Das Publikum fühlt sich am wohlsten, wenn eine Mittelmäßigkeit zu ihm
redet.
(Oscar Wilde)
Wer
„nur“ zaubert oder – wie ich seit längerer Zeit zunehmend – mit Musikern
zusammen auftritt, sollte wissen: Es gibt zwei grundlegend verschiedene Arten von Auftritten.
Im
einen Fall kommen die Zuschauer, weil sie genau
diese Künstler, dieses Programm erleben wollen. Meistens mussten sie dafür Eintritt bezahlen. Fast immer verfolgen
sie dann die Vorstellung ruhig und
konzentriert. Man hat die Chance, wirklich nach der eigenen Leistung beurteilt zu werden – ist man also gut genug,
erhält man großen Beifall und herzliche Zuwendung. Und wenn nicht, liegt es an
einem selber.
Die
andere Möglichkeit besteht darin, dass ein Veranstalter
meint, das Programm könnte für seinen
Event passen. Die Gäste haben
oft keine Ahnung davon (wird ja
teilweise als „Überraschung“ geplant) und sehen sich plötzlich irgendeiner
Performance ausgesetzt. Das Risiko ist groß, dass einige oder gar viele mit dem
Auftritt wenig bis nichts anfangen
können – ist halt nicht ihr Geschmack.
Oder, noch schlimmer, sie hatten sich vor allem auf ein opulentes Essen, einen gemütlichen Ratsch gefreut – und nun das!
Manchmal
hat man dann von vornherein den Eindruck, von einem (manchmal sehr großen) Teil
des Publikums geradezu ignoriert zu
werden. Selbst simple Blickkontakte kommen nicht zustande. Da wird fröhlich
geplaudert, gegackert und gelacht. Mikrofone
helfen nur bedingt – dann muss man halt noch lauter schreien, damit der
Gesprächspartner einen versteht. Und man darf sich auch gerne auf Beschwerden einstellen, die Verstärkung
würde als „zu laut“ empfunden (wohlgemerkt: nicht das Gequatsche im Publikum)…
Wer,
wie ich – als Zauberer und Moderator – mit Texten
arbeitet, den trifft es natürlich besonders hart: Die müssten die Leute ja zunächst verstehen, um sie dann eventuell zu kapieren. Man kann ja nicht, wie die Musiker,
sein Programm einfach runterspielen – komme, was da wolle.
Aber
selbst bei denen merke ich dann, dass ihre Stücke nicht so frei und inspiriert
klingen wie sonst. Klar – die ganzen Störfaktoren
sind absolute Konzentrations-Fresser:
Man kann seine Texte, die Musik nicht mehr so
prägnant und locker umsetzen wie sonst, hängt stärker am Manuskript, und auch
die Zaubereffekte geraten fummliger,
verlieren ihren Rhythmus, ihre Eleganz.
Ich
habe mich in solchen Situationen schon öfters beim Gedanken ertappt: Was
tue ich mir den ganzen Scheiß überhaupt an? Interessiert doch eh
keinen! Dass dies die künstlerische
Ausstrahlung deutlich herunterfährt, ist klar – auch, wenn man sich natürlich
bemüht, äußerlich locker und bei bester Laune zu bleiben. Und sicherlich lernt man bei jedem Auftritt etwas – und sei es nur Krisen-Management...
Grundsätzlich
verdienen die Zuschauer schon Verständnis: Sie sehen sich plötzlich
einer Vorführung ausgesetzt, die sie nicht erwartet haben und welche vielleicht
nicht ihrem Geschmack, ihren momentanen Bedürfnissen entspricht. Wie kann man
dieses Dilemma auflösen?
Ich
meine, es führt kein Weg an einem deutlichen Vorab-Gespräch mit dem Gastgeber vorbei. Ausgangsfrage sollte im
Zweifel sein: „Glauben Sie wirklich, unser Auftritt passt für Ihr Fest?“ Eine
musikalische Einlage kann man als Konzert oder Hintergrundmusik gestalten –
dieser Unterschied muss von vornherein klar sein. Und ein Zauberauftritt oder
eine Moderation erfordert halt stets eine gewisse Aufmerksamkeit. Punkt.
Das
Problem ist nur: Das künstlerische
Verständnis von Veranstaltern –
und das gilt durchaus auch für manche Profis auf diesem Gebiet – passt oft in
einen Fingerhut. Daher muss man in etlichen Fällen selber die Entscheidung
treffen: „Unser Programm passt für Ihren Anlass leider nicht!“
Klar:
Wir alle wollen lieber Vorstellungen geben als welche absagen. Daher bemühen
wir uns natürlich nach Kräften, es noch irgendwie
hinzukriegen. Aber ohne zumindest ansatzweise Bemühungen des Gastgebers geht es nicht. Er muss sich zu
einem Lokaltermin bereitfinden, wo
man zusammen die Örtlichkeiten inspiziert und alle nötigen Details bespricht.
Und
gerade wenn noch weitere Darbietungen
geplant sind, hat man sich auf einen halbwegs genauen Zeitplan zu verständigen. Man kann sich nämlich fest darauf verlassen:
Für viele künstlerische Kollegen sind Begriffe wie „Organisation“, „Inszenierung“
oder „Regie“ wahrlich Fremdwörter.
Die Feuerwehrkapelle trifft halt irgendwann ein und möchte dann sofort spielen.
Wo ist das Problem? Und wie lange dauert ihr Programm? Keine Ahnung – kommt
halt drauf an…
Ich
habe schon Veranstalter erlebt, die
es als unsägliche Zumutung empfanden,
sich um die einfachsten Voraussetzungen für ein Gelingen zu kümmern, vielleicht
sogar einen Mitarbeiter zur „Künstlerbetreuung“ abzustellen. Schließlich hat
man den Artisten einen Auftritt ermöglicht, zahlt ihnen eventuell sogar eine
Gage – den Rest sollen sie gefälligst alleine machen!
Nö,
Leute, so wird das nix! Leider sind eure Gagen
dann doch nicht hoch genug, dass ich – anders als die „Rolling Stones“ – einen größeren
Stab von Roadies anstellen kann, die
mir schon Stunden vor dem Auftritt alle Probleme aus dem Weg räumen. Dann
engagiert lieber den „Akkordeon-Rudi“
oder „Fritz mit seiner singenden Säge“:
Die brauchen außer Instrument, Stuhl und Notenständer höchstens noch Freibier!
Vielleicht passt das auch eher zum vermutlichen Niveau des Events.
Und
man könnte als Gastgeber den Programmpunkt bereits vorab veröffentlichen und auch bei der Veranstaltung ansagen – vielleicht sogar mit der
Bitte, das Ganze aufmerksam zu verfolgen. Man hätte dann eher ein „Heimspiel“, als wenn einem zugemutet
wird, einfach vor die nichtsahnenden Zuschauer zu treten und anzufangen. Manche
Veranstalter scheuen eine Ankündigung wie der Teufel das Weihwasser. Ich werde den Verdacht
nicht los, dass sie im Fall des Misslingens
lieber nicht schuld sein wollen – keine Ahnung, woher diese Künstler plötzlich
kamen…
Aber
um nun doch noch zur „Publikums-Beschimpfung“
zu gelangen:
Sicher
habe ich meine eigenen Erwartungen,
wenn ich zu einer Festivität
eingeladen werde. Und denen entspräche es bestimmt nicht, wenn nun plötzlich
ein Chor auftreten und mich eine Dreiviertelstunde mit Gregorianischen Chorälen traktieren würde. Ich sehe dann zwei
Möglichkeiten: Entweder die Veranstaltung diskret zu verlassen oder den
Auftritt mit einem Minimum von Höflichkeit zu ertragen.
Was
ich stattdessen schon erlebt habe, ist wahrlich unsäglich: So findet man offenbar nichts dabei, nicht nur die
Vorstellung mit akustischen Immissionen zu stören, nein! Man schlendert
beispielsweise knapp 50 Zentimeter vor mir vorbei, als ob da gar nichts wäre,
fragt mich bei laufender Moderation, wie lange es noch dauere, ob ich mein
Mikrofon nicht besser einstellen könne, oder hantiert unaufgefordert an der
Lautsprecheranlage herum, weil es offenbar zu laut, zu leise oder sonst was
ist. Für nicht zu dämlich hält man auch laut geäußerte Anregungen, was die
Musiker stattdessen spielen sollten…
Steigt
von diesen geistigen Triebtätern
demnächst auch mal bei einer Faust-Inszenierung einer auf die Bühne und bittet
den Mephisto, doch nicht gar so zynisch daherzureden?
Ich
glaube, es fehlt manchen Zuschauern einfach das, was ich als „sozial angemessenes Verhalten“
bezeichnen möchte: Man sieht einfach keinen Unterschied mehr, ob man sich im
eigenen Wohnzimmer, am Stammtisch oder auf einer mehr oder weniger öffentlichen
Veranstaltung befindet. Und vor allem: Dass es sich bei den Künstlern vor ihnen
nicht um digitale Bildschirm-Illusionen
handelt, die man bei Bedarf wegzappen kann, sondern um lebendige Menschenwesen.
Und
die haben viele Stunden, wohl sogar Tage oder Wochen, ihre Musik und Zaubereien
geprobt, der Moderator hat ein Programm erstellt und Texte verfasst. Man hat seine Requisiten eingepackt, ein bis zwei Autos damit gefüllt und eine längere Anfahrt hinter sich, inklusive Transport zum Auftrittsplatz, Auspacken und Einrichten.
Wem
das nicht den mindesten Respekt
abnötigt, eine Vorstellung zumindest ungestört
ablaufen zu lassen, eventuell sogar mit einem Minimum an Interesse, steht in
seinen sozialen Begabungen noch
unterhalb von Küchenschaben.
Die Rollen und Pflichten sind bei einem Auftritt klar verteilt: Damit er gelingt, müssen nicht nur die Künstler ihr Bestes geben, sondern auch Veranstalter und Publikum.
Die Rollen und Pflichten sind bei einem Auftritt klar verteilt: Damit er gelingt, müssen nicht nur die Künstler ihr Bestes geben, sondern auch Veranstalter und Publikum.
Ich
fürchte, viele Verirrungen in
unserer heutigen Gesellschaft wären vermeidbar, wenn man Trotteln wieder öfters sagen würde, dass sie welche sind. Daher
dieser Artikel.
Und
eins steht jedenfalls fest: Wir werden unser Programm nicht auf „Kufstein-Walzer-Niveau" reduzieren, weil es
dann einen bestimmten Menschenschlag eher erreicht!
Foto: www.tangofish.de |
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