Dienstag, 14. Juli 2020

Kinderzauberei - die Steuerung der Inszenierung


So behalten Sie das Ruder in der Hand!

Im Prinzip gibt es zwei Szenarien, wie Ihnen bei einem Auftritt die Kontrolle entgleiten kann:

Von Ihnen weg:

Dabei verlieren Sie die Aufmerksamkeit der Kinder, da diese sich mit anderem beschäftigen (egal, ob dem Sitznachbarn, der umgefallenen Getränkeflasche oder dem vorbeilaufenden „süßen“ Kätzchen). Die Ursachen liegen entweder in schwierigen äußeren Bedingungen (siehe voriger Beitrag) oder in Ihrer Darbietung, welche für das Publikum uninteressant ist bzw. wird – durch schwache Präsentation oder (häufiger) ein Überziehen der passenden Vorstellungsdauer.

Hierbei müssen Sie entscheiden, ob Sie etwaige Störungen von außen sofort abstellen können bzw. noch „Knüller“ im Programm haben. Lassen Sie auf jeden Fall schwächere Nummern weg und steigern Sie die Energie Ihrer Aktionen! Notfalls kommen Sie schnellstens zum Ende, bevor sich beim Gastgeber der Eindruck eines missglückten Auftritts erhärtet!

Auf Sie zu:

In dem Fall rücken Ihnen Ihre jungen Zuschauer immer mehr auf die Pelle, sowohl räumlich als auch vom Verhalten her. In der günstigeren Variante geschieht dies nur verbal: Die Lautstärke und Frequenz der Zwischenrufe steigt, die Frageform wird immer mehr zum Imperativ oder Ausruf („Ich möchte jetzt auch so ein Seil haben!“, „Mich nimmst du nie dran!“ etc.).

Schlimmer noch ist es, wenn die Übergriffe physischer Natur sind: Kleinkinder krabbeln unter Ihrem Tisch herum oder machen sich an Requisiten zu schaffen. Der Grund hierfür liegt oft in mangelnder Prophylaxe (fehlende Abgrenzung des „Zauberbereichs“, Altersgrenze nach unten offen, keine Betreuer anwesend). Häufiger noch haben Sie vorher eine zu starke Verringerung der Distanz zugelassen, um den „Kontakt mit den Kindern“ zu intensivieren. Die eingesetzte Überdosis produziert entsprechende „Nebenwirkungen“!

Insgesamt sind hier aber die Korrekturmöglichkeiten größer, weil das Interesse des Publikums ja weiterhin Ihnen gilt! Allerdings müssen Sie umgehend für mehr Abgrenzung sorgen, etwa durch klare Ansagen („Alle bleiben hinter dieser Linie!“ oder „Finger weg von meinen Sachen!“).

Rufen Sie, wenn möglich, Betreuer oder Eltern auf den Plan („Können Sie bitte den kleinen Terroristen hier entfernen?“ – hart, aber äußerst wirksam). Streichen Sie Nummern mit direkter Zuschauerbeteiligung und ignorieren Sie alle weiteren Zwischenrufe! Gut funktionieren dramatische Pausen mit anschließendem Flüstern („Pst! Habt ihr den Hasen auch schon gehört?“) Leider haben Sie auch in dieser Situation nicht viel Zeit, den Absturz zu verhindern – sollte das nicht glücken, müssen Sie umgehend aufhören (oder die Vorstellung unterbrechen und für bessere Rahmenbedingungen sorgen)!

Selbst wenn ein Krisenmanagement in letzter Minute gelingt – es wird bei den erwachsenen Gästen nicht unbemerkt bleiben und Ihnen den Ruf bescheren, dass Sie „nicht mit Kindern umgehen“ können (rangiert heute in den Charts noch vor Steuerhinterziehung und Schutzgelderpressung).

Daher ist gerade hierbei Vorbeugen besser als Heilen! Neben der Schaffung geeigneter äußerer Bedingungen kann man im Verlauf des Auftritts viel zur Vermeidung der geschilderten Probleme tun:

In meinem Hauptberuf als Lehrer habe ich mich stets an einen Rat gehalten, den ich in der Anfängerzeit von erfahrenen Kollegen bekommen habe: „Streng anfangen – locker lassen geht später auch noch!“ Legen Sie zu Beginn nicht gleich eine rangordnungsmäßige Bauchlandung vor Ihren kleinen Zuschauern hin nach dem Motto „Ich bin einer von euch!“ Das erwarten die Kinder von einem Erwachsenen (zumal einem Zauberer) gar nicht – ja, glauben es nicht einmal. Was Sie damit verbreiten, ist lediglich Verunsicherung, und die Kleinen werden sofort nach den neuen „Spielregeln“ fahnden, indem sie Grenzen austesten.

Stellen Sie den Zusammenhang vom Kopf auf die Füße: Da der Umgang mit einem Magier für Ihre kleinen Gäste ungewohnt ist, nehmen sie Signale zum „richtigen“ Verhalten zunächst einmal bereitwillig auf – und wenn Sie konsequent agieren, bleibt es dabei: Sie sind das Alphatier! Geben Sie sich freundlich, aber zeigen Sie, dass Sie wissen, was Sie tun, und das auch durchziehen werden.

Nehmen Sie Ihr Publikum ernst – völlig unabhängig vom Alter! Meine Anrede in diesen Fällen lautet stets: „Meine sehr verehrten großen und kleinen Damen und Herren!“ Dieses Signal transportiert zwei Botschaften: Ich möchte einem Sechsjährigen den gleichen Respekt entgegenbringen wie einem Sechzigjährigen. Gleichzeitig deute ich damit an, dass mir die andere Seite ebenfalls Achtung zu zollen hat. Wiederum kommt es hier zu einer Spiegelung: Behandle ich die Kleinen als „Rotznasen“, werden sie sich auch so benehmen – oder im Gegenteil wie „Damen und Herren“.

Wenn Sie auf Zwischenbemerkungen eingehen, gestalten Sie dies mit positiver Zuwendung und geben Sie eine vernünftige, vielleicht auch witzige Antwort. Erinnern Sie sich daran, dass auch Erwachsene gelegentlich überflüssige bis dämliche Fragen stellen – und da werden Sie wohl nicht ärgerlich oder herablassend reagieren!

Tun Sie alles dafür, dem jungen Publikum einen möglichst perfekten Auftritt zu bieten! Ich glaube fest daran, dass schon die ganz Kleinen spüren, ob Sie präzise oder schlampig arbeiten – und ganz sicher werden Unachtsamkeiten nicht „höflich übersehen“, sondern laut und deutlich benannt.

Testen Sie Routinen, bei denen Sie noch unsicher sind, ja nicht vor jungen Zuschauern – im Gegenteil: Wenn Ihnen die technische Seite einer Nummer vor Erwachsenen keinerlei Schwierigkeiten mehr macht, können Sie versuchen, sie auf Kinder zu adaptieren. Oft werden Sie merken, dass Sie wieder mit Problemen zu kämpfen haben, denn Jüngere ziehen Ihre Aufmerksamkeit viel stärker von der Handhabung und Präsentation der Requisiten ab.

Eine hohe Kunst in diesem Metier ist das Gespür, wann eine Pause angebracht und in welchen Fällen diese völlig kontraproduktiv ist. Vor allem direkt nach einem Zaubereffekt müssen Sie den Kleinen Zeit geben, das Gesehene zu verarbeiten. Machen Sie hier zu schnell weiter, kriegen Ihre Zuseher vom Beginn einer neuen Routine wenig mit. Andererseits gibt es Passagen, bei denen Zwischenrufe gefährlich sind („Du hast gerade was aus der Tasche geholt!“). Steigern Sie in diesem Moment Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit, dann ist gar kein „Platz“ für eine solche Irritation (oder sie geht zumindest akustisch unter). Viele unwillkommene Zwischenrufe sind somit Folgen eines schlechten Timings.

Manchmal steigert der Vorführende ja die Lautstärke im Zuschauerraum, indem er via Aufsitzereffekt sein Publikum zu „Protesten“ animiert. Dann darf er sich allerdings nicht wundern, wenn die Kleinen das Hineinschreien generell für ein erlaubtes Mittel halten, sich am Geschehen zu beteiligen!

Weiterhin bekommen Sie verbale Einmischungen häufig in zwei Fällen:

Erstens verkennen speziell sehr kleine Kinder völlig den sozialen Kontext und beginnen ein „Privatgespräch“ mit Ihnen (Thema beinahe beliebig). Mein Tipp: Hören Sie kurz, aber ernsthaft zu und biegen Sie dann rhetorisch ab: „Aha, du hast schon mal einen Hasen gestreichelt? Toll - meiner kann sogar noch mehr, pass einmal auf…“ Rücken Sie anschließend ein paar Schritte weg von Ihrem Gesprächspartner, wenden sich demonstrativ anderen Gästen zu und überhören weitere Äußerungen. Wenn Sie nämlich öfter darauf eingehen, wird Ihr Publikum konditioniert, dass man Sie jederzeit unterbrechen darf – und dann kriegen Sie bald keinen Satz mehr ungestört zu Ende!

Der andere Fall betrifft eher Kinder um die zehn Jahre, die eigentlich gar nicht Sie meinen, sondern die restlichen Zuschauer. Man hat in der Schule schon viel gelernt und möchte diesen Wissensvorsprung demonstrieren. Folglich „kennt man den Trick schon“, „weiß, wie es geht“ und dergleichen. Eine ernsthafte Antwort Ihrerseits wird gar nicht erwartet, man möchte lediglich mit seinen Fähigkeiten glänzen und Ihre Reaktion testen. Dies gilt erst recht für Missgeschicke, die Ihnen tricktechnisch unterlaufen und dann geradezu triumphierend bloßgestellt werden: „Ich hab gesehen, wie du das machst“, „Der Beutel ist gar nicht leer“.

Umgekehrt gilt übrigens ebenso: Das höfliche Schweigen von Erwachsenen muss keineswegs bedeuten, dass Sie für alle undurchschaubar gezaubert haben – selbst bei guter Vorführung gibt es stets „Schlauberger“, die etliche Ihrer Manöver entschlüsseln!
Ihre jungen Kritiker wissen aber nicht zehn Prozent von dem, was sie vorgeben – oft vermuten sie eine Lösung oder generalisieren einen Momenteindruck. (Bestes Beispiel: Sie bringen ein Kartenspiel zum Vorschein und ernten die Bemerkung: „Das kenn ich!“ – klar, es muss ja derselbe Kartentrick sein, den der ältere Bruder immer zeigt. Dass sich die Fachliteratur zu diesem Thema nach laufenden Metern bemisst, ist selbstverständlich jenseits aller Vorstellungskraft…) Weiterhin haben Ihre kleinen Gäste nicht wirklich eine Ahnung davon, ob ein „Patzer“ versehentlich passierte oder zur Routine gehört. Daher mein Rat:

Zwischenfälle dieser Art sind nur so schlimm, wie Sie darauf reagieren!

Sollten Sie folglich auf einen entsprechenden Kommentar hin zusammenzucken wie vom Blitz getroffen und anschließend rot anlaufen, haben Sie ein selber verursachtes Problem – bleiben Sie dagegen locker und cool, wird der Einwand wohl grundlos gewesen sein. Auch hierbei müssen Sie also wieder Ihre Körpersprache trainieren! Natürlich können Sie mit einem lässigen Spruch reagieren, beispielsweise

·         „Ich weiß, wie das geht“: „Ich auch!“ oder „Aber nur für hundert Euro weitersagen“
·         „Wie geht das?“: „Gut, siehst du doch!“
·         „Gibst du mir auch so ein Bällchen?“: „Nein, das sind meine!“
·         „Den Trick kenn ich schon“: „Okay, dann dreh dich um und schau weg!“
·         „Ich hab gesehen, wie du das machst“: „Sehr gut, merk dir das!“
·         „Darf ich das Seil mal untersuchen?“: „Nein, ich untersuch dich ja auch nicht!“

Aber Vorsicht: Hiermit konditionieren Sie Ihr Publikum ebenfalls auf ein ständiges Frage-Antwort-Spiel! Es reicht, wenn Sie Ihre Rolle mit wenigen Bemerkungen absichern und weitere Zwischenrufe ignorieren – meist hören diese irgendwann auf.

Ein probates Mittel, wieder etwas Ruhe in die Vorstellung zu bekommen, ist eine stumme Nummer zu Musikbegleitung. Seltsamerweise verebbt der Lärm dann – vielleicht, weil nun bei den Kindern eine andere Art der Wahrnehmung angesprochen wird. Ich habe jedenfalls bei einem solchen Programmpunkt noch nie Zwischenrufe vernommen (eventuell war auch die Musik zu laut…).

Andere heikle Situationen bilden „Mitmach-Nummern“. Stellen Sie bitte niemals die Frage: „Wer will mir denn jetzt einmal beim Zaubern helfen?“ Während bei Erwachsenen daraufhin ein betretenes Wegschauen begänne, würden sich Ihre kleinen Zuschauer umgehend zu einem Sturm auf die Bühne rüsten. In beiden Fällen gilt: Nur Sie wählen die betreffende Person aus!

Freilich müssen Sie bei Kindern diplomatisch verfahren und können in der Regel den „Ehrengast“, der seinen Geburtstag feiert, nicht übergehen. Dennoch sollten Sie darauf achten, ob dieser Ihnen zu schüchtern oder vorlaut erscheint. In dem Fall betrauen Sie ihn mit einer Aufgabe, bei der er nichts falsch machen kann (z.B. ein Requisit bewachen), und suchen sich für eine schwierigere Routine einen geeigneteren Helfer!

Generell halte ich auch in diesem Metier nichts davon, sich für jede zweite Nummer einen „Assistenten“ nach vorn zu holen – die Tour nützt sich ab, und die Risiken häufen sich:
Wenn Ihr kleiner Helfer bei einem längeren Ablauf mitmachen soll, muss er beschäftigt werden und nicht nur als Alibi für „Kinderfreundlichkeit“ vorne auf einer Kiste stehen. Er braucht jedoch noch mehr Anleitung und Unterstützung als ein Großer – schon bei der Feinmotorik (z.B. Halten eines Schwammballs) könnte es Probleme geben, welche zumindest den Fortgang der Handlung verzögern und Ihnen so wieder Einbrüche bei der Konzentration bescheren.

Besser ist es, die Kinder insgesamt zu einer Mitwirkung zu animieren, indem sie beispielsweise im Chor einen Zauberspruch aufsagen, via Pusten „magischen Wind“ erzeugen oder ihre Lieblingsfarbe rufen. Hierbei kann kaum etwas schiefgehen, und Sie ersparen sich nebenbei das Gezerre, wer denn nun mitmachen dürfe und wer nicht! Weiterhin steuern Sie damit eine kontrollierte Entladung der Emotionen und bestimmen, wann und wie die Zuschauer sich verbal bemerkbar machen sollen.

Insgesamt gilt hier mehr noch als bei Erwachsenen die strikte Regel:
Legen Sie sich nie mit dem Publikum an!

So schwer es Ihnen auch fallen mag: Behalten Sie Ihre private Ansicht zum Grad der Unerzogenheit des Publikums für sich – Sie können eh nichts daran ändern. In diesem Metier sind Sie ganz schnell „unten durch“, und die Sympathie der Eltern gehört stets dem Spaßmacher, nicht dem Spaßverderber. Sollte Ihnen trotz Beachtung der Rahmenbedingungen ein Auftritt zu entgleiten drohen:

Fallen Sie nicht aus der Rolle, sondern spielen Sie diese noch aktiver!

Steigern Sie sich schauspielerisch, modulieren Sie Ihre Stimme deutlicher, lassen Sie keine ungeeigneten Pausen, verzetteln Sie sich nicht in fruchtlose Diskussionen, bieten Sie eine gut getimte Folge von optischen Eindrücken und interessanten Anreizen, kurz:

Machen Sie Power – und so bald wie möglich Schluss!

Aus den Anfangstagen....


Sonntag, 12. Juli 2020

Kinderzauberei – die äußeren Bedingungen


„Die Kinder können sich ja auf den Boden setzen“

Ob Sie für den Neujahrsempfang einer Bank oder ein Kinderfest gebucht werden, zeigt vor allem der Aufwand, den der Veranstalter betreibt. Trotz aller vorgeblichen „Kinderfreundlichkeit“ möchte man bei den Kleinen die Bemühungen schon in Grenzen halten: Der Künstler soll sich halt „irgendwo da vorne“ hinstellen (sei es nun im Gymnastikraum oder Garten) – und das junge Publikum darf auf Turnmatten, dem nackten Fußboden oder im Gras Platz nehmen.

Wenn Sie sich darauf einlassen, haben Sie für Ihren späteren Absturz bereits eine wichtige Grundlage geschaffen!

Unbequemes Sitzen wird in jedem Alter als störend empfunden – und von Kindern wegen der geringeren Frustrationstoleranz nicht lange ausgehalten. Bald schon macht sich im Auditorium Unruhe breit – und warum sollte man auf Gymnastikunterlagen nicht lieber einen Purzelbaum versuchen?

Zudem ist dieser Bereich nicht fest abgegrenzt, wodurch eine stetige „Wanderung“ nach vorne einsetzt, bis die Kleinen schon fast unter Ihrem Zaubertisch ankommen. Daher mein eiserner Grundsatz: Kinder brauchen feste Sitzplätze, am besten Stühle! Schon bei Bänken besteht das Risiko, dass ein Gerangel um den individuellen Freiraum beginnt. In einem solchen Fall muss wenigstens ausreichend Platz vorhanden sein, damit niemand sich eingeengt fühlt! Bei spärlichen räumlichen Verhältnissen kann es nötig werden, den „Zauberbereich“ am Boden mit einem Seil, Klebeband oder Kreidestrich per „magische Linie“ abzugrenzen.

Weiterhin brauchen Ihre jungen Gäste eine gute Sicht auf das Geschehen, weil sie sonst schnell den Faden verlieren. Mit genügender Bereitschaft zum Umbau kann man fast stets eine befriedigende Lösung finden – und natürlich sitzen die kleinsten Zuschauer ganz vorne, Eltern bzw. Betreuer sollten am Rand Platz nehmen (so können sie bei Problemen auch schnell eingreifen). Denken Sie daran, Ihre Requisiten hoch genug zu platzieren; ab einer gewissen Gästezahl ist eine Bühne oder ein Podest eine große Hilfe.

Bei dieser Art von Publikum kann man eine gewisse Unruhe nicht vermeiden, bei dramatischen Szenen ist diese ja sogar erwünscht! Dennoch dürfen Ihre Texte darin nicht untergehen – agieren Sie also mit lauter und fester Stimme sowie deutlicher Aussprache. (Ist zudem ein Rangordnungszeichen: Der „Platzhirsch“ röhrt am heftigsten!) Lassen Sie genug Pausen und modulieren Sie Ihren Text!

Bei einer Zahl von mehr als 30 Kindern nehme ich stets mein Sendermikrofon mit (die Tonanlage habe ich ja wegen der Begleitmusik sowieso dabei.) Oft genug rettet diese Maßnahme meine Vorstellung vor dem Untergang im Begleitlärm – oder mindert jedenfalls meine Nervosität angesichts einer dreistelligen Zuschauerzahl.

Mein früherer Seminarlehrer pflegte zu sagen: „Wenn die Stimme des Lehrers nicht bis zur letzten Bank klar vernehmlich ist, erübrigen sich alle weiteren Überlegungen zu Methodik und Didaktik!“

Weiterhin verringern diverse Nebenbeschäftigungen die Aufmerksamkeit der Betrachter. Speziell bei Kindergeburtstagen werden ja die Gäste großzügig mit festen und flüssigen Kalorien versorgt. Dies muss aber vor meinem Auftritt erledigt sein, am besten in einem anderen Raum!

Die Örtlichkeit, an der ich zaubere, zeichnet sich dann durch völliges Fehlen von Essen und Trinken aus. (Für elterliche „Kampfdrohnen“: Eine derartige Abstinenz über eine Dreiviertelstunde hin führt nicht zur Dehydrierung oder gar zum plötzlichen Hungertod!) So vermeide ich, dass meine Vorstellung durch umfallende Gläser oder den Streit um einen herrenlosen Muffin beeinträchtigt wird. Ebenso ist Spielzeug fehl am Platz (das habe ich ja mitgebracht) – und beim Kinderfasching werden alle Cowboys und Gangster im Vorfeld entwaffnet.

Grundsatz: No meals, no drinks, no toys, no guns!

Erkundigen Sie sich bei größeren Events stets nach dem Gesamtprogramm! Mehr als einmal ist es mir passiert, dass während meiner Vorstellung draußen im Hof plötzlich die ebenfalls eingeladene Blaskapelle zum Konzert ansetzte oder orientalische Musik die Show einer Bauchtänzerin begleitete. Sehr beliebt in Bildungseinrichtungen sind Lautsprecherdurchsagen des Inhalts, welches Auto mit diesem oder jenem Kennzeichen gerade die Feuerwehrzufahrt blockiere oder welcher Kollege dringend ins Lehrerzimmer kommen solle. (Vielleicht haben Sie ja eine kleine Kombizange, mit der Sie die Drähte am Lautsprecher… nein, war nur Spaß!)

Aber auch hier gilt: Erkannten Gefahren kann man meist begegnen! Günstig ist es, wenn die kleinen Gäste zunächst Gelegenheit zum Spielen und Toben und dann etwas zu essen und trinken bekommen, bevor die Zaubervorstellung beginnt.

Ein nicht unbeträchtliches Risiko bilden Open-Air-Auftritte, die ja gerade bei Frauen (welche z.B. in Kindergärten oder bei Geburtstagsfeiern das Sagen haben) äußerst beliebt sind: Draußen ist es ja viiiel schöner (und man bewahrt die Innenräume vor Schäden aller Art)! Leider kann ich auf zahlreiche Gigs zurückblicken, wo ich bei gefühlten 40 Grad an der Sonne in meinem Anzug langsam vor mich hin kochte, der CD-Player sich temperaturbedingte Aussetzer leistete oder ich meine Requisiten vor herannahenden Sturmböen retten musste. Dazu kamen unebene Böden, 30 Meter Verlängerungskabel bis zur nächsten Steckdose, Zaungäste rundum sowie ellenlange Transportwege bis zur Garderobe. Außerdem kann schon ein vorbeiflatternder Schmetterling (oder gar eine Wespe) dafür sorgen, dass ein Zaubereffekt unbemerkt bleibt…

Deshalb geht gerade hierbei ohne einen Ortstermin vorher nichts – so lassen sich wenigstens die kalkulierbaren äußeren Bedingungen halbwegs zur Zauberei passend gestalten. Weiterhin mache ich stets darauf aufmerksam, dass bei schlechter Witterung entweder eine überdachte Alternative (oder ein Ausweichtermin) bestehen muss bzw. meine Gage auch bei einer Stornierung fällig wird. Gerne kommt hier das Argument: „Im Juli regnet es doch bestimmt nicht!“ Statistisch bietet dieser Monat (zusammen mit Juni und August) hierzulande die höchsten Niederschlagsmengen…

Und zu guter Letzt: Es müssen Betreuungspersonen anwesend sein! Weder meine Assistentin noch ich können uns um freilaufende „Pampers-Rocker“ kümmern, die zwischen unserem Equipment umherirren, ebenso wenig wie um Kinder, welche plötzlich aufs Klo müssen (bzw. gemusst hätten, alles schon passiert) oder auf einmal ihre Trotzphase ausleben. Leider kollidiert dies mit dem Wunsch von Erwachsenen, während der Vorstellung einmal „frei“ zu haben. Sorry, das geht leider nicht: Wir bieten Kinderzauberei und keine „Rundum-Betreuung“ – hierfür gibt es andere Angebote!

Zusammenfassend noch einmal die Eckpunkte äußerer Bedingungen, mit denen eine solche Darbietung steht und fällt:

·         Einstimmung der Kinder auf die „Vorführsituation“
·         feste, bequeme Sitzplätze
·         Abgrenzung des „Zauberbereichs“
·         gute Sicht- und Hörbarkeit
·         keine „Nebenbeschäftigungen“ (Essen, Trinken, Spielzeug)
·         Vermeidung sonstiger äußerer Störfaktoren
·         sinnvolle Einpassung ins Gesamtprogramm
·         Auftritte im Freien nur nach Ortsbesichtigung; Festlegung des Verfahrens bei schlechter Witterung
·         Anwesenheit von Betreuern, die bei Problemen eingreifen

Nach meinen Erfahrungen hält sich die Lust pädagogischer Mitarbeiter, dem Zauberkünstler gute Rahmenbedingungen zu bieten, oft in engen Grenzen. Meine Botschaft ist dann glasklar: Ich tue alles dafür, dass der Auftritt ein Erfolg wird. Gleiches erwarte ich jedoch auch von den anderen Beteiligten.

Mein Tipp für die Verhandlungen mit Veranstaltern, die sich für kleine Zuschauer nicht besonders anstrengen wollen: Der Begriff „Kinderfeindlichkeit“ bildet heutzutage ein „Totschlagargument“. Warum sollten Sie es nicht auch einmal – für einen guten Zweck – einsetzen?

Fazit: Kindervorstellungen scheitern öfter an ungeeigneten Rahmenbedingungen als am Programm des Künstlers!

Donnerstag, 2. Juli 2020

Kinderzauberei – die verschiedenen Altersstufen


Bei Anfragen bekommt man gelegentlich den Eindruck, manche Eltern würden gerne schon für ihren sechsmonatigen Säugling eine Kindervorstellung buchen.

Tatsächlich aber liegt für mich die Altersgrenze bei mindestens vier Jahren: Erst dann beginnen sich Fantasie und Realität so weit zu trennen, dass etwas Unwirkliches wie Zauberei überhaupt vom „Normalen“ unterschieden werden kann.

Auch bei Vierjährigen kommt es sehr darauf an, ob diese via Kindergarten schon an größere soziale Gruppen gewöhnt sind (das Publikum eines Magiers ist nämlich eine solche). Erst dann besteht die Hoffnung, dass Kinder in diesem Alter bereits die nötige Konzentration und Frustrationstoleranz aufbringen, um für 30 Minuten einen Zauberauftritt zu verfolgen und nicht lange vorher schon anderen Impulsen nachzugeben. Oft genug sind die Eltern sehr optimistisch:

„Mein Kind versteht das schon.“
Nein – tut es nicht!
Andruck
Tatsächlich ist es sogar noch schlimmer: Befinden sich einzelne jüngere Kleinkinder im Publikum, werden sie sich mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent bald lautstark bemerkbar machen – mit Quengeln, Heulen und Gezeter. Ich habe das oft genug erlebt. Den genauen Mechanismus kann ich nur vermuten. Wahrscheinlich liegt es am gefühlten Stimmungsumschwung, der sie beunruhigt: Musik, Stille, Lachen, Klatschen, an der mangelnden Zuwendung ihrer Bezugsperson, die ja die Show verfolgen will – und natürlich daran, dass die Kleinen Sinn und Zweck der Veranstaltung überhaupt nicht erfassen.

Besonders problematisch wird es, wenn sich die Vorstellung eigentlich an Erwachsene richtet, jedoch auch sehr kleine Kinder (oft in Ermangelung eines Babysitters) anwesend sind.

Meiner Assistentin fallen entsprechende „Problemfälle“ schon vor Programmbeginn auf; sie bittet dann die Begleiter, im Falle des Falles mit ihrem Kind nach draußen zu gehen. Oft stößt ihre Voraussicht auf Unglauben (siehe oben) – bis dann das fast Zwangsläufige eintritt. Manche Erziehungsberechtigte wollen jedoch selbst in dieser Situation nicht einsehen, dass man ihnen zumuten muss, auf die Vorstellung zu verzichten, anstatt allen anderen den Spaß zu verderben.

Da bleiben wir jedoch hart: Meine Darbietung steht und fällt damit, dass ich die Aufmerksamkeit des Publikums habe und nicht ein plärrender Zweijähriger. Im Notfall lege ich kommentarlos eine Pause ein und mache hinter den Kulissen dem Gastgeber die Alternative klar:

Der oder ich!

Kindergartenbesucher (bis zu zirka 6 Jahren) bilden das typische „Vorschulpublikum“, für das man häufig engagiert wird.

Halten Sie die Effekte kurz und Ihre Sprache einfach (z.B. „ist weg“ statt „ist verschwunden“). Eine interessante Optik ist hier viel wichtiger als geschliffene Texte! Für die Kinder sind Gegenstände, zumal, wenn mit ihnen Magisches geschieht, lebendige Wesen – personifizieren bzw. animieren Sie diese (z.B. durch Namen, Bewegungen etc.). Und lassen Sie, vor allem nach den Effekten, genügend Pausen – Ihre kleinen Zuschauer brauchen Zeit, um das Gesehene zu verarbeiten!

In jenem Alter ist Zauberei stets „echt“, also verzichten Sie auf das (sowieso unsinnige) Bekenntnis, Sie würden lediglich „Tricks“ vorführen. Deshalb sind auch Aufsitzer sinnlos – die Kleinen suchen eh nicht nach einer Erklärung (da können Sie die Hasen noch so lange „heimlich“ drehen…). Und geben Sie sich besonders freundlich und Vertrauen erweckend: Sie sind gefühlte zehn Mal größer und treiben unerklärliche Dinge – öfters habe ich bei einem solchen Publikum Angstreaktionen erlebt. Seien Sie ein „netter Zauberer“, und auch die Utensilien, welchen Sie Leben einhauchen, sind nicht wirklich gefährlich, höchstens ein bisschen frech…

Zeitlich sollten Sie sich darauf einrichten, nach zirka 30 Minuten aufzuhören – wenn da noch ein Rest Konzentrationsvermögen übrig ist, können Sie ja eine letzte Nummer dranhängen.

Grundschulkinder (ca. 6 bis 10 Jahre):

Dauer und Sozialstruktur einer Unterrichtsstunde haben sich bei ihnen bereits gefestigt, so dass Sie von maximal 45 Minuten ausgehend können – ebenso sind Ihre Zuschauer darauf konditioniert, dass sie einer „Autoritätsperson“ für diese Zeit (mehr oder weniger) Aufmerksamkeit schenken. Andererseits sind sie aber durch die Schule daran gewöhnt, Vorgänge erklären zu sollen – kein Wunder, dass sie dies auch auf die gesehenen Effekte anwenden. In diesem Alter beginnen die einschlägigen Zwischenrufe vom Typ „Ich weiß, wie das geht“. Fassen Sie das nicht als Angriff, sondern als Zeichen des Lernwillens auf!

Aufsitzer zeigen daher ihre Wirkung, allerdings oft nicht im gewünschten Sinne, sondern als Beginn langwieriger Diskussionen, bei denen Ihnen die Zügel entgleiten könnten. Bedenken Sie: Da sind Ihre kleinen Zuschauer stolz darauf, etwas zu durchschauen – und dann werden sie von Ihnen als Deppen hingestellt! Beliebter werden Sie dadurch nicht…

Vorsicht ist weiterhin angebracht bei zu „kindertümlichen“ Präsentationen (Requisiten mit Comicfiguren, „Eiapopeia-Texte“), die schnell als „Babykram“ abgetan werden. Die Geschichten zu den Zauberkunststücken dürfen schon länger sein – je skurriler und verrückter, desto besser!

Im Alter von über 10 Jahren sollte Ihrem Programm auf den ersten Blick nicht mehr anzumerken sein, dass es „für Kinder“ gedacht ist – Ihre Zuschauer fühlen sich sonst schnell unterfordert bis veralbert! Vermeiden Sie reine Erwachsenenthemen (wie Partnerschaft, Ehe oder Schlimmeres), ebenso wie zu komplizierte Routinen, Rechenoperationen, das Merken von Kartenwerten u.ä. Ironie und Anspielungen können bereits wirken, wenn man es nicht übertreibt. Die Dauer einer Schulstunde ist jedoch weiterhin die Obergrenze.
Andruck
In der Pubertätsphase steht die Zauberei in den Charts ganz weit unten, so dass Sie ein entsprechendes Publikum eher selten vorfinden werden. Dieser Entwicklungsprozess ist ja dadurch gekennzeichnet, dass ein Bruch mit der Kindheit stattfindet. Da erlebt man hormonbedingt genügend Verwirrendes und Unerklärliches – Zauberer sind dabei absolut unnötig!

Sollten Sie (vielleicht bei einem Schulfest) mit „Pubertätern“ zu tun haben, geben Sie sich betont lässig, ohne in „Jugendsprache“ zu verfallen – nichts ist in dem Alter peinlicher als ein Erwachsener, der den Gleichaltrigen markiert…

Vermeiden allzu „typisches“ Equipment wie Zylinder, Zauberstab, Hasen, Glitzerkisten und „magisches“ Getue (auch sonst keine schlechte Idee…). Vielleicht gelingt Ihnen selber etwas ironische Distanz dazu – das wäre ganz im Sinne Ihrer Zuschauer!

Auftritte vor altersmäßig gemischtem Publikum stellen die größte Herausforderung dar. Hierzu gehören vor allem Festivitäten in Bildungseinrichtungen, zu deren Kundschaft ja meist verschiedene Altersstufen zählen. Ich tue im Vorfeld mein Möglichstes, die Veranstalter von getrennten Vorstellungen, z.B. für „Größere und Kleinere“ (mit entsprechender Altersbegrenzung) zu überzeugen. Wenn daraus nichts wird, müssen Sie Ihr Programm stets auf die jüngsten Zuschauer abstellen: Falls Sie nämlich die nicht erreichen oder bald verlieren, kommt es zu maximaler Unruhe! Der zu erwartende „Kollateralschaden“ besteht darin, dass sich Ältere (inklusive die ratschenden Mütter oder Lehrer im Hintergrund) unterfordert bzw. gar nicht angesprochen fühlen und so für Störungen und vor allem Ablenkung der Jüngeren sorgen.

Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, bei Kinderauftritten stets mit einer Metaebene zu arbeiten, welche in diesem Fall besonders nützlich ist: Vordergründig zaubere ich für das junge Publikum, die Effekte müssen allerdings auch für Erwachsene interessant und undurchschaubar sein. Die Einstellung „Hauptsache, die Kinder kapieren es nicht“ ist sowieso oft unrealistisch, und zudem verlieren Sie die Aufmerksamkeit älterer Betrachter! Weiterhin gehört zu diesem Konzept, immer wieder Textbausteine, vielleicht auch kleine Zwischenspiele einzubauen, welche sich – über die Köpfe der Kleinen hinweg – direkt an die restlichen Zuschauer richten. Sie zeigen sozusagen parallel zwei Routinen und erreichen somit das gesamte Auditorium.

Nach vielen Jahren Zauberei ahnt man meist schon vorher (und spätestens beim Eintreffen am Ort des Geschehens), ob es krisenhaft werden dürfte. Meist höre ich dann die leise Frage meiner Assistentin: „Hier ist wohl eine Ansprache fällig?“ Kurz vor meinem Auftritt erkundigt sich Karin bei den versammelten Zuschauern, wer von ihnen schon einmal in einer Theatervorstellung war und wie man sich da benehmen solle. Ob es angebracht sei, über Stühle zu klettern, herumzuschreien oder den Sitznachbarn zu ärgern?

Letztlich ist der genaue Inhalt der Belehrung gar nicht so entscheidend, sondern die Botschaft: Nicht nur der Vorführende, sondern auch das Publikum hat bestimmte
Pflichten, die es zu erfüllen gilt. Damit wird eine wichtige Grundlage geschaffen, deren Wirkung ich normalerweise die ganze Vorstellung über spüre!

Fazit:

Bei Kindervorstellungen ist es entscheidend, zuvor die Altersstruktur des Publikums zu kennen und sein Programm darauf abzustellen. Bei Erwachsenen ist dies weniger kompliziert. 20- bis 30-Jährige Zuschauer haben Sie nur, falls die bei einer Familienfeier zur Anwesenheit verpflichtet sind. Aber auch dann ist deren Interesse begrenzt: In dem Alter ist man mit seiner Berufsausbildung beschäftigt – und später damit, den Falschen zu heiraten, Kinder zu kriegen und sich scheiden zu lassen.  

Der nächste magische Kontakt erfolgt erst, wenn man selber einen Kindergeburtstag zu organisieren hat. Im letzten Lebensdrittel rücken Beruf und Erfolgsdruck in den Hintergrund, und man entwickelt man wieder mehr Freude an Illusionen. Senioren schließlich sind das dankbarste Publikum – schon, weil die sich freuen, wenn sich überhaupt wer um sie kümmert…