Samstag, 9. April 2016

Was nix kost‘…



„Zauberer und Ärzte haben etwas gemeinsam:
Sie kommen zwar manchmal vergeblich, aber nie umsonst!“
(Standardsatz in meinen Zauberprogrammen)

Kaum ein Künstler kommt an dieser Frage vorbei: Sicherlich hat man seine festen Honorarvorstellungen für einen Auftritt, ein Bild, die Gestaltung einer Website… aber:
Soll man das von Verwandten, guten Freunden oder engen Arbeitskollegen wirklich verlangen?

Bei meinen Zauberauftritten geriet ich immer wieder in solche Dilemmas:

·         Was, wenn eine nahestehende Person ein Fest feiert und die Einladung mit dem Wunsch nach einer Vorstellung verknüpft? Soll man ihr diese dann „schenken“?
·         Wie ist es mit Events an der eigenen Arbeitsstelle?
·         Soll man großzügig sein, wenn ein geplagter kirchlicher Seniorenbetreuer (oder Tangoveranstalter) glaubhaft versichert, sein schmaler Etat gäbe die übliche Honorierung nicht her?
·         Was ist mit „Wohltätigkeitsveranstaltungen“ zugunsten von sonstwas? Die anderen Künstler verzichten ebenfalls auf ihre Gage…
·         Sollte man die nicht eben großzügigen Bezahlungen in öffentlichen Bildungseinrichtungen (z.B. Volkshochschulen) klaglos akzeptieren?

Jeder in diesen Metiers könnte die Reihe an „Rabattgründen“ sicherlich noch fortsetzen… Öfters habe ich mich auf eine reduzierte Gage eingelassen oder gleich gar nichts verlangt. Da ich meine Einnahmen sowieso der Deutschen Welthungerhilfe spende, erschien es mir gelegentlich eine diplomatische Lösung, den Gastgeber zur eigenen Abgabe einer Spende aufzufordern. (Ob er dies auch tat, konnte ich natürlich meist nicht nachprüfen.)

Na gut – wenn man sich dann schon auf solche Deals einlässt, wird der Gastgeber doch sicherlich seine Dankbarkeit und Wertschätzung zeigen, indem er einen „auf Händen trägt“, sprich: beste Arbeitsbedingungen verschafft, oder?

Das wollte ich einmal genau wissen!

Glücklicherweise führe ich über meine Zauberauftritte exakt Buch und kennzeichne sie mit einer Bewertungszahl von 1 (= furchtbar, wäre beinahe gleich wieder heimgefahren) bis 6 (= beste Arbeitsbedingungen). Bei dieser Einschätzung kommt es mir vor allem auf diese Gesichtspunkte an:

·         Verhalten des Veranstalters im Vorfeld (genaue Beschreibung der Verhältnisse vor Ort, pünktliche Lieferung von Informationen und der endgültigen Abmachung)
·         Übereinstimmung der tatsächlichen Vorführbedingungen mit den vorherigen Angaben
·         Engagement des Organisators rund um den Auftritt; Krisenmanagement bei Problemen
·         Serviceleistungen anderer beteiligter Personen (vor allem Gastronomen)
·         Aufgeschlossenheit des Publikums
·         korrekte und pünktliche Bezahlung

Ich habe meine Buchführung von 2002 (Euro-Einführung, seither haben sich meine Preise nicht verändert) bis 2015 einmal in dieser Hinsicht überprüft. Die Ergebnisse geben mir zu denken:

Stichprobenumfang: 336 Auftritte
Die durchschnittliche Bewertungszahl bei Vorstellungen mit dem üblichen Honorar war 4,99. (Zunächst einmal ein gutes Zeichen: In der Regel bekam ich gute Vorführbedingungen, bis auf Kleinigkeiten lief alles einwandfrei.)
Bei ermäßigter oder fehlender Gage lag der „Güteindex“ allerdings im Schnitt bei 4,96!
Diese leichte Abweichung nach unten dürfte zwar statistisch nicht signifikant sein – die Regel lautet allerdings mit Sicherheit: Was nix kost‘, ist auch nicht mehr wert!

Was mich noch mehr beunruhigt: Bei satten 25 Prozent der Auftritte habe ich ganz oder teilweise auf eine Bezahlung verzichtet! Nach meiner Auswertung hätte ich insgesamt gut 7000 € mehr einnehmen können, wenn jeweils das volle Honorar entrichtet worden wäre.

War es das wert? Nein.

Die Information, eine künstlerische Leistung mit deutlichem Rabatt oder gar umsonst zu erhalten, motiviert Gastgeber überhaupt nicht dazu, sich dafür in irgendeiner Weise besonders erkenntlich zu zeigen. Ich kann mich an Fälle erinnern, wo es für Gratisvorstellungen hinterher nicht einmal einen Blumenstrauß, eine Flasche Wein oder wenigstens ein Dankeskärtchen gab. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen (meist private und selten reiche) Veranstalter, welche mehr als den vereinbarten Betrag zahlen oder hinterher bei den Gästen nochmal den Hut rumgehen lassen, weil der Künstler doch für die Welthungerhilfe zaubert…

Könnte ich noch einmal mit der Magie beginnen, würde ich den Anteil der „Gratisauftritte“ bei fast Null halten. Auch gute Bekannte dürfen einmal in die Tasche greifen und ihren Anteil für meine Aufwendungen entrichten. Ich bekomme ja meine Requisiten, Kleidung sowie das Benzin für die Fahrt in solchen Fällen auch nicht geschenkt! Wenn ich die Wahl habe, auf den Charakter oder den Geldbeutel meiner Mitmenschen zu setzen, fällt meine Entscheidung inzwischen eindeutig aus.

Mir wären in 14 Jahren maximal 40 Auftritte entgangen (also jeder zweite mit „Rabatt“), dafür aber auch etliche menschliche Enttäuschungen…

Und die armen Organisatoren vorwiegend sozialen Tuns? Ich erinnere mich an eine Diskussion mit der Leiterin eines katholischen Frauenkreises, welche mir in tränentreibender Manier schilderte, wie wenig Geld die Kirche für solche Aktivitäten übrig habe. Meine Entgegnung: „Wer den Papst eine Woche lang beerdigen kann, hat genügend Geld.“

Ich bekam meine volle Gage (und in der Folge noch mehrere Engagements)!

Freitag, 8. April 2016

Krist & Münch: Zaubertheater der Extraklasse



Schon die Location, welche die beiden Münchner Magier Alexander Krist und Christian Münch seit 2012 bespielen, dürfte ziemlich einmalig sein: Edles Ambiente im Kontrast zum Wirtshaus-Nebenzimmer, in welchem die Zauberei heute ja oft einen traurigen Rückzugsort zugewiesen bekommt. Alles hat Stil – vom eleganten Foyer bis zum „Table Magic Theater“, wo man von fünf aufsteigenden Stuhlreihen beste Sicht auf den großen Tisch hat, auf dem sich die meisten Wunder abspielen. Bühnen-Management, Beleuchtungsanlage, Tontechnik – alles vom Feinsten und absolut professionell gehandhabt.

Zu sehen gab es gestern das Programm von Alexander Krist: „MAGIE – live und hautnah 2“. Schon der Opener weist in die Richtung der eleganten „Salonmagie“ eines Johann Hofzinser: Krist philosophiert über Zeit (Armbanduhr) und seine Lieben (Ehering sowie Foto seiner beiden Töchter). Alle Requisiten verschwinden und tauchen, da zeitlos wertvoll, natürlich zum Schluss wieder auf. Geschliffene Texte, zur emotionalen Wirkung öfters mit Musik untermalt – eine ideale Startrampe, welche das Publikum zum Abheben bringt!

Alexander Krist verfügt über eine unglaublich professionelle Technik. Seine Kartenroutine stellt eine Ansammlung von Höchstschwierigkeiten dar, welche ein Amateur nur staunend bewundern kann. Allein seine Version der „Ambitious Card“, bei welcher zum Schluss eine Karte mit abgerissenem Index in einem verpackten Spiel nach oben steigt, katapultierte für mich diesen Klassiker in eine neue Dimension. Er beschränkt sich nicht darauf, nur eine Karte zu finden – nein, in 13 Sekunden memoriert er scheinbar die exakte Reihenfolge eines vom Zuschauer gemischten Spiels!

Gekonnt setzt Krist psychologische Talente ein, wenn er Gedanken der Gäste errät (Würfel-Augenzahl unter Bechern). In seiner „Las Vegas“-Nummer, mit welcher er den ersten Teil seiner Vorstellung beschließt, bietet er alles auf, was in der Mentalmagie gut, schwierig und teuer ist: ein geniales „Halbfinale“!

Auch nach der Pause setzen sich die „Kracher“ fort: Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die fulminante Version des Becherspiels. Alexander Krist beweist sich wiederum als exzellenter Manipulator, dem das Beste nie gut genug ist – so erscheinen als Climax unter drei Bechern nicht drei Zitronen, sondern selbstredend vier! Einen „gut durchgemischten“ Rubik‘s Cube wirft er mal eben so auf den Tisch – und schon ist er sortiert!  Noch wahnsinniger der umgekehrte Effekt: In einer Dreiviertelminute bekommt er einen Zauberwürfel exakt so hin, wie die Zuschauer ein anderes Exemplar verdreht haben! Im Finale des Programms zeigt er eine gigantisch gut durchdachte Version des Klassikers „Karte in Zitrone“ (hier ist es ein Hühnerei).

Auch in seiner Persönlichkeit verfügt der Künstler über alles, was einen Spitzenmagier ausmacht: umwerfenden Charme, gepaart mit großem rhetorischen Talent und hoher Bühnenpräsenz. Immer wieder gelingt es ihm, den Rhythmus von Zauberei, Begleitmusik und Text stimmig zu halten (für mich eines der wichtigsten Kriterien in der Magie).

Sein Ehrgeiz, der ihn zu solchen Spitzenleistungen führt, hat allerdings auch kleine Schattenseiten: Streckenweise verliert er sich in der Mentalmagie in zu vielen Vorhersagen, Kontrollen und Details. Dazu kommt die in der modernen Magie offenbar unverzichtbare „Beschäftigungstherapie“ fürs Publikum. Ich war sehr froh, nicht in der ersten Reihe zu sitzen und mich dort mit ständigen „Assistenzaufgaben“ herumschlagen zu müssen. Gerne hätte ich mich öfters zurückgelehnt, anstatt wegen des Bombardements mit Karten- und Zahlenwerten ständig mein Gehirn einzuschalten! Warum muss man eine wunderbare Chink a Chink-Routine (zuerst mit Kronkorken, dann wegen des beruflichen Erfolgs mit Silbermünzen) in einem solchen Eilzugtempo durchbrettern?

„Keep it simple“ – dieser Ratschlag unseres Großmeisters Dai Vernon könnte auch dabei helfen, nicht zu sehr mit Fingerfertigkeit zu prunken. Zeigt man allzu deutlich, wie geschickt man hierin ist, schwächt das die anschließenden Wunder eher ab. (Tony Slydini hätte niemals einen Zauberstab wiederholt akrobatisch durch die Finger wirbeln lassen!)

Außerdem sollte Alexander Krist aufpassen, dass er seinem Rollenbild vom „idealen Schwiegersohn“ nicht zu viel Zucker (oder gar Saccharin) gibt: Beim x-ten Mal wirkt ein strahlendes Lächeln oder eine entsprechende Gestik dann schon mal manieriert – und die „Hirschhausen – Philosophie“ vom Glück in mehreren Epilogen dann etwas dick aufgetragen.

Und ob man ein Tischprogramm mit der Kubus-Illusion (assistiert vom herrlich verschrobenen Christian Münch) beenden muss? Na ja, originell war’s schon, zumal die sichtbare Hand nochmal schnell den Rubik’s Cube sortierte…

Diese kleinen, subjektiven Stirnrunzler meinerseits können jedoch das Gesamturteil kaum schmälern: Diese Show, ja das ganze Theater, ist eine exzellente Werbung für die heutzutage so gebeutelte Zauberkunst! Eine Zauberbühne, welche mehrmals die Woche bespielt wird und fast stets (zu Recht) ausverkauft ist – wo gibt es das noch?

Was sicherlich nicht wenig zum Erfolg beiträgt: Das gesamte Team kümmert sich aufopferungsvoll um seine Gäste – vom freundlichen Empfang über die charmante Bedienung und Ansprache der Zuschauer bis hin zu mit Namensschildern gekennzeichneten Plätzen. Und natürlich kann man mit den Künstlern nach Programmende im Foyer zwanglos plaudern.

Wer also in der Münchner Gegend wohnt oder einmal dorthin kommt: Unbedingt Plätze (rechtzeitig!) reservieren, hingehen, staunen und genießen!
   
http://www.magic-theater.de