproduktion) 

So ist die Zauberei mehr als ein Überbleibsel aus versunkenen Zeiten, ein alter Hut, aus dem gewohnheitsmäßig noch die Karnickel steigen. Sie werden Bauklötze staunen! Die Würfel für die Magie sind noch nicht gefallen, sollten Sie Gefallen an diesen Würfeln finden! Würfel und Magie sind vielseitig und eine letzte Zuflucht des Unfasslichen in einer Welt, die von vermeintlicher Berechenbarkeit regiert wird. Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis – das Unerklärliche, hier wird’s Ereignis – und das, meine Damen und Herren, ist doch des Pudels Kern!

(weißes Tuch erscheint)

Ein pudelnacktes Bildnis!

Doch auf unsern deutschen Bühnen

probiert ein jeder, was er mag,

drum schonet mir an diesem Tag

Prospekte nicht und nicht Maschinen!

 

Aber was muss ich sehen?

Kann das natürlich geschehen?

Ist es Schatten? Ist’s Wirklichkeit?

Wie wird mein Pudel lang und breit!

Er hebt sich mit Gewalt,

das ist nicht eines Hundes Gestalt!

(Verwandlung des weißen Tuches in eines mit Kaninchenbild – Spiegelröhre)

 

Schluss mit Goethe!

Nicht Wünschelrute, nicht Alraune –

Die Zauberei liegt in der guten Laune! 

(Zauberstab wird zu Spazierstock – ArCane) 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen… nein:

Liebe Kollegiatinnen und Kollegiaten – ich verwechsle das immer öfter, dabei ist es ganz einfach: Kollegiaten sind die ohne Rucksack. 

Sie haben sich in Ihrer Abiturzeitung ein IKEA-Motto zurechtgedübelt: „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ Was die cleveren Kiefernbrett-Dealer wirklich meinen, ist natürlich: „Wohnst du noch bei deinen Eltern oder lebst du schon selbstständig?“ Diesen Unterschied zwischen Theorie und Praxis bezeichnet man als „Geld“.

So ist es auch in der Bildungspolitik: Vor der Wahl war noch Geld da – nach der Wahl reicht es gerade noch für ein Gymnasium Marke „Billy“, wie bei IKEA: Von der Koryphäe zur Konifere – das ist der Imbusschlüssel der Bildung: G 8, also zweimal Hartz 4!

(Paper to Money rückwärts)

Das erinnert mich daran, wie ich zum Zaubern kam…

(Geldscheinvermehrung: Six Bill Repeat)

Es ist das schöne Vorrecht von uns älteren Menschen, die Musik der jungen Generation grauenhaft zu finden – zumal, wenn sie es wirklich ist…

(Schallplattenfärbung nach Eckhard Böttcher) 

Die meisten Zauberer haben ja einen Künstlernamen – unser Gymnasium hat noch gar keinen. Wie soll man sich einen Namen machen, wenn man keinen hat? Derzeit sucht unsere SMV händeringend nach Vorschlägen. Ich hatte ja schon einige präsentiert, zum Beispiel „Gymnasium rechts der Autobahn“ oder „Bonsai-Gymnasium …“. Heute eine Idee, welche einer Zweidrittelmehrheit würdig ist: Benennen wir die Schule doch nach unserem Landrat: „Rudi Engelhard-Gymnasium“! Im Schülerjargon wird daraus vielleicht der  Spitzname: „Rudis Reste-Rampe“… 

Sie sehen, Zauberer sind völlig verrückt…

(Alexander de Covas Seilroutine „Ropemare“) 

Ich möchte Ihnen noch schnell 51 Prozent meines Programms vorstellen: meine Assistentin Karin! 

Meinen ganz herzlichen Dank den Abiturienten für ihren Wunsch, sich meine Sprüche auch noch nach der Schule anzuhören! Es hat mir einen Riesen-Spaß bereitet, mich hier um Kopf und Kragen reden zu dürfen.

(Ringspiel / Rosenproduktion mit „Mignon“, jeweils mit Musikbegleitung)

Zum Abschluss: Bekanntlich sind Karin und ich ja auch dem Tanzen verfallen, speziell dem Tango argentino. Und wenn wir schon in einem Etablissement zaubern, das sich „Rennbahn“ nennt, muss es unbedingt ein bestimmtes Tangostück sein: Es stammt vom berühmten Sänger Carlos Gardel und nennt sich „Por una Cabeza“. Um eine Kopfeslänge verliert das Rennpferd, auf das ein Mann alles gesetzt hat: Pech im Spiel und auch in der Liebe.

Was ich Ihnen wünsche: Dass Sie stets darauf setzen, was Ihnen wirklich am Herzen liegt, auch wenn Sie dabei einmal verlieren sollten – um eine Nasenlänge: Por una Cabeza!

(Karin und ich tanzen zu dem Tangostück)

 

Schlussbemerkungen:

Zauberkollegen werden die Kunststücke kennen, die ich kurz angedeutet habe – und ja: Es sind ungewöhnlich viele Produktionseffekte. Aber wir arbeiteten in einem riesigen Saal mit großer Tanzfläche und dem üblichen Trubel bei Bällen von jungen Leuten. Daher entschlossen wir uns, optische Effekte in den Vordergrund zu stellen.

Zudem gilt bei mir stets: Der Text ist mindestens so wichtig wie die magischen Touren. In diesem Fall transportieren sie die kabarettistischen Pointen meines Vortrags, der halt hier auf Schule und Bildungspolitik zugeschnitten war.

Die Bilder illustrieren also eher den Text als umgekehrt. Ich finde, über dieses Konzept lohnt es sich nachzudenken!


Samstag, 21. November 2020

Meine schönsten Zaubererlebnisse II


Weiter geht es mit meiner kleinen Serie von Geschichten aus fast 35 Jahren Zauberei. So unglaublich diese auch fallweise klingen mögen: Ich habe sie alle selbst erlebt und ohne jede Übertreibung aufgeschrieben. Viel Vergnügen! 

Auftrittsplätze

bringen einen gelegentlich zum Grübeln: Ob der Veranstalter schon jemals eine künstlerische Darbietung erlebt haben mag? Ein kleines „Best Of“:

·         Auf der stählernen Ladefläche eines LKW legten wir an einem Sommertag eine heiße Sohle hin!

·         In der überfüllten Turnhalle eines heilpädagogischen Zentrums hingen die Kinder sogar über uns an Kletterstangen.

·         Der Auftritt in einem Nobelhotel wurde kurzfristig in den „Spiegelsaal“ (mit Rundumeinsicht!) verlegt.

·         der unüberdachte Treppenabsatz vor einer Haustür (ca. 1 m2) nebst plötzlich einsetzendem Regen

·         Bierzelt, nach längerem Regen, mit einigen über den Matsch gelegten Brettern als „Künstlereingang“

·         Partyzelt auf einer abschüssigen Wiese: Wir boten einen ziemlich schrägen Auftritt nebst umfallendem Zaubertisch!

·         Der Burggraben eines Schlosses erzwang ca. 30 m Abstand zwischen Publikum und Künstler; die Brücke war über 300 m entfernt – ein „spontan“ assistierendes Kind musste bereits vor Beginn ans richtige Ufer verbracht werden!

·         schmutziger Dachboden mit Vorhang (= Wäscheleine + Decke); Aufstieg über Hühnerleiter (gerechterweise hatte ich meine Tonanlage vergessen)

·         Schlafzimmer: auf der einen Seite des Bettes die Zuschauer, auf der anderen ich – Requisiten auf dem Bett liegend

·         Elefantenhaus in einem Tierpark: Als ich den „verschwindenden Elefanten“ vorführte, fühlte sich das ebenfalls anwesende Flusspferd nicht angesprochen und tauchte unter lautem Grunzen ab!

·         Christmette in einer evangelischen Kirche: Der (ziemlich unkonventionelle) Pfarrer hatte sich neben Reisschalen, Bambusrohren und Buschtrommeln einen Zauberer eingebildet, der zu reichlich abstrusen Texten passende (?) Effekte zeigen sollte. Die braven Kirchgänger starrten mich an, als sei ich einer geschlossenen Anstalt entsprungen – ich dagegen fühlte mich in einer solchen angekommen…

 

Technische Anlagen vor Ort

haben mich längst dazu gebracht, mir eine Tonanlage nebst drahtlosem Mikrofon anzuschaffen. In grauer Vorzeit verließ ich mich auf das Equipment der Veranstalter… 

·         Der laut Vertrag „leistungsfähige Cassettenrecorder“ bei einem Kindergeburtstag erwies sich als riesige Mickymaus von Tchibo, der man, sollte die Musik ertönen, den Schnabel zuhalten musste – ähnliche „Kaffeezugaben“ wurden uns noch mehrfach angedient!

·         Bei einer ziemlich noblen Geburtstagsfeier mit Barpianisten und Buffet von „Käfer“ spielte die Edel-Hifi-Anlage statt meiner Auftrittsmusik die Verkehrsdurchsage von Bayern 5 („zwischen den Anschlussstellen …und … kommt Ihnen ein Zauberer entgegen“).

·         Ein großes Hotel musste kurz vor Auftrittsbeginn (20 Uhr) einen Elektriker holen, der die völlig desolate Installation in einer halben Stunde reparierte – 150 Zuschauer warteten so lange…

·         Einmal reiste ich ca. 80 km an, um mir im Vorfeld die Licht- und Tonanlage einer Stadthalle anzusehen. Kommentar des Hausmeisters: „Meinen Sie, dass ich extra wegen Ihnen jetzt da raufsteige?“ Meine Antwort: „Meinen Sie, dass ich extra wegen Ihnen unverrichteter Dinge wieder fahre?“

·         Vertraulich war auch die Anrede eines Gastwirts in ähnlicher Situation, der mich mehrfach mit „guter Mann“ titulierte, bis ich ihn dann ebenso ansprach. Hinfort war er tödlich beleidigt! Ein anderer Vertreter dieser Zunft erlaubte sich die Frage: „Was ist eigentlich, wenn ich das jetzt nicht mache?“ Na klar: „Dann fahr’ ich halt wieder und krieg’ mein Geld trotzdem!“

·         In einer noch feudaleren Stadthalle freute ich mich schon auf die Super-Bühnentechnik. Leider erfuhr ich, dass ich auf der Vorbühne zu arbeiten hatte. Aber wenigstens farbiges Licht wollte ich haben, ging aber nicht: Man hätte (14 Tage vorher!) vermittelst einer Leiter hochsteigen müssen, um die Scheinwerfer neu einzurichten…

·         In einem äußerst noblen Casino mit modernster Ausstattung wollte ich mein drahtloses Mikrofon über die hauseigene Anlage laufen lassen. Auskunft im Vorfeld: Kein Problem, der Techniker, der diese installiert habe, sei persönlich anwesend. Der bastelte dann am Abend eine halbe Stunde herum, doch es gelang diesem Idioten nicht, das Scheißding in Gang zu bringen – bis zu diesem Moment: Mein vorstehender Kommentar wurde an die hundert hochrangigen Gäste übertragen!

·         Zurückgeschlagen haben wir auch, als sechzig Essensgäste plötzlich mit ihrem Besteck ins Dunkle stießen: Wir hatten wohl beim Rumprobieren zwischen Saal- und Bühnenbeleuchtung etwas den Überblick verloren.

·         Eine Kleinkunstbühne auf dem Lande warb gekonnt mit Portraits des Regisseurs, der Marketingleiterin sowie des Licht- und Toningenieurs. Am Abend des Auftritts reduzierte sich das Personal auf eine Bedienung, die mir zeigte, wie man, in einer staubigen Seitengasse kniend, den Stecker unter Aussendung bläulicher Funken in die Dose praktizieren musste, auf dass die Bühnenbeleuchtung ansprang!

·         Selten wird uns zu viel Technik aufgedrängt, aber den Alleinunterhalter, der uns nach jedem Effekt „Tüsche“ und elektronischen Applaus einspielte, brachten wir schleunigst zur Ruhe!

·         Das Intro ist wahrlich der spannendste Moment eines Auftritts, da es sich in der ersten Minute entscheidet, ob man das Publikum gewinnt oder nie mehr erreicht. Schön, wenn da plötzlich die Begleitmusik ausfällt! Dies schafften u.a. ein professioneller DJ (die Anlage war für mehrere Minuten defekt) und der leicht eifersüchtige Gatte einer Kundin, der zweimal hintereinander den Stecker aus der Dose zog (wie sinnig!).


Die Ansage

bildet ja die vorweg genommene Rache des Veranstalters am Künstler. Wenn man die, hilflos in den Kulissen wartend, überstanden hat, ist der Auftritt selber das kleinere Übel. 

Oft wird als erstes betont, dass ich meine Gage für eine Wohltätigkeitsorganisation spende, so nach dem Motto: Mag es auch nichts Besonderes sein, so ist es doch immerhin für einen guten Zweck. Welchen nun genau, unterliegt der Kreativität des Moderators: Statt der Deutschen Welthungerhilfe wird schon mal die „Weltkinderhilfe“ (gibt’s die?), die Innere Mission, Misereor oder sonst was Leidendes genannt.

Gegen Rufmorde anderer Art kann man sich beim eigenen Intro revanchieren. Als ich einmal in einem Reisebüro auftrat, meinte der Chef: „Nun, es ist zwar nicht David Copperfield…“, was bei mir zur Replik führte: „Nun, ich zaubere zwar heute nicht für die TUI…“. Ein Bandleader formulierte wie folgt: „Jetz’ kimmt a Super-Zauberer, der…wia hoaßt er überhaupt?“ Ich dankte anschließend der Super-Musikgruppe, den… Mir wollte der Name partout nicht einfallen!

Loriot-reif war die Ansage eines Mitglieds der Familie Hoppenstedt: Akribisch schon die Planung – ich bekam eine Kopie des Textes, in dem die jeweiligen Publikumsreaktionen (Lachen, Klatschen) schon verzeichnet waren… Gut, wenn man seine Lieben so genau kennt! 

Einen Künstlernamen (möglichst noch auf „-ini“ endend) mochte ich mir nie zulegen – der wirkliche Name oder allenfalls „Die Magie des G.R.“ sollte reichen. Doch leider vereint sich hier die geballte Kreativität von Veranstaltern und Journalisten. Im Laufe meiner magischen Laufbahn erfanden Organisatoren und Presse fast ein Dutzend falscher Namen. Wer Näheres erfahren will:

https://diemagiedesgr.blogspot.com/2015/03/ein-zauberer.html

 

Vor der Show 

gilt vor allem: Ruhe bewahren und warten! 

Der häufigste Satz, den wir beim (fast immer pünktlichen) Eintreffen am „Tatort“ zu hören bekommen, lautet: „Wir sind noch beim Essen.“ Wegen der Serviererei kann man noch nicht alles fertig aufbauen. Beim Eintritt der Sättigung soll man dann aber blitzartig auftreten, wird oft zu früh angesagt und kämpft dann mit diversen Haken und Ösen. Dies riss einen Veranstalter einmal zu der Ankündigung hin: „Er kimmt glei, aber er bringt sei’ Schleiferl no ned zua!“ 

Nett gemeint ist sicherlich das Angebot, derweil an leiblichen Genüssen teilzunehmen. („Kommen Sie doch schon zwei Stunden früher, dann können Sie mit uns essen!“) Es ist schwer vermittelbar, dass vorheriges Herumsitzen im Publikum weder dramaturgischen Gesetzen entspricht noch mit dem steigenden Adrenalinspiegel kompatibel ist. „Aber hinterher die Nachspeise müssen Sie probieren!“ Geduld, dazu kommen wir später… 

Leider setzt bei der Ankündigung magischer Ereignisse in der Verdauungsphase bei Erwachsenen ein umfassender Run zum Klo ein. (Gut, wenn das nicht die Garderobe war!)

Die letzte Minute vor dem Auftritt ist auch die passende Gelegenheit, mir noch wichtige Fragen zu stellen („Wie sollen wir Sie ansagen?“, „Dürfen wir während der Vorstellung fotografieren?“ oder „Wie lange dauert denn Ihre Show?“)

Tritt man dann auf  bzw. ein, so kollidiert man gerne mit der Kellnerin, welche noch ein letztes Bier bringt, dem Haushund oder freilaufenden „Pampers-Rockern“.

 

Nach dem Auftritt 

und einer knappen Stunde Text, Zaubertechnik, Ablenkung, Mimik, Gestik, Schauspielerei und Spontanreaktionen bleibt künstlerseits eine gewisse körperliche und geistige Leere zurück. Zudem muss man ja blitzartig seine Requisiten vor neugierigen Kindern jeden Alters retten, welche zumeist schon 30 Sekunden nach Auftrittsende dringend ihren in der Garderobe aufgehängten Mantel oder das dort deponierte Geburtstagsgeschenk benötigen und mit dem Satz „Ich schau’ schon nicht!“ hereingestürmt kommen.

Obwohl man sich also mit Fragen wie „Toll! Ein Bier?“ oder allenfalls „Haben Sie einen Prospekt für mich?“ zufriedengeben würde, muss man – sofern einen die Assistentin nicht rettet – längere Gespräche führen:

Aufbauend ist die Frage, ob man den Zauberkollegen NN aus XYZ nicht kenne – also, was der alles drauf habe – super! Gemeinerweise kann ich mich an solche Leute generell nicht erinnern! 

Nach einer Vorstellung für gute Freunde (also gagenfrei) rühmte einer der Verwandten die Leistungen eines Kollegen derart penetrant, dass ich schließlich wissen wollte, was denn nun an dessen gezeigten Effekten so toll gewesen sei. Die Antwort: „Na, das kann man nicht vergleichen, der nimmt für jede Vorstellung fünfhundert Euro!“  Meine Antwort: „Den Trick kann ich auch…“ 

Bezeichnenderweise wurde mir eine Bemerkung dieses Zuschauers vor meinem Auftritt kolportiert: „Jetzt noch den Zauberer, dann haben wir’s hinter uns!“ 

Da war mir die Feststellung einer älteren Dame schon lieber, sie hätte seit dem legendären Kalanag keine derart gute Darbietung mehr gesehen – auch wenn dann die Nachfrage ergab, dass die Zuschauerin seit damals überhaupt keinen Zauberer mehr gesehen hatte…

Bei einigen Reengagements waren die Veranstalter voll des Lobes über meinen früheren Auftritt, den ich leider anhand der Beschreibung nicht wiedererkannte – man hatte wohl die Telefonnummern verwechselt, was mich nicht an einer Zusage hinderte! Einmal bekam ich sogar zu hören, man wolle mich wegen der guten Musik wieder als Alleinunterhalter – als ich einwarf, der ebenfalls aufgetretene Zauberkünstler zu sein, nahm die Begeisterung merklich ab…

Fast unvermeidlich ist der bei Verwandtschaftstreffen häufige Onkel Fritz, welcher einem nach einigen einleitenden Sprüchen freudig mitteilt, er könne auch zaubern, und daher sein Kartenspiel zückt, auf dass man daraus umgehend eine Karte ziehe… Wow! 

Gelegentlich wird man nach der letzten Verbeugung von „Experten“ beiseite genommen und mit dunkler Verschwörer- und Insiderstimme in „fachliche“ Diskussionen verwickelt, so nach der Prämisse: Ich weiß eh, wie’s geht, möchte aber noch die Feinheiten Ihrer Methode erörtern… Meine Devise: Reden lassen (tun die eh am liebsten)! Von einem solchen gut unterrichteten Herrn (ein Berufskollege von ihm zaubert auch) erfuhr ich, dass es drei Sparten der Magie gebe: Fingerfertigkeit, Apparatezauberei und Gedankenlesen. In welcher davon ich denn tätig sei? Ich unterdrückte die Antwort: „Nicht in einer Ihrer Schubladen…“

Kaum entziehen kann man sich der nachherigen Beteiligung bei Dessert, Kaffee, Kuchen sowie „gemütlichem Beisammensein“. Die künstlerseitige Nahrungsaufnahme wird von Publikumsblicken begleitet, die zwischen Mitleid und der Befriedigung schwanken, dass nun auch hungrige Kleindarsteller satt werden können. Zudem muss man mit vollem Mund originelle Fragen beantworten im Stile von „Seit wann zaubern Sie schon?“ , „Müssen Sie viel üben?“ und „Das Wichtigste ist ja wohl die Fingerfertigkeit?“. Ideal geeignet ist diese Situation zur Äußerung lang gehegter Wünsche wie „Können Sie mir nicht ein Bier herzaubern?“ oder „Lassen Sie doch mal meine Frau verschwinden!“ Meine (ebenfalls standardisierte) Antwort: „Magie ist die Kunst der erhabenen Zwecklosigkeit – bei den nützlichen Dingen versagt sie!“

Ergreift man nach hastigem Verzehr nicht schnell genug die Flucht, erhält man eventuell noch einen profunden Einblick in akute sowie chronische Erkrankungen einzelner Familienmitglieder, deren hochwichtige Berufe nebst gesellschaftlichen und politischen Grundvorstellungen. Und wenn man nicht schnell genug wegkommt,  droht schon die nächste Darbietung, die man dann wohl oder übel absitzen muss: Schwager Heinz und Gemahlin Gertje sagen ein sich hinten reimendes Geburtstagsgedicht auf – gewürzt mit witzigen Geschenken wie Schlankheitspillen, Klopapierrollen…

Gerne wird bei solchen Anlässen auch der Hauptberuf des Künstlers zum Mittelpunkt angeregter Erörterungen, wobei man in meinem Fall endlich alle Klischees über den Paukerstand loswird  „Leerer ohne ‚h’ (kicher, kicher), da haben Sie ja viel Zeit für Ihr Hobby!“ Einmal revanchierte ich mich beim leitenden Angestellten eines gerade in die Schlagzeilen gekommenen Großkonzerns: „Und Sie arbeiten bei dieser Schmiergeldfirma?“ 

Den Vogel schoss ein Vertreter der höheren Bildungshierarchie ab, als ich einmal beim Geburtstag eines Schulleiters zauberte: „Das war ja ein professioneller Auftritt – kaum zu glauben, dass Sie Lehrer sind! Was sagt eigentlich Ihr Chef zu dieser ausgedehnten Nebentätigkeit?“ Nur der Hinweis, dass ich meine Gagen spende, hielt ihn wohl von dienstlichen Nachforschungen ab! 

Und man weiß: Nach der Show ist vor der Show!

Fortsetzung folgt…