„Ein
Anfänger fragt seinen Zauberhändler, ob er etwas Neues hat.
Ein Fortgeschrittener möchte wissen, ob er ihm etwas Altes verkauft.“
Ein Fortgeschrittener möchte wissen, ob er ihm etwas Altes verkauft.“
Woher ich dieses Zitat habe, weiß ich nicht
mehr. Für mich lenkt es aber das magische Denken an einen entscheidenden Punkt:
Während noch vor einigen Jahrzehnten die
Zauberei eher eine „Geheimwissenschaft“ darstellte, welche nur einem eingeweihten
Kreis zugänglich war, kann man heute per Internet vom einfachen Kartentrick bis
zur großen Bühnenillusion alles in Minutenschnelle ansehen und bestellen. Eher reißerische Werbetexte vermitteln den
Eindruck, das so erworbene Equipment würde dann schon die „Zauberarbeit“ für
einen erledigen. In den Katalogen wird der Effekt stets nur aus der – zudem oft
recht optimistisch interpretierten – Zuschauersicht geschildert.
Für relativ viel Geld (mit dem Großteil
bezahlt man das Geheimnis) erhält man anschließend die Hardware inklusive einer
häufig ziemlich frugalen Beschreibung, nicht selten einer knappen Übersetzung
aus dem Englischen (oder Japanischen). Auch wenn die Gerätschaften so halbwegs
funktionieren, erkennt gerade ein Anfänger bald, dass er über die dazu nötige
Geschicklichkeit nicht verfügt. Spätestens nach ein paar nicht sehr
erfolgreichen Vorführversuchen landet das gute Stück dann im Zauberschrank.
Sicherlich gehören Fehlkäufe zu den Erfahrungen,
die einem Neuling in der Zauberkunst nicht erspart bleiben. Mit der Zeit lernt
man vieles genauer kennen und die „Katalogsprache“ von der Realität zu
unterscheiden. Ein Trost: Oft fiel es mir erst Jahre später ein, wie ich ein
bestimmtes Requisit so verwenden konnte (meist weit von der ursprünglichen
Beschreibung entfernt), dass sich eine problemlose Vorführung und ein wirksamer
Effekt ergab.
Nicht nur Zauberhändler, sondern auch
Seminaristen auf den magischen Kongressen profitieren von dem Schlagwort „neu“ – welches ja stets die
Bedeutung „besser“ nahelegen soll. Der
bekannte Kollege Alexander de Cova
beleuchtet derartige Verkaufsveranstaltungen in geradezu satirischer Weise: „Die meisten Seminare, vor allem die von
amerikanischen Kollegen, haben in den letzten Jahren immer mehr den Charakter
von Hausverkaufsparties angenommen. Den Gipfel dieser Praxis habe ich in einem
Seminar erlebt, in dem der Kollege vor der Pause eine säuberlich gedruckte
Liste mit seinen Verkaufsartikeln austeilte und im Detail erläuterte, was er
nach dem Seminar alles zum Verkauf anbiete würde. Eigentlich hat nur noch
gefehlt, dass man ankreuzen soll, was man will, damit in der zweiten Hälfte des
Seminars von den fleißigen Helfern schon zusammengepackt werden kann, und sich
dann jeder nur noch sein Tütchen gegen Bares abholen muss.“ (aus „Secrets N° 2“)
Bei
meinen Kontakten in der magischen Zunft habe ich das Resultat eines solchen
Marketings oft genug erlebt: Hauptsache, man „kauft“ sich einen Effekt, und „neu“ muss er selbstredend sein – sonst
ist er uninteressant. Auch der deutsche Star-Regisseur und „Jury-Papst“ Eberhard Riese bläst in dieses Horn: „Damit
eine Zauberdarbietung Chancen auf Erfolg hat“, müssen für ihn etliche
Kriterien erfüllt sein – an erster Stelle: „Sie
muss neu sein; das heißt neu sein entweder in den Effekten oder in den
Techniken oder in der Präsentation – am besten in allen drei Punkten.“ (aus „Fundamente“)
Alexander de Cova ist da anderer Meinung: „Ist es
wirklich ein Kriterium, zu sagen, ein Trick oder eine Routine seien schlecht,
allein weil sie nicht neu ist? (…) Heute wie vor vierzig Jahren lassen wir
Karten aus dem Spiel verschwinden, um sie an einem anderen Ort wieder
erscheinen zu lassen, bringen wir Asse zusammen, oder finden gedachte oder frei
gewählte Karten in einem ganz normalen, gemischten Spiel wieder. Neu daran ist
vielleicht, dass man heute einen Waschbären braucht, um eine Karte zu finden
oder eine endlos lange, alles motivierende Routine, die den Effekt unkenntlich
macht und die Spannung eines Testbildes im Fernseher vermittelt.“ (aus „Secrets
N° 1“)
Ich
glaube, wir sollten uns lieber bei Klassikern,
die sich seit Jahrhunderten oder länger bewährt haben, einmal gründlich überlegen,
warum das so ist – und den Optimismus behalten, dass sie auch in Zukunft dem
Publikum gefallen werden, wenn man sie überzeugend vorführt. Natürlich muss man
sich um eine zeitgemäße Präsentation bemühen (ohne die Goldfransen am
Zaubertisch oder die Witze aus alten Vortragsbüchern) – aber ich weigere mich
entschieden, „neu“ als Bedingung für Erfolg zu betrachten. In der jahrtausendealten
Geschichte der magischen Kunst wurde schon viel probiert - nur Weniges hat überlebt. Um genau diese Schätze sollten wir uns
kümmern, anstatt krampfhaft das Rad neu erfinden zu wollen. Und keine Angst
davor, dass die Zuschauer „das alles schon kennen“! Wie viele Zauberauftritte
erlebt der durchschnittliche Laie in seinem Leben? Ich vermute da eher eine einstellige
Zahl – und nach meiner Erfahrung kann er meist keinen einzigen der gesehenen
Effekte genauer wiedergeben!
Das
zentrale Beispiel aus meiner eigenen Zauberlaufbahn stellt das Chinesische Ringspiel dar. Eher
zufällig erwarb ich vor langer Zeit einen Satz Ringe und die Routine „Symphony oft he Rings“ von Dai Vernon. Die Beschreibung war, gerade
für einen Anfänger, richtig harter Stoff und beschäftigte mich monatelang. Aber
irgendwann hatte ich mich „durchgebissen“ und den Ablauf erlernt. Schon bei den
ersten Vorführversuchen erlebte ich eine große Resonanz beim Publikum (welche
sicher auf den Effekt und nicht meine Darbietungsweise zurückzuführen war). Ich
wurde allerdings auch mit dem Rat eines erfahrenen Zauberkollegen konfrontiert,
ich solle doch auf die „ausgeleierten
Ringe“, die jeder vorführe, verzichten und mir stattdessen etwas
Eigenständiges und Originelleres einfallen lassen. Zum Glück folgte ich damals
diesem Rat nicht – und wenn es ein einzelnes Kunststück gibt, dem ich meinen
Erfolg und viele Reengagements verdanke, dann ist es sicherlich das Ringspiel.
Zirka 700 Mal habe ich es bislang gezeigt, und so hat sich die lange
Übungsphase wahrlich amortisiert!
Ich
könnte noch eine Menge solcher Beispiele aufführen: Becherspiel, Kubusspiel,
Tuch-Färbung-Ei oder die Punx-Effekte
„Herz aus Glas“ oder das „Märchen von den vier Wünschen“. Wenn man sein Geld
lieber in einen bewährten Effekt oder in eine Reihe guter Zauberbücher investiert, hat man Material ohne Ende, mit dem
man sich lange beschäftigen kann und muss! Magisches „Fastfood“ hingegen macht
auf die Dauer weder satt noch glücklich. Viel später habe ich ein Zitat von Dai Vernon gefunden, das uns zeigt, wie
wenig in der Magie mit „schnellen, Hauptsache neuen“ Effekten geht: „Eine Straße weiter gibt es ein
Musikgeschäft, wo Sie sich vielleicht eine Violine kaufen. Einige Häuser
daneben finden Sie eventuell ein Zaubergeschäft, wo Sie diese Ringe erwerben
können. Aber in beiden Fällen müssen Sie dann nach Hause gehen und lernen, wie
man spielt.“
Nach
meinem Empfinden sind viele Amateurzauberer ihr Leben lang auf der Suche nach
dem „idealen Trick“, der
gleichzeitig neu, undurchschaubar und mühelos vorzuführen ist. Dies aber ist
eine Illusion, welche wir unserem Publikum vorbehalten sollten. Für uns selber
ist sie kontraproduktiv und gefährlich. Geben wir uns lieber Mühe beim Üben als
bei der ständigen Erkundung von „Neuem“!
https://youtu.be/8rWcCuNYcrc
AntwortenLöschenHallo Gerhard
ich glaube, dieser ewige Zwang nach sogenannten neuen Effekten ist für uns effekgiv auftretende Zauberer vor realen Zuschauer kontraproduktiv. In einem Interviue vom grossen Fred Kaps hab ich gehört wie er sagte: ich zeige, was den Leuten gefällt, manchmal auch die Schnurrstäbe!!! - und dies von einem der grössten
Manipulatoren unserer Zeit.
Eigentlich gibt es keine alten Kunsstücke-es gibt nur viele schlecht vorgeführte. Ein Trick zu kennen, auf youtub zu veröffentluchen, ergibt noch keine Abendunterhaltung-wobei das meiste eh nicht real vorführbar ist.
Im Moment arbeit ich an einem alten Zeitungszerreissen von Robert Harbin 1939! Link oben. Sbei ist die Storry-er sitzt im Zug und hat kein Platz seine Zeitung zu lesen-deshalb zerrisst er diese, um diese trotz Platzmangel lesen zu können und als alle aussteigen, hat er wieder Platz und die Zeitung entfaltet sich in voller Grösse. Damit kann sich doch jeder, der U-Bahn, Bus oder Zug fährt identivizieren. Und um das geht es doch-direkte, klare Effekte die die Leute verstehen. Wenn mann die sogenannten neuen Kundstücke genau anschaut und aufs wesentliche reduziert, bleibt meist nur ein einfaches kartenfinden, eine wanderung oder sonst einer der magischen Grundeffekte übrig-mit dem Unterschied, dass sie langatmig wenn nicht sogar langweilig sind. So viel wirklich neues gibt es nicht unter der Sonne. Lieber Gruss-im Moment von Genf-sorry wegen Fehler-schreibe mit handy -Zauberer Bortini-a real performer
Oh sorry- wollte nicht snonym schreiben
AntwortenLöschenLieber Jürg,
Löschenja, dem kann ich nur voll zustimmen: Es gibt keine alten Kunststücke - nur schlecht vorgeführte. Und wir sollten einen Rat von Dai Vernon beherzigen: "Keep it simple".
Das Zeitungszerreißen ist auch so ein Klassiker, aus dem man viel herausholen kann, zumal wenn man es mit einer überzeugenden (und einfachen!) Geschichte verbindet.
Vielen Dank für Deinen Beitrag und herzliche magische Grüße
Gerhard