Hinter
mir liegt ein Wochenende mit Tango
und Zauberei. Exemplarisch habe ich
wieder einmal die Licht- und Schattenseiten beider Beschäftigungen erlebt. Im
Detail darauf eingehen möchte ich jedoch nicht: Kollegenschelte liegt mir fern,
solange ich mich nicht gezwungen sehe, zu irgendeinem veröffentlichten Mist
Stellung zu beziehen. Allgemein aber sind mir die deutlichen Parallelen meiner beiden Leidenschaften aufgefallen. Daher werde
ich – erstmalig – diesen Text sowohl auf meinem Zauber- wie auch meinem Tangoblog
veröffentlichen.
Die
„Szenen“ dürften zahlenmäßig vergleichbar sein: Die größte deutsche Vereinigung, der „Magische
Zirkel von Deutschland“, hat knapp 3000 Mitglieder. Da die Aufnahme in den
erlauchten Kreis von einer Probezeit sowie vom Bestehen einer theoretischen und
praktischen Prüfung abhängt, dürften sich mindestens zehnmal mehr
Menschen ohne Vereinsmitgliedschaft (wie ich) mit der Zauberei beschäftigen.
Allerdings ist deren Popularität im
Sinkflug begriffen, während Tango derzeit „in“ ist und immer mehr Interessenten (zumindest
eine Zeitlang) anzieht.
Der
„Trick“ spielt in der Magie eine
frappierend ähnliche Rolle wie die „Tanzfigur“
beim Tango. In beiden Szenen hat ein „Dealer“ (ob nun Zauberhändler,
Seminarveranstalter oder Tanzlehrer) nur dann Erfolg, wenn er seinen Verkauf
darauf abstellt. Erfreulicherweise sind allerdings viele Hobby-Magier eher „Jäger
und Sammler“: Sie basteln oder kaufen Requisiten, probieren damit herum und
belästigen vielleicht ihren Familien- oder Freundeskreis, treten aber nicht
öffentlich auf. Im Tango hingegen werden neue „Figuren“ meist nach sehr kurzer
Übungszeit coram publico vorgezeigt – oft zum Leidwesen nicht nur des
Tanzpartners…
Die
dahinter stehenden Legenden aber sind
frappierend ähnlich: Viele Magier
glauben, sie könnten zaubern, wenn sie die Gebrauchsanleitung ihres
Requisitenhändlers halbwegs umsetzen können. Tangotänzer meinen, sie könnten tanzen, wenn sie die
schrittemäßigen Anweisungen ihres Lehrers (oder die hundertmal abgespulte
YouTube-Sequenz) annähernd hinbekommen.
Die
„Experten“ unterscheiden sich in
beiden Bereichen lediglich durch die Herkunft: Im Tango gilt alles Argentinische als schwer angesagt, beim
Zaubern kommen Zelebritäten eher aus den USA.
Das Gewese, welches um das Führungspersonal
gemacht wird, ist jedoch völlig vergleichbar: Dieses verkörpert zweifellos den
wahren Tango respektive die vollkommene Magie. Deren lokale Repräsentanten
nennt man „Veranstalter“ beziehungsweise „Ortszirkelvorsitzende“ – beiden
Gruppen kommt ebenfalls Unfehlbarkeit
zu, jedenfalls im örtlichen Bereich.
Das
Pendant zur grassierenden Workshop-Flut
im Tango sind die Seminare, welche ein
unverzichtbarer Bestandteil insbesondere von Zauberkongressen sind.
Internationale Stars verkaufen dort magische Effekte, welche natürlich nur mit
den angebotenen Requisiten umsetzbar sind. Nach dem Erwerb dieser Utensilien
zum zirka Fünfzigfachen des Materialpreises stellt der magische Novize dann oft
fest, dass der Trick bei ihm nicht annähernd die Wirkung ausstrahlt wie beim Meister. Ein ähnliches Resultat
entsteht bei den Tangotänzern: Ihr holperiges Abtanzen des gekauften Schritts
entbehrt regelmäßig ebenso die Eleganz
der Vorführung durch das argentinische Showtanzpaar. Weder Tangotänzer noch
Zauberer hält dies allerdings davon ab, massenhaft zur nächsten Verkaufsveranstaltung
zu rennen…
Eine
erstaunliche Parallele beider Sparten bilden auch die Anachronismen: In einer teilweise konstruierten Historisierung beschwört man im Tango
musikalisch und verhaltensmäßig die „guten alten Zeiten“ via
Schellack-Geschrammel und Ritualen aus verklemmten, repressiven Zeiten.
Ebenfalls ins Gestern versetzt fühlt man sich in vielen Zaubershows, wo immer
noch das Klischee von Zylindern, Hasen, Zaubersprüchen und Sternchenumhang gepflegt
wird. Auch Glitzer spielt in beiden
Branchen eine wichtige Rolle. Während man ihn beim Tango vor allem beim weiblichen
Outfit (speziell den Schühchen) findet, schmückt er – in ähnlich Augenkrebs
verursachenden Farbkombinationen – die Kisten und sonstigen Gerätschaften der
Hokus-Pokus-Männer. In beiden Bereichen scheint ein zentrales Thema „Rummelplatz“ zu sein: Bei der Magie
eher in Gewand und Sprachduktus der Geisterbahn-Ansager, im Tango speziell im
Habitus von Damen, welche teilweise auch heute noch in den Schießbuden die
neuen Tonröhrchen aufstecken…
Auch
das Geschlechterverhältnis ist in
diesen Branchen frappierend ähnlich: Der große Herr und Meister führt – ob mit
Budapester Schleichern oder Zauberstab – und der Damenwelt bleibt die Rolle der
willenlos Geführten oder liebreizend wirkenden, aber etwas debilen Assistentin –
in beiden Fällen dermaßen gewandet, dass sie dem Illustrierten-Klischee von
Sexappeal entsprechen.
Weil
ja das Wichtigste der Trick respektive die Tanzfigur ist, stellen viele
Zauberprogramme und Tänze eine ziemlich sinnlose
Aneinanderreihung dieser Elemente dar. Um das große Ganze, also die Geschichte, die man erzählt, die Botschaft
oder die Interpretation eines Musikstücks geht es eher nicht: In beiden
Bereichen beendet man das Nachdenken an einem Punkt, wo es gerade erst spannend
werden könnte.
Nicht nur jeder Tango, sondern ebenso alle Zauberkunststücke haben einen bestimmten Rhythmus – mit Modulationen, Pausen, Höhepunkten. Man kann versuchen, dies alles umzusetzen. Man kann es aber auch lassen.
Nicht nur jeder Tango, sondern ebenso alle Zauberkunststücke haben einen bestimmten Rhythmus – mit Modulationen, Pausen, Höhepunkten. Man kann versuchen, dies alles umzusetzen. Man kann es aber auch lassen.
Eine
schlimme Folge davon ist die weitgehende Abwesenheit persönlicher Stile: Im heutigen Tango sieht man – bedingt durch die
gleichförmige Musik und die zahlreichen „Tanzregeln“, austauschbare,
gleichförmige Bewegungen zuhauf. Und in der Zauberei bekomme ich von den
Händlern nach wie vor viele Tricks angeboten, welche man mir auch schon vor 30
Jahren verkaufen wollte. Die Texte, die den Beschreibungen oft beiliegen, sind
immer noch dieselben und werden nach wie vor eins zu eins abgekupfert –
persönliche Kreativität:
flächendeckend Fehlanzeige.
Es
liegt nahe, dass ich mit beiden Szenen meine Probleme habe: Meine Diskussionsversuche mit einer bestimmten Sorte
von Tangomenschen sind hinreichend bekannt und gekennzeichnet von deren
permanenten Unwillen, sich mit meinen Argumenten auseinanderzusetzen.
Stattdessen ergeht man sich in Herabsetzungen meiner Person, meist gefolgt von
Schweigen.
Beim
Zaubern habe ich früher gleichfalls versucht, den Fokus auf die Dinge zu richten,
welche für mich maßgeblich sind: Nachdenken über die Rolle, die man spielt, die
Geschichten, welche man erzählt, die Art und Psychologie der Präsentation, dass
nicht der Trick im Vordergrund steht, sondern der Vorführende, dass die Kunststücke
lediglich Gedanken und Emotionen bebildern.
Mit
beiden Populationen hätte ich sehr gerne kommuniziert – nur: In welcher Sprache? Doch es gibt die
jeweiligen Kampfbegriffe, welche
jeden Widerspruch verstummen lassen: Hier „Buenos Aires“, dort „Profi“.
Maßgeblich ist stets, dass man mit seiner Tätigkeit (zumindest angeblich)
seinen Lebensunterhalt verdient: Dann kann man nicht irren.
In
beiden Bereichen habe ich das Wichtigste dort erfahren, wo das wirkliche Leben spielt: Tango lernt man
vor allem durch tanzen, zaubern durch Auftritte vor realem Publikum. In beiden
Fällen muss man allerdings einen Dialog führen: mit dem Tanzpartner wie mit den
Zuschauern. Wenn man offen für dieses Feedback
ist, kommt man weiter. Setzt man sich den Monologen von Experten aus, dann
nicht.
P.S. So ginge es auch –
aber das können halt die wenigsten…
Hallo Gerhard, einen interessanten blog hast du.
AntwortenLöschenViele Grüße
dein zauberteam
Herzlichen Dank! Auch schon mal in mein Buch geschaut?
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