Eine Zugabe bezeichnet im
Konzertbetrieb ein zusätzliches, nicht im Programmheft angeführtes Musikstück.
Oft handelt es sich um zuvor geplante Zugaben.
Vor allem in der Popmusik, aber auch
im Bereich der „klassischen“ Musik werden die herausragenden, vom Publikum
besonders erwarteten Hits der jeweiligen Vortragenden oft in die Zugaben
verlegt. Ein Beispiel dafür sind der Donauwalzer und der Radetzkymarsch, die
nie im offiziellen Programm des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker
stehen, sondern jedes Jahr aufs Neue (scheinbar) vom Publikum „erklatscht“
werden müssen. Bei den Berliner Philharmonikern ist dies der 1904 komponierte
Marsch Berliner Luft.
Wenn
man heute eine künstlerische Darbietung besucht, sollte man viel Zeit mitbringen. Das Publikum, so
hörte ich neulich von einem Musiker, erwarte eine Programmdauer von mindestens
zwei Stunden.
Also,
ich nicht.
Mir
würde eine Vorstellung reichen, die so kurzweilig
ist, dass ich mir über deren Länge gar keine Gedanken mache – jedenfalls bis
zum Schluss. Und da möchte ich dann eher bedauern, dass es schon vorbei ist.
In
der Realität jedoch gelingt mir das
selten. Auch wenn ich ein Programm ganz gut (oder zumindest nicht schlecht)
finde, sorgen Veranstalter und Aufführende meist dafür, dass mir gegen Ende die
Chose zum Hals heraus hängt. Gut Ding
will ja angeblich Weile haben –
schlecht Ding offenbar umso mehr:
Manchmal
beginnt es schon damit, dass es zu spät
anfängt. Aus unerfindlichen Gründen schaffen es die Künstler, obwohl sie
seit Stunden zur letzten Probe oder zumindest zum Einspielen im Haus sind, nicht rechtzeitig auf die Bühne –
vielleicht gibt es ja noch ein Problem mit der Tontechnik, oder man wartet auf
einen „Ehrengast“. Selber hat man sich dann öfters (wegen der „freien Platzwahl“)
den Hintern schon eine halbe Stunde plattgesessen, oft genug in engster „Käfighaltung“.
Sehr gemütlich…
Und
ja: Ich hasse es, bei Veranstaltungen zu
spät zu kommen und dann den Ablauf zu stören. Die sonstigen Beteiligten scheinen
solche Probleme nicht zu plagen.
Aber
selbst wenn es pünktlich anfinge, geht es ja noch lange nicht los: Kaum einmal
ereilt mich die Gnade, dass es keinen Vorsitzenden eines Konzertvereins oder
vergleichbaren Kulturfunktionär gibt,
den es zu einer „kurzen“ Vorrede
drängt. Da wird mir meist schon mal erzählt, wie toll ich die auftretenden Künstler finden müsse, was mir natürlich
viel Arbeit abnimmt. Vielleicht gibt es ja auch noch ein Jahresprogramm, das man, ebenso wie die „Ehrengäste“, unbedingt vorstellen muss. Und hat man besonders viel
Pech, waltet über der Veranstaltung noch ein „Schirmherr“ genannter Lokalpolitiker, welcher selbstverständlich
auch noch reden darf.
So
ist schon mal eine Viertelstunde rum, bevor der erste Ton erklingt.
Eine
weitere, sehr effektive Strategie, dem Publikum Zeit zu stehlen, ist die Moderation. Nun ist es zwar nützlich
und anregend, den Zuschauern statt eines Programmzettels einen lebenden Menschen
zu präsentieren, welcher sie durch den Ablauf begleitet – dennoch bin ich der
Meinung: Es wird auf der Bühne viel zu
viel gequasselt. Am schlimmsten wird es, wenn die Musiker selber meinen, intelligente
und witzige Sätze bilden zu können. Während einem bei einem externen Ansager zumindest
die Hoffnung auf rhetorisches Talent verbleibt, gilt für Sänger und
Instrumentalisten zumeist: Nein, das können sie
nicht!
Einen
wichtigen Zeitfresser bietet die Pause,
ohne die ein Programm nicht vollständig wäre und welche meist gnadenlos
überzogen wird. Im heutigen Kunstbetrieb besteht offenbar die ständige Gefahr
der Dehydrierung des Publikums,
weshalb bisweilen schon vor Beginn Getränke
verkauft werden. Man kann sich daher fest darauf verlassen, dass bei einem
seelenvollen Adagio irgendein Depp seine Wasserflasche umschmeißt und für einen
hohen Klirrfaktor sorgt.
Aber,
seid getrost, in der Pause gibt es ja Nachschub! Teilweise wird sogar Essbares
angeboten, was deren Dauer locker auf eine halbe
Stunde ausdehnt (und auch die Nebeneinnahmen des Hausmeisters
garantiert). Sollte sich zum Ende des ersten Teils so etwas wie Stimmung aufgebaut haben, darf man
diese nach der langen Unterbrechung künstlerseits erst wieder von vorn aufbauen.
Ich finde daher: Ein Programm von 90
Minuten sollte allen Beteiligten ohne bleibende Schäden am Stück zumutbar sein – und
für eine Zeitüberschreitung muss
es wahrlich gute Gründe geben. Der beste: Man hat einfach so viel grandioses Material. Was daher bei den Wiener Philharmonikern gut gehen kann, sollte man beim „Musikkorps Bisping an der Knatter" tunlichst vermeiden!
Der
große Kurt Tucholsky hat ja längst
die Richtung vorgegeben:
„Wat jestrichen is, kann nich durchfalln.“
Daher
ist es völlig daneben, die Darbietung durch Mittelprächtiges bis Unnötiges aufzublähen, um die wenigen „Kracher“
in meinen Lieblings-Abschnitt zu verschieben: die Zugabe.
Die
hat sich ja längst zu einem eigenen, dritten
Programmteil entwickelt. Unter drei
Zugaben macht es heute keine Dorfkapelle – auch wenn die eigentlich kaum
einer möchte. Meist erkennt man das schon daran, dass die Musiker noch während
des Schlussapplauses die Noten für die nächste Nummer auflegen. Und die
Zuschauer wissen natürlich ebenso, was von ihnen erwartet wird, und klatschen sich
brav und rhythmisch in die unvermeidliche
Verlängerung.
Was
eigentlich für die (seltenen) Fälle reserviert war, wo das Publikum von einer
Darbietung so berauscht war, dass es die Künstler noch nicht gehen lassen
wollte, ist immer mehr zu einem dämlichen
Ritual verkommen.
Damit
findet eine Art gegenseitige Affirmation
von Bedeutung statt: Das Publikum macht sich vor, großer Kunst ausgesetzt gewesen zu sein – und die Mitwirkenden
bestätigen sich in ihrer Wichtigkeit, weil mehrere Zugaben verlangt wurden. Ich
wünsche mir in diesen Situationen einmal den Zwischenruf: „Nee, lasst mal…“
Der
große Altmeister der Zauberkunst, Punx,
hat zu einem seiner besten Kunststücke, dem „Märchen von den vier Wünschen“,
geschrieben, es sei ein „Schlusstrick“: „Danach geht nichts mehr.“
Soll
heißen: Ich muss mir doch als Künstler selber überlegen, mit welchem Schlusseindruck ich mein Publikum entlassen möchte: Doch bestimmt nicht mit dem, bereits übersättigten Zuhörern noch
ein Stück ums andere reinzudrücken! Und ich habe es schon erlebt, dass zwischen
dritter und vierter Zugabe dann noch Webseiten, Konzerttermine und CDs
angepriesen wurden. Da fehlen echt nur noch die handgemachten Wurzelbürsten sowie
das Patent-Fleckenwasser… Dult statt
Kult!
Von
meinen Zauberauftritten weiß ich:
Für die Dauer einer Schulstunde reicht die Konzentration so gut wie immer – und
„abendfüllend“ ist man, so es gewünscht wird, nach 90 Minuten durchaus. Zugaben liefere
ich nie – auch wenn sie verlangt werden sollten. Um dies zu verhindern, kündige
ich inzwischen mein letztes Kunststück als „Zugabe“ an.
Und
das schönste Kompliment, dass ich als Künstler bekommen kann, ist doch: „Das hätte ruhig länger dauern dürfen.“
Überlassen
wir daher den Satz „Derfs a bissel mehr sein?“ wieder den Metzgerei-Fachverkäuferinnen,
welchen das geforderte Pfund Hackfleisch mit 580 Gramm etwas üppig geraten ist.
Da sage ich gerne ja, zumal es
länger dauern würde, die Portion bis zum Wunschgewicht auseinander zu polken.
So
bin ich auch dort wieder früher aus dem Laden heraus…
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