Nehmen
Sie die obige Aussage, welche Sie bei fast jedem Telefonat mit entsprechenden
Interessenten hören werden, als Richtschnur Ihrer Arbeit: Vor einem Kinderpublikum ist Minimalismus angesagt! Sie können an
solche Auftritte nicht mit der gleichen Ernsthaftigkeit herangehen wie bei
Erwachsenen: Das wird weder erwartet noch gar bezahlt. Machen Sie es sich daher
nicht schwieriger als nötig:
1.
Zur
Trickauswahl bietet der Zauberhandel
einen großen Fundus von Apparaten,
welche wahlweise als Hase, Zwerg, Rapunzel oder Märchenschloss dekoriert sind. Merke: Comic
bringt Comedy! Achten Sie aber darauf, dass sich Ihnen die Funktion der
Zaubermaschinen bereits nach einmaligem Durchlesen der Gebrauchsanweisung
erschließt und sich daher Ihr Übungsaufwand minimiert. Wie sagte Altmeister
Alexander de Cova so schön? „Es würden
viel mehr Menschen jonglieren, wenn es Jongliergimmicks gäbe.“
2.
Auch
für Ihre sonstige Bühnenausstattung
gilt: Hauptsache bunt! Gerne
versorgt Sie Ihr magischer Dealer mit einer großen Auswahl folienbepappter
Tische, Ablagen und Hintergrunddeko. Mag sein, dass die eigentlichen Requisiten
dadurch optisch kaum noch auffallen – aber für die Kids ist die Zauberei selber gar
nicht so wichtig, kapieren die eh noch nicht wirklich!
3.
Ebenso
kann Ihre persönliche Aufmachung gar
nicht schillernd genug sein – der einschlägige Faschingshandel versorgt Sie hierzu mit dem erforderlichen Quantum
an lustigen Hütchen, Nasen, schreiend bunten Westen sowie clownesken
Beinkleidern. Bei Kindern ist das Geschmacks-, Stil- und Farbempfinden noch kaum
entwickelt – tragen Sie einfach alles, was Ihnen Ihre Eltern in der
Frühpubertät verboten haben! Gar nichts falsch machen können Sie selbstredend
mit dem Zauberer-Archetyp aus
Märchenbüchern (Sternchenumhang plus Spitzhut).
4.
Kinderfreundlichkeit
ist Trumpf!
Diese beweisen Sie vor allem dadurch, dass Sie bei jedem Effekt mindestens zwei
kleine Zuschauer auf die Bühne holen und mittels Hut, Cape oder Bommelnase
lustig einkleiden. Was die dann genau machen bzw. ob es deren Aufnahmevermögen
oder Feinmotorik überfordert bzw. Ihre Routine gar durch längere Dispute
zerfleddert, ist egal. „Mein Kevin durfte auch zaubern!“ – das zählt für die Mütter, welche eh
durch den gleichzeitigen Verzehr von Kaffee und Kuchen an der intellektuellen
Verfolgung Ihrer magischen Strategien gehindert sind!
5.
Texte werden in unserer Branche
chronisch überschätzt, zumal bei Kinderauftritten! Die Kids können längeren
Geschichten sowieso noch nicht folgen, also belassen Sie es bei den stereotypen
Fragen nach dem Vornamen des jeweils assistierenden Kleinen sowie Sprüchen,
welche bereits bei einem IQ von 50 deutlich zur Unterforderung tendieren („Bist du schon verheiratet?“). Merke:
Gerade Schulkinder lieben es bekanntlich, der onkelhaften „Wutzi, Dutzi, Butzi-Sprache“ ausgesetzt zu sein! Sie nehmen es einem
Erwachsenen auch ohne Weiteres ab, wenn er zum zehnten Mal links und rechts
verwechselt oder seinen Zauberstab fallen lässt. Ansonsten erzählen Sie einfach,
was man eh sieht, dann prägt sich das besser ein!
6.
Suchen
Sie stets den Dialog mit Ihrem
jungen Publikum! So ergeben sich rasch interessante
Diskussionen darüber, wer Ihnen als nächstes helfen darf, ob man das momentan
gezeigte Requisit ebenfalls untersuchen könne oder die gerade
dazwischengerufene Trickerklärung zutreffend sei. Lassen Sie es ruhig zu, wenn
das Geschrei bald den Dezibelwert eines startenden Düsenjets erreicht: Für die
auf Abstand gehenden Erziehungsberechtigten entsteht der Eindruck, dass Sie
Stimmung in die Bude bringen, also kein Langweiler sind – und ihr Text ist ja
mangels Vorbereitung eh nicht so toll…
7.
Über
die äußeren Vorführbedingungen
sollten sich weder Gastgeber noch Sie große Gedanken machen: Für die
Kleinen reicht eine nackerte Turnhalle mit Neonlicht, ersatzweise die Wiese
vorm Haus! Bequeme Sitzgelegenheiten
sind unnötiger Aufwand; dank noch geringerer Schmerzempfindlichkeit hocken die
Kinder gerne eine Dreiviertelstunde am Boden und bleiben sicherlich auch auf
ihrem Platz, falls von der Seite geschoben wird oder der Vordermann aufsteht.
Und wenn: Kinder brauchen eben Bewegung! Auch eine Abgrenzung Ihres Vorführbereichs würde lediglich eine unnatürliche
Distanz erzeugen. Sollten die Kids gegen Ende des Programms unter Ihrem
Zaubertisch sitzen oder einige Requisiten fehlen: Sie haben eben bewiesen, dass
Sie echtes Interesse wecken können!
8.
Machen
Sie sich keinen Kopf wegen der beteiligten
Altersstufen! Auch Zweijährige
können Ihrem Programm, das ja kindgerecht gestaltet ist, mühelos folgen. Und
sollte es einmal zu Heulanfällen und anderen akustischen Immissionen kommen: Sie haben ja sicherlich einige
Musiknummern in Petto, um die Unruhe unter einen voluminösen Klangteppich zu
kehren! Andererseits freuen sich gerade pubertierende
Jugendliche, via Kleinkinderprogramm noch einmal in ihre frühere
Erlebniswelt hineinversetzt zu werden…
9.
Verzichten
Sie auf jeden Fall großzügig auf eine Beaufsichtigung
des Publikums! Ob Eltern oder Kindergärtnerinnen: Der Hauptgrund, Sie zu
engagieren, liegt darin, sich einmal eine Stunde Ruhe von den Blagen zu gönnen – es stößt daher auf wenig
Gegenliebe, Erziehungspersonal auch noch während Ihres Auftritts mit Arbeit zu
belasten. Zudem sind solche Situationen für Sie die Gelegenheit, zu beweisen,
dass Sie hundert überdrehte Kids in den Griff kriegen und somit ein
ausgewiesener Pädagoge sind!
10.
Erwarten
Sie für Kinderzauberei keinesfalls die gleichen
Gagen wie bei Vorstellungen für Erwachsene! Es ist ja – richtig, nur für
die Kleinen – Sie haben auch weniger Aufwand beim Vorbereiten und Üben: Die
Kinder durchschauen bekanntlich selbst einfachste Tricks nicht! Und alternativ gäbe es im Kindergarten noch einen Praktikanten, der „auch ein bisschen zaubert“
und gerne kostenlos auftreten würde, um etwas „Erfahrung zu sammeln“.
Apropos:
Mir stellte ein Zauberanfänger einmal die Frage: „Ich soll demnächst in einem Hort für hundert Kinder zaubern. Was soll
ich verlangen?“ Meine Antwort war: „Freien
Abzug!“
P.S.
Etwas sinnvollere Ratschläge finden Sie in meinem Zauberbuch auf den Seiten 154
- 208.
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