Ein
Blog leitet sich ja vom „Weblog“ ab, ist also ursprünglich ein elektronisches
Tagebuch. Dies will ich heute einmal wörtlich nehmen und von einem
Zauberauftritt berichten, den wir neulich zu absolvieren hatten – oder, noch
deutlicher gesagt: Viel schwieriger geht’s nicht:
Pfarrfest
auf einer grünen Wiese, kein Podest, nicht einmal eine Abgrenzung des
Vorführbereichs, Seiteneinsicht, hinter uns immerhin ein alter Baum mit einem
angelehnten herrenlosen Fahrrad, Stromversorgung per Kabelrolle vom 15 Meter entfernten Getränkewagen aus, vor uns zirka 200 Gäste an Biertischen, ständiges Kommen und
Gehen, Altersverteilung statistisch. Gottseidank hatte das Wetter sich im
allerletzten Moment zu Sonnenschein entschlossen, wenn auch der Wind es
hartnäckig ablehnte, den aufrechten Stand unseres Paravents zu akzeptieren. Ich
liebe Open-Air-Gigs…
Unserer
Hartnäckigkeit verdankten wir es, dass dem Veranstalter gut 24 Stunden vor
unserer Show doch noch klar wurde, wie sehr die magische Wirkung nicht zuletzt von
ziemlich vielen Details des Umfeldes abhängt – so erhielten wir immerhin einen
Garderobenraum, allerdings 50 Meter von der Spielfläche entfernt. Außer einer
netten Ansage konnten wir keinerlei Werbung für unsere Vorstellung erkennen –
na gut, es waren ja genügend Gäste erschienen (obgleich wohl nicht gerade wegen
uns). Ein erwachsener Besucher fragte meine Frau immerhin, wann „das Ganze“ anfange, und es wäre ja
sicher „was für die Kinder“. Ihre
Antwort „nicht nur“ fand keine
Resonanz.
Bei
solchen Auftritten muss man sich fest vorstellen, alle Anwesenden würden die
Präsentation von der ersten Sekunde an aufmerksam und begeistert verfolgen –
obwohl einem die Optik das Gegenteil zeigt: Altersabhängige Konzentration
lediglich bei den direkt vor einem im Gras sitzenden Kindern,
neugierig-stechende Blicke einiger pubertärer junger Herren, die sich seitlich
angeschlichen hatten und fest davon überzeugt waren, jeden Trick „herauszubekommen“. 80 Prozent der
Erwachsenen nahmen anscheinend von unserer Vorstellung anfangs keinerlei Notiz
– immerhin hatten wir als Opening die „Schirmillusion“
gewählt (zur Musik „Singing in the rain“):
Die großen optischen Effekte lieferten uns wenigstens den Szenenapplaus des
restlichen Fünftels. Trotz Tonanlage und Funkmikrofon war es nicht die Stunde
des Wortes: Verbale Gags verpufften zunächst völlig wirkungslos; auf längere
„zauberhafte Märchengeschichten“ im Programm hatte ich eh verzichtet.
Ein
Dilemma wurde mir an diesem Tag wieder einmal klar: Man hat so viele „tolle, neue Effekte“, die man unbedingt
einmal ausprobieren möchte. Bei „Krisenauftritten“
allerdings (und die werden nach meinem Empfinden immer häufiger) muss man die
gezeigten Effekte „rückwärts und im
Schlaf können“ – am besten auf der Basis einer dreistelligen
Vorführerfahrung. Also werden die „kreativen
Experimente“ mal wieder verschoben…
Was
mich wirklich faszinierte: Innerhalb von 45 Minuten gelang es mir, mich
hinsichtlich der Aufmerksamkeit des Publikums Reihe für Reihe nach hinten zu
kämpfen! In den letzten 15 Minuten hatte ich die Zuwendung von mindestens zwei
Dritteln des Publikums erobert, auch hinsichtlich meiner Moderation. Nach den „Odd Ropes“ und der
Viereinhalb-Minuten-Routine des Ringspiels
wurde mir sogar meine abschließende „Pièce“
im Stil der „Wiener Salonmagie“ abgenommen:
Eine Effektfolge mit Produktionen von Tüchern und Blumen, zu der eigentlich
Parkett, alte Möbel und Frack besser gepasst hätten als die nachmittägliche
Atmosphäre auf der Wiese eines Pfarrfestes. Dazu noch Streicherklänge von Mantovani – altmodischer geht es kaum:
In der Zauberszene würden sich die „Neuerer“ auskäuzen vor Ekel ob solch „verstaubter Darbietungen“. Gutes jedoch
altert nicht: ein deutlicher Applaus, lächelnde Gesichter und das nachherige
Staunen des Veranstalters darüber, dass es „trotzdem“
so schön geklappt hätte. Mehrfaches Dankeschön nebst unaufgeforderter
Überreichung der Gage. Na dann…
Nicht
zum ersten Mal hatten wir bei diesem Anlass das mit Händen zu greifende Gefühl,
wir müssten zunächst den wachsenden Wust von Vorurteilen aus dem Weg räumen,
welche immer mehr den Zugang zur Zauberei erschweren: Die Erwartungshaltung ist
offenbar heute, dass es sich bei einem „Zauberer“
um einen niveaulosen Spaßmacher handle, der irgendwelche simplen Tricks zeige,
welche bestenfalls für die Kinder geeignet seien. Na gut, die Blagen sind für
eine Dreiviertelstunde beschäftigt, aber für uns Erwachsene ist das (im
Gegensatz zum „Musikantenstadel“) nur
Trash, nicht sehens- oder gar
hörenswert.
Ein zauberhafter Blogbeitrag, poetisch beschriebener Sommerwahnsinn mit Grillwürschtle und SÄMPF!
AntwortenLöschenJa, das gibt die Atmosphäre recht gut wieder...
LöschenHerzlichen Dank für den sehr realistischen Beschrieb. GENAU SO erlebe ich das auch-nehme mir seit Jahren vor, eine neue Show mit vwrmeintlich neuen Effekten zu zeigen und muss oder darf dann auf meine bewährten, xfach erpropten und vorgeführten Effekte zurückgreiffen.
AntwortenLöschenDanke, schön dass das auch andere so erleben.
Und mich freut es, mich von einem erfahrenen Kollegen bestätigt zu sehen!
LöschenAber letztlich ist es doch wichtiger, WIE wir etwas zeigen, und nicht WAS. Und wie oft erlebt ein Durchschnittsmensch eine Zaubervorführung? Für den ist vieles neu, vor allem, wenn wir es mit unserer Persönlichkeit verbinden.