Mittwoch, 7. August 2024

Bitte recht freundlich?

 

Ich muss mich oft tagelang überwinden, um mir Fotos oder Videos meiner Auftritte anzusehen, die mir wohlmeinende Leute öfters zuschicken. Meistens sehe ich darauf die ganzen Dinge, die ich hätte besser machen sollen. Nun gut – ein heilsames Feedback!

Noch schlimmer finde ich es, dass die meisten, welche solche Bilddokumente herstellen, wenig Ahnung davon haben, wie man das gut und interessant hinbekommt. Das gilt ebenso, wenn der Chef der Musikgruppe extra einen „Videofilmer“ bestellt (wovon man bis kurz vor dem Konzert meist keine Ahnung hat).

Die künstlerische Fertigkeit solcher Kameraschwenker erschöpft sich meist darin, mich so unvorteilhaft wie möglich abzulichten – also dann auf den Knopf zu drücken, wenn ich gerade möglichst blöd schaue, schief und krumm dastehe oder mir der halbe Kopf fehlt. Oder die Kamera bleibt eine Minute auf die Lieblingsmusikerin fokussiert, während ich nebenan unter Ausschluss der Öffentlichkeit moderiere oder zaubere.

Gut, wenigstens kriege ich hinterher die Ergebnisse zu sehen und könnte Einspruch erheben. Aber man will die Kollegen ja nicht einschränken und nimmt es hin, dass suboptimales Zeug noch jahrelang im Netz kursiert.

Neulich bei einem Konzert erlebte ich die nächste Stufe des Wahnsinns:

Während man früher meist vor Beginn gefragt wurde, ob man denn fotografieren dürfe, scheint es inzwischen üblich zu sein, dass zahlreiche Zuschauer mit hoch erhobenen Smartphones ganze Passagen knipsen oder auf Video festhalten.

Als Zauberer weiß ich, dass manche Zeitgenossen nachher per Einzelbildschaltung das Geheimnis lüften wollen – und dabei durchaus erfolgreich sein können. Daher achten wir bei der Veröffentlichung meiner Zaubervideos darauf, dass sie „wasserdicht“ sind. Doch wie soll ich es überprüfen, falls ich das Zeug (wenn überhaupt) erst sehe, wenn es zu spät ist?

Bei besagtem Termin kam erschwerend hinzu, dass ich gesundheitlich angeschlagen und durch andere Belastungen ziemlich erschöpft war. Die 30 Grad Raumtemperatur machten es nicht besser. Ich wurstelte mich zwar mit viel Routine halbwegs durch das Programm, und wir bekamen viel Lob und Applaus.

Dennoch macht es mich verrückt, wenn ich daran denke, dass nun Bilder existieren, wo ich sehr wahrscheinlich blass, abgekämpft sowie verschwitzt agiere und dastehe wie ein Schluck Wasser in der Kurve – also ungefähr das Gegenteil von dem, was man auf der Bühne darstellen möchte.

Und weiß einer von uns ganz sicher, wo solche Aufnahmen im heutigen Internet landen? Das Urheberrecht ist die eine Seite – durchsetzen lässt es sich oft nicht.

Klar, unser Fehler war, dass wir im Vorfeld nicht deutlich darauf hingewiesen hatten, Kameras und Smartphones sollten gefälligst in der Tasche bleiben. Möglichst noch ausgeschaltet. Ich werde das bei künftigen Auftritten zur Bedingung machen – auch, wenn das manchen nicht gefallen sollte. Im Zweifel haben sie dann freien Austritt und kriegen ihr Eintrittsgeld zurück.

Ich frage mich nur, in welchen Zeiten wir inzwischen gelandet sind. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Person fotografiert, ohne sie vorher um Erlaubnis zu fragen. Schon gar nicht habe ich je Bilder ohne Genehmigung ins Netz gestellt. Und für die Herstellung eines Smartphone-Videos bin ich eh zu dämlich. Anderen scheint der Besitz eines technischen Geräts den Charakter zu ersetzen.

Wenn ich ein Konzert oder eine andere Aufführung besuche, brauche ich zur Abspeicherung keine elektronischen Schaltkreise. Wenn es schlecht war, freuen sich meine Satire-Synapsen – und im anderen Fall ist in meinem Herzen viel Platz. Das Gefühl, welches sich einstellte, kann ich noch nach Jahren reproduzieren.

Ob Vidioten das nach dieser Zeit noch in ihrem Handyspeicher haben, weiß ich nicht. Ich bin nur sicher: Nützen wird es ihnen nichts. Weil ihnen jedes Gespür für richtige Kunst fehlt. Und sie Bildung mit Abbildung verwechseln.

Manchmal sind das genau die Leute, die sich lauthals über vom Smartphone besessene Jugendliche beklagen…

Recht freundlich werde ich in solchen Fällen zukünftig nicht sein!


 

Mittwoch, 20. März 2024

Kunst kann weg

„Was macht die Kunst?“ „Prinz, die Kunst geht nach Brot.“ (Lessing: Emilia Galotti)

Um es gleich vorweg zu sagen: Mir könnten die Gagen für meine Auftritte als Moderator und/oder Zauberer eigentlich völlig egal sein. Ich brauche sie bestimmt nicht zum Leben. Daher spende ich sie ohnehin meiner Lieblings-Organisation, der Deutschen Welthungerhilfe.

Ich bin allerdings schon dafür, dass wir nicht „für lau“ oder zu einem besseren Taschengeld arbeiten. Einfach, weil sonst der Respekt für Kunst – und auch Künstler – verlorengeht. Eine Vorstellung oder ein Konzert bedeuten für jeden von uns einen erheblichen Arbeitsaufwand: Allein für das Schreiben oder Überarbeiten meiner Moderationen, die Programmplanung und Vorbereitung, das Einpacken der Requisiten sind mindestens 5 Stunden nötig, dazu kommen Anfahrt, Auf- und Abbau vor Ort und der Auftritt selber mit durchschnittlich weiteren 5 Stunden. Natürlich auch die Fahrkosten, Parkgebühren etc.

Wenn man dann hinterher eine Gage von 50 Euro erhält, sind das 5 Euro pro Stunde – und das liegt weit unter dem derzeitigen Mindestlohn von 12,41 Euro. Für das Geld würde kein Arbeitsloser eine Stelle annehmen.

Eigentlich müsste man Gigs zu solchen Bedingungen ablehnen. Aber in vielen Fällen ist das nicht meine alleinige Entscheidung – und sicherlich lockt auch der Wunsch, sich wieder einmal „ausprobieren“ zu können. Vor allem, wenn Anlass und Ambiente verlockend klingen. Und so lässt man sich nicht selten auf Vorstellungen ein, die wirtschaftlich eine Katastrophe sind. Unterm Strich muss man manchmal froh sein, nicht noch Geld mitbringen zu müssen!

Nach meinen Erfahrungen führt das bei Gastgebern überhaupt nicht dazu, die finanzielle Zumutung nun etwa durch einen erhöhten Service auszugleichen. Öfters ist das Gegenteil der Fall. Es scheint die Einsicht vorzuherrschen: Was kaum etwas kostet, kann auch nicht viel wert sein. Die organisatorischen Umstände interessieren eher wenig. Unter welch abenteuerlichen Bedingungen ich beispielsweise schon oft meine Requisiten herrichten musste, ist kaum auszudenken. Begriffe wie „Garderobe“ sind für manche Gastgeber ein Fremdwort.

Dazu kommen nicht selten Stillosigkeiten der besonderen Art: Obwohl die Veranstaltung schon wochenlang vorher abgesprochen war, fragt der Organisator gerne zwei Minuten vor dem Beginn. „Und wie soll ich Sie jetzt ansagen?“ Mir liegt da auf der Zunge: „Am besten gar nicht!“ Manchmal wird diese Frage sogar vor dem Publikum gestellt: „Wie nennt sich Ihre Gruppe?“ Die Botschaft: „Ist doch wurscht, euch merkt sich eh keiner!“

Auch die Einsicht, dass es sich bei unseren Konzerten nicht um „Hintergrundmusik“ handelt, ist nicht allgemein verbreitet. Nicht mal im Tango. Da wird fröhlich weitergeschwafelt – selbst beim Tanzen.

Wie das Publikum den Geldwert eines längeren Programms einstuft, erfährt man, wenn „für den Hut“ gespielt wird. Was die Besucher durchschnittlich „spenden“, liegt pro Person nicht viel über 5 Euro. Für das Geld kämen sie nicht einmal in eine Kinovorführung, von den üblichen Konzertkarten ganz zu schweigen, für die man meist nicht unter 30 Euro löhnen muss – Grenze nach oben offen.

Die Besitzer von Veranstaltungsorten langen da ganz anders zu: Für einen Saal mit 200 Plätzen sind 300 Euro Miete pro Abend eher günstig. Gelegentlich darf man zusätzlich für die Saalreinigung" Kohle berappen. Will man den auf der Bühne stehenden Flügel nutzen, kostet das weitere 150 Euro. Das Geld muss dann erstmal reinkommen, wenn man überhaupt an eine Gage denken will! Daher ergibt sich die absurde Situation, dass wir manchmal ein eigenes E-Piano nutzen, welches dann neben dem zu teuren Steinway steht…

Ich weiß, dieser Artikel wird nicht viele Leser erreichen, da er keine gute Laune macht und sich viele betroffen fühlen könnten. Aber vielleicht denken einige bei der nächsten Livemusik auf einer Milonga oder dem nächsten Konzert doch darüber nach, was eigentlich den Künstlern zustünde. Sie haben ja viele Jahre Unterricht genommen, geübt und sich gewissenhaft auf ihre Darbietung vorbereitet. Das verdient nicht nur Applaus, sondern auch eine finanzielle Vergütung, für die man sich nicht schämen muss.

Fußballprofi müsste man sein! Dann ginge in der 1. Bundesliga unter 400000 Euro pro Jahr nichts. Jeder Kicker kassiert also täglich mindestens 1100 Euro – ob er spielt oder nicht.

https://www.sport.de/diashow/sl4404/die-durchschnittsgehaelter-der-bundesligisten/#slide=1;

„Ist das Kunst oder kann das weg?“ lautet ein Buchtitel von Christian Saehrendt. Die Redewendung stellt die Erkennbarkeit und Wertschätzung mancher moderner Kunstwerke in Frage. Wenn man aber untersucht, mit welchen Gagen und Auftrittsbedingungen viele Künstler konfrontiert sind, lautet dieser Satz besser:

„Das ist Kunst, kann also weg!“   

P.S. Vielleicht sollte man öfters einen Eklat wagen wie beim Festakt „100 Jahre Burgenland“, als der Musiker Alexander Köck eine unerwartete Rede hielt:

Ich möchte mich bei allen bedanken, aber ich möchte trotzdem etwas sagen. Ich habe mitbekommen, dass die Damen und Herren da drüben im Orchester heute 30 Euro fürs Spielen bekommen. Ich finde das in einem Kulturland Burgenland, bei ‚100 Jahre Burgenland' in einem sozialdemokratischen Land, beschämend, ich finde es besonders beschämend nach Corona, und noch beschämender finde ich es, wenn man weiß, dass während Corona genug Geld dafür da ist, dass es zwei Intendanten bei den Seefestspielen Mörbisch gibt."

Das provozierte den ORF-Moderator und Intendanten der Seefestspiele Mörbisch, Alfons Haider, zu einer Entgegnung, bei der er unter anderem darauf hinwies, die jungen Musiker seien schließlich noch keine Profis, sondern Musikstudentinnen und Studenten. Zudem erhielten sie Fahrkosten plus Verpflegung.

Die jungen Leute schien das nicht zu überzeugen.

https://www.youtube.com/watch?v=S_YFABsTc2Q