Neulich
auf einer Adventsfeier mit stimmungsvoller Musik kam ich auf den
naheliegenden Gedanken, zum Schlusstitel mit dem Kunststück „Wintertime in China“ meinen Auftritt zu beenden. Und
wirklich gelang es in dieser Kombination, das Publikum in den romantischen,
schwerelosen Flair mitzunehmen: Riesenapplaus und verträumte Mienen, als die
Flocken wirbelten!
Der
Pferdefuß traf mich einige Zeit später, als mir der Veranstalter ein
Reengagement in just dem gleichen Lokal mit den Worten anbot: „Ich muss Sie aber vorwarnen – vielleicht werden
Sie vom Wirt schwach angeredet. Die haben sich beim letzten Mal enorm über die
weißen Konfetti geärgert, die Sie verstreut haben.“
Nun
muss man wissen, dass ich keineswegs in einem Fünf-Sterne-Restaurant gezaubert
hatte, sondern in einem Etablissement, welches der Bayer liebevoll als „Dorf-Boaz’n“ bezeichnet: Ein Wirtshaus
einfacher Art, in dem einen nicht nur Maggidünste und altes Frittierfett,
sondern auch der Renovierungsbedarf ohne langes Suchen anspringen. Der Boden:
sauber gekachelt, ohne Perserteppiche. Ich nehme an, der Schaden hätte sich vermittelst
eines starken Staubsaugers, welchen ich in einem solchen Unternehmen eigentlich
voraussetze, binnen weniger Minuten beheben lassen.
Zudem
hatte ich, fragen Sie mich nicht wieso, Kehrichtschaufel und Besen mitgenommen,
um selber zur Reinigung zu schreiten. Aber wie das so ist: Nach der Vorstellung
herrschten Friede, Freude sowie Eierkuchen, niemand sprach mich darauf an, und
meine Musikerinnen hatten es eilig, zum nächsten Konzert zu kommen – in der
Eile verzichtete ich aufs Schneeräumen.
Ich
habe „Wintertime“ bislang zirka
hundertfünfzig Mal vorgeführt, und nur in einem einzigen Fall, welcher mir
allerdings unvergesslich bleibt, hatte man mich auf dieses Problem
angesprochen: Vor Jahren zauberte ich in der Vorweihnachtszeit auf einem
Kindergeburtstag und zog mir aus schwer rekonstruierbaren Gründen den Unwillen
des Töchterleins zu, welches sieben Jahre wurde. Vielleicht hätte ich ihre
ständigen neunmalklugen Sprüche zum tricktechnischen Hintergrund nicht
ignorieren oder sie öfter „drannehmen“ sollen, was weiß ich! Jedenfalls war
Madame mit meiner Darbietung, welche ich mit „Wintertime“ beendete, gänzlich unzufrieden und schloss sich nicht
ihren Freundinnen an, welche sich wie üblich begeistert mit dem „Schnee“
bewarfen. Zudem stand der Herr Vater voll unter ihrem Pantoffel (und vermutlich
auch dem von Mutti), was sie wohl ermutigte, sich mir mehrmals in den Weg zu
stellen und mir anzudrohen, ich käme hier erst raus, wenn ich „den ganzen Dreck“ beseitigt hätte.
Ich
erklärte der Bonsai-Schnepfe schließlich, dass es am Theater Schauspieler und
Bühnenarbeiter gebe, und überließ ihr die konkrete persönliche Zuordnung. Ich
jedenfalls sei ein Schauspieler… Unter den stechenden Blicken von Vater und
Tochter verließ ich damals ziemlich rasch den ungastlichen Ort.
Was
die junge Dame dennoch positiv von den Gaststättenbetreibern unterschied: Sie
hatte mich wenigstens zur Reinigung aufgefordert! Stattdessen ließen Letztere
ihren Unwillen hinterher beim Veranstalter aus. Da ich solche Dinge nicht gerne
im Raum stehen lasse, telefonierten wir umgehend mit den Wirtsleuten und
konnten die Wogen glätten. Unsere Frage, wie es sich eigentlich bei einem
Faschingsball verhielte, wurde jedenfalls eindeutig beantwortet: Auch in dem
Fall seien Konfetti verboten. Da kommt doch Stimmung auf…
Das
eigentliche Elend besteht in der Einstellung eines beträchtlichen Teils der
deutschen Gastronomie: Der Satz vom Gast, welcher König sei, ist offenbar reine
Nostalgie. Man verkauft Essen und Getränke sowie eventuell Hotelzimmer, am
Wohlbefinden der Besucher allerdings ist man kaum interessiert. Manchmal habe
ich den Eindruck, am liebsten wäre es den Wirten, der Kunde würde Mahlzeiten
bestellen und bezahlen, jedoch auf deren Einnahme verzichten – ginge dann noch
müheloser! Der eingeladene Künstler gar gilt für viele als „Störfaktor“, für
den man nun auch noch nach einer Steckdose suchen oder einen Garderobenraum
bereitstellen soll (und wenn es die Kegelbahn ist). Die Chance, dass Gäste, die
sich gut unterhalten fühlen, länger bleiben, mehr bestellen oder eventuell
wiederkommen, wird ignoriert. Wahrlich, wenn ich wieder einmal einen
Gastronomen über sinkende Umsätze klagen höre, schwebt der in höchster gesundheitlicher
Gefahr…
Bin
ich denn völlig aus der Zeit gefallen mit meiner Erwartung, der Gastgeber müsse
auf den Gast zukommen statt umgekehrt? Was oft schon normale Restaurantbesucher
erleben, wenn sie eine Viertelstunde auf die Kellnerin warten, trifft das
Schaustellergewerbe noch weit heftiger: Gewöhnlich wird man schon beim
Eintreffen in die Rubrik „Feuerschlucker,
Bauchtänzerin, Zauberer“ eingeordnet und fürderhin in höchst spiritueller
Weise ignoriert. Und selbst wenn man in weiser Voraussicht auf einen
Garderobenraum und sonstige Hilfestellungen verzichtet und eine „Auspacknummer“
bietet – eingekeilt zwischen einer depperten Anordnung der Tische und dem
dampfenden Großraumbüfett – müssen im Zweifelsfall noch die Konfetti herhalten…
Nun
gut – wir haben den neuerlichen Auftritt am gastlichen Ort unbehelligt vom Wirt
hingekriegt und natürlich keinerlei Effekte mit Konfetti, Flüssigkeiten oder
Bodennebel gezeigt. Als eine meiner Musikerinnen in der Pause von der
Damentoilette zurückkam, berichtete sie mir: „Auf dem Klo schwimmt’s – ich bin gerade auf Zehenspitzen durch die
Bescherung getappt“. Meine reflexartige Vermutung: „Ja, hat denn da ein Kollege die Ganga gezeigt?“
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