Nach
längerer Zeit erlebte ich am Wochenende wieder einmal einen Kollegen live. Alexander Merk ist in der deutschen
Zauberszene kein Unbekannter: Er erhielt etliche Preise und Auszeichnungen,
allem voran seinen Deutschen Meistertitel
in der Sparte „Allgemeine Magie“, den er bereits 2008 errang – und auch in
diesem Jahr reichte es für den zweiten Platz und damit die Qualifikation zur
Weltmeisterschaft.
Nach
eigener Aussage zum ersten Mal präsentierte sich der nun in Berlin lebende
Künstler in heimatlichen Gefilden:
Am letzten Samstag zeigte er sein Bühnenprogramm
in der Aula des Diedorfer Gymnasiums.
Die
Selbstbeschreibung auf seiner
Website hatte mich neugierig gemacht:
„Mit meiner Zauberei
erzähle ich Geschichten. Alles, was bei mir auf der Bühne passiert, hat seine
Bedeutung. Es gibt nicht nur einfache Effekte, sondern jedes Wunder hat immer
eine eigene Dramaturgie. Das gibt der Magie eine ganz neue Seite. Bisher standen
Zauberer auf der Bühne, zeigten Illusionen – und die Zuschauer durften darüber
grübeln, wie diese funktionieren. Doch ich finde, dass Zauberkunst nicht auf
das Geheimnis reduziert werden darf, denn es ist eine Kunstform, bei der es
darum geht, die Menschen zum Staunen zu bringen.“
Tja,
Alex, da sachste was! Ob man davon die deutschen Zauberfunktionäre – und,
schlimmer noch – Veranstalter, Theaterbesitzer und Unterhaltungs-Redakteure wird
jemals wieder überzeugen können? Ich habe es ein ganzes Zaubererleben lang
versucht – mit marginalem Erfolg…
Um
es vorwegzunehmen: Das war nicht zu
viel versprochen – ich habe den Abend wirklich nicht bereut! Alexander Merk gelangen wahrhaft poetische Programmteile:
Wie
er einer Glaskugel (mittels der
natürlich Kartenwerte erraten werden) per Pantomimentechnik Schwerelosigkeit
verleiht, habe ich so noch nicht gesehen. Den Brainwave-Effekt (nebst einigen
Animationen) kleidet er in die wunderbare Geschichte vom „Unsichtbaren Jaques“ – und als Höhepunkt die Szene mit der Pariser Tänzerin, in der sich
schließlich ein vom Zuschauer gekennzeichnetes Seidentuch aus einer „durchgebrannten“
Scheinwerferbirne materialisiert. Als Zugabe schafft er mittels D‘Lites und den
Handy-Lampen der Zuschauer ein irrlichterndes Meer im Saal. Wahrlich „hinters Licht geführt“!
Die
Basis von Merks Arbeit ist grundsolide – er verfügt über eine blitzsaubere Manipulationstechnik, die
er allerdings manchmal ziemlich frech einsetzt (wie bei seiner herrlichen
Parodie auf den „Kugelfang“). Aber dank seines Charmes kommt er damit durch.
Apropos:
Auf der Bühne steht ein äußerst freundlicher, ja liebenswürdiger junger Mann, dem die Sympathien gerade der
weiblichen Zuschauer massenhaft zufliegen. Persönlich war mir die Rolle des „Schwiegermutters
Liebling“ ein wenig zu dick aufgestrichen – etwas mehr darstellerische Breite (gerade bei den ernsten oder dramatischen
Nummern) würde dem Programm guttun.
Sehr
gefallen hat mir das spartanische
Bühnenbild, das den Künstler in den Mittelpunkt stellt. Zumeist bedient er
sich lediglich aus einer kleinen Requisitenablage und zaubert freihändig ohne Tische und anderes
Beiwerk. Das macht sein Programm natürlich auch sehr anpassungsfähig
hinsichtlich der oft abenteuerlichen Vorführbedingungen, mit denen wir Zauberer
uns heute herumzuschlagen haben.
Die
Sprache Alexander Merks hingegen ist
opulent: Er kann sehr gut formulieren
und verwendet witzige, geistreiche Texte.
Leider gibt er auch hier seinem Affen recht viel Zucker und verfällt bisweilen in
eine Geschwätzigkeit, die das Programm – vor allem im ersten Teil – ein wenig
zerfahren wirken lässt. Daher halte ich sein Intro für missglückt: Ganz im heutigen Stil redet er erstmal
ellenlang und steigt in eine Händeverschlingungsaktion mit dem Publikum ein.
Ich hätte da viel lieber die schöne Chicagoer-Routine
gesehen, mit der er nach der Pause loslegt.
Unglücklicherweise
kann sich der Künstler nicht von zwei
Moden lösen, die offenbar heute in der Zauberei zur „Pflichtübung“
verkommen sind: Man braucht ständig die Assistenz
des Publikums – und fast alle Effekte müssen einen mentalen Anstrich haben. Persönlich nervt mich dieser ewige „Mitwirkungszwang“, der oft genug dazu
führt, die Konzentration vom Künstler wegzunehmen. Und wenn ich nach der ersten
Viertelstunde eh davon überzeugt bin, dass der Vorführende Gedanken und
Zukünftiges erraten kann, wird das auf die Dauer etwas fad…
Gerne
aber unterstreiche ich den Appell,
den der Künstler zum Schluss seinem Publikum mitgibt: Mit guter Zauberei kann man
durchaus eine Theaterbühne füllen –
und auch einen Zuschauerraum wie den des Diedorfer Gymnasiums. Die Kunst des magischen Kammerspiels im Stil eines
Johann Hofzinser oder Punx wird heute ja kaum noch gepflegt. „Hinters Licht geführt“ ist da wahrlich
ein Hoffnungsschimmer.
Natürlich
kann man von einem gerade einmal 31-Jährigen noch nicht die künstlerische Reife verlangen, welche
diese Altmeister ausgezeichnet hat. Alexander Merk ist jedoch auf einem sehr erfolgversprechenden Weg.
Hoffentlich findet er weiterhin Veranstalter, die den Mut aufbringen, etwas
derart „Unzeitgemäßes“ anzubieten, das, wie der legendäre Marvelli jr. es einmal formuliert hat, „den Verstand stillstehen lässt, aber die Herzen bewegt“.
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