Ich muss mich oft tagelang überwinden, um mir Fotos oder Videos meiner Auftritte anzusehen, die mir wohlmeinende Leute öfters zuschicken. Meistens sehe ich darauf die ganzen Dinge, die ich hätte besser machen sollen. Nun gut – ein heilsames Feedback!
Noch schlimmer finde ich es, dass die meisten, welche solche Bilddokumente herstellen, wenig Ahnung davon haben, wie man das gut und interessant hinbekommt. Das gilt ebenso, wenn der Chef der Musikgruppe extra einen „Videofilmer“ bestellt (wovon man bis kurz vor dem Konzert meist keine Ahnung hat).
Die künstlerische Fertigkeit solcher Kameraschwenker erschöpft sich meist darin, mich so unvorteilhaft wie möglich abzulichten – also dann auf den Knopf zu drücken, wenn ich gerade möglichst blöd schaue, schief und krumm dastehe oder mir der halbe Kopf fehlt. Oder die Kamera bleibt eine Minute auf die Lieblingsmusikerin fokussiert, während ich nebenan unter Ausschluss der Öffentlichkeit moderiere oder zaubere.
Gut, wenigstens kriege ich hinterher die Ergebnisse zu sehen und könnte Einspruch erheben. Aber man will die Kollegen ja nicht einschränken und nimmt es hin, dass suboptimales Zeug noch jahrelang im Netz kursiert.
Neulich bei einem Konzert erlebte ich die nächste Stufe des Wahnsinns:
Während man früher meist vor Beginn gefragt wurde, ob man denn fotografieren dürfe, scheint es inzwischen üblich zu sein, dass zahlreiche Zuschauer mit hoch erhobenen Smartphones ganze Passagen knipsen oder auf Video festhalten.
Als Zauberer weiß ich, dass manche Zeitgenossen nachher per Einzelbildschaltung das Geheimnis lüften wollen – und dabei durchaus erfolgreich sein können. Daher achten wir bei der Veröffentlichung meiner Zaubervideos darauf, dass sie „wasserdicht“ sind. Doch wie soll ich es überprüfen, falls ich das Zeug (wenn überhaupt) erst sehe, wenn es zu spät ist?
Bei besagtem Termin kam erschwerend hinzu, dass ich gesundheitlich angeschlagen und durch andere Belastungen ziemlich erschöpft war. Die 30 Grad Raumtemperatur machten es nicht besser. Ich wurstelte mich zwar mit viel Routine halbwegs durch das Programm, und wir bekamen viel Lob und Applaus.
Dennoch macht es mich verrückt, wenn ich daran denke, dass nun Bilder existieren, wo ich sehr wahrscheinlich blass, abgekämpft sowie verschwitzt agiere und dastehe wie ein Schluck Wasser in der Kurve – also ungefähr das Gegenteil von dem, was man auf der Bühne darstellen möchte.
Und weiß einer von uns ganz sicher, wo solche Aufnahmen im heutigen Internet landen? Das Urheberrecht ist die eine Seite – durchsetzen lässt es sich oft nicht.
Klar, unser Fehler war, dass wir im Vorfeld nicht deutlich darauf hingewiesen hatten, Kameras und Smartphones sollten gefälligst in der Tasche bleiben. Möglichst noch ausgeschaltet. Ich werde das bei künftigen Auftritten zur Bedingung machen – auch, wenn das manchen nicht gefallen sollte. Im Zweifel haben sie dann freien Austritt und kriegen ihr Eintrittsgeld zurück.
Ich frage mich nur, in welchen Zeiten wir inzwischen gelandet sind. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Person fotografiert, ohne sie vorher um Erlaubnis zu fragen. Schon gar nicht habe ich je Bilder ohne Genehmigung ins Netz gestellt. Und für die Herstellung eines Smartphone-Videos bin ich eh zu dämlich. Anderen scheint der Besitz eines technischen Geräts den Charakter zu ersetzen.
Wenn ich ein Konzert oder eine andere Aufführung besuche, brauche ich zur Abspeicherung keine elektronischen Schaltkreise. Wenn es schlecht war, freuen sich meine Satire-Synapsen – und im anderen Fall ist in meinem Herzen viel Platz. Das Gefühl, welches sich einstellte, kann ich noch nach Jahren reproduzieren.
Ob Vidioten das nach dieser Zeit noch in ihrem Handyspeicher haben, weiß ich nicht. Ich bin nur sicher: Nützen wird es ihnen nichts. Weil ihnen jedes Gespür für richtige Kunst fehlt. Und sie Bildung mit Abbildung verwechseln.
Manchmal sind das genau die Leute, die sich lauthals über vom Smartphone besessene Jugendliche beklagen…
Recht freundlich werde ich in solchen Fällen zukünftig nicht sein!