Kürzlich machte man mich auf den deutschen Zauberkünstler Marc Weide aufmerksam, der in einer Sendung der ARD beim Gastgeber Eckhart von Hirschhausen auftrat.
Ich beschäftige mich schon länger nicht mehr mit den Stars der deutschen magischen Szene, wobei ich zugeben muss: Marc Weide nicht zu kennen ist sicherlich eine Bildungslücke. Mit 11 Jahren begann der Mittdreißiger seine Zauberkarriere, er konnte sich mehrfach bei deutschen Meisterschaften platzieren und wurde 2018 Weltmeister in der Sparte „Parlour Magic“ (Salonmagie). Zudem arbeitete er als Fernsehmoderator.
https://de.wikipedia.org/wiki/Marc_Weide
In der oben genannten Sendung stellte er sich einer besonderen Herausforderung: Kann er vier prominente Gäste täuschen?
Ich habe mir das Programm angesehen und muss sagen: Das magische Können des Zauberers ist wirklich Weltklasse. Auch in meinen besten Zeiten hätte ich als Amateur einen großen Bogen um fast alle Effekte gemacht (soweit mir der technische Hintergrund überhaupt klar ist). Weiterhin verfügt Marc Weide über großes Showtalent, platziert seine rhetorischen Pointen sehr geschickt und kann sich auf seine Gäste wirklich gut einstellen. Er hat sich seinen Applaus redlich verdient!
Um die Spannung nicht herauszunehmen, will ich den Ausgang der „Challenge“ nicht verraten. Es sei nur so viel gesagt: Wie ich auch aus eigener Erfahrung weiß, ist es für einen Mann deutlich schwieriger, andere Männer zu täuschen – vor allem im Eins zu Eins-Kontakt. Für dieses Geschlecht gerät ein solches Unternehmen fast stets zur Konkurrenz um Ruhm und Ansehen. Spaß am magischen Effekt haben die Kerle höchstens, wenn sie ihn durchblicken (oder es jedenfalls meinen).
Aber ich rege mich schon gar nicht mehr darüber auf, dass Zauberkünstler heute unentwegt Laien-Mitspieler benötigen, um sie mit ihren Künsten zu traktieren. Mal einfach allein zaubern gilt als uncool. Mich selber würde es nerven, als Gast ständig mit irgendwelchen Aufgaben beschäftigt zu werden. Manche Künstler verwenden es gar als Drohung, gleich jemanden auf die Bühne zu holen. Aber egal – darüber habe ich längst geschrieben:
https://diemagiedesgr.blogspot.com/2020/04/der-zuschauer-als-helfer.html
Alles wird auf den nackten Effekt reduziert: Ein Tuch verschwindet aus einer Flasche, eine unterschriebene Karte landet in der Brieftasche, das T-Shirt des Künstlers wechselt die Farbe.
Die Aussage der magischen Ereignisse spielt keine Rolle. Magier, die Geschichten erzählen, den Vorgängen eine Bedeutung verleihen, sind offenbar ausgestorben.
Für mich das Schlimmste: Der Künstler hat sich hier einer Herausforderung zu unterziehen, wie viele Zuseher er zu täuschen vermag. Ich habe heute eine Musikerin gefragt, ob sie sich auf einen Wettbewerb einließe, wie viele Töne eines schwierigen Stücks man falsch spiele. Sie war vom Vorschlag nicht begeistert. Wer gewinnt dann? Sicher derjenige, welcher die Partitur mit technischer Perfektion umsetzt. Ausdruck, Interpretation, Stimmung? Gar die Botschaft der Musik? Darauf kommt es dann nicht an. Hauptsache „richtig“…
Ich hätte mich nie auf eine „Challenge“ eingelassen, in der festgestellt wird, welchen Anteil des Publikums ich täuschen kann. Für mich geht diese Frage meilenweit an dem vorbei, was Zauberei sein und bewirken kann.
Ich behaupte: Gerade im Zeitalter des Internets kriegt man die Wie der meisten Effekte heraus, indem man lange genug googelt. Was die Suchmaschinen nicht liefern, ist die zauberhafte Stimmung eines gelungenen Auftritts.
Im Lauf der vielen Jahre (Amateur-)Zauberei hat mich immer weniger interessiert, wer „auf den Trick kommt“. Es gibt halt Leute, deren Gefühle man kaum erreicht, die mit Eiseskälte analysieren, was man tut – und wie es geht. Na gut, sollen sie! Untersuchen die dann bei einem Gemälde die Herkunft der Farben und den Bau der verwendeten Pinsel? Für sie ist die Zauberei eh nichts – vielleicht sogar die Kunst insgesamt.
Natürlich heißt das nicht, dass man auf der Bühne technisch unfertiges Zeug bieten darf. Sonst würde man ja auch die mit der Nase auf das Geheimnis stoßen, welche es gar nicht wissen wollen.
Die Zauberei setzt ein stillschweigendes Einverständnis zwischen Magier und Publikum voraus: Der Künstler verbirgt etwas, das für den Zuseher Nebensache ist.
Weil es beiden um etwas anderes geht.
Und hier der Link zur Show (abrufbar bis 18.1.27):
https://www.ardmediathek.de/video/die-hirschhausen-show-was-kann-der-mensch/kann-zauberer-marc-weide-hirschhausens-prominente-gaeste-hinters-licht-fuehren/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtODVlM2VlMjAtYjM1ZC00MjliLTk0OGItZDk1YTk3ZjA2M2U1
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