So
behalten Sie das Ruder in der Hand!
Im Prinzip gibt es zwei Szenarien, wie Ihnen
bei einem Auftritt die Kontrolle
entgleiten kann:
Von Ihnen weg:
Dabei verlieren Sie die Aufmerksamkeit der Kinder, da diese sich mit anderem beschäftigen
(egal, ob dem Sitznachbarn, der umgefallenen Getränkeflasche oder dem
vorbeilaufenden „süßen“ Kätzchen). Die Ursachen liegen entweder in schwierigen äußeren Bedingungen (siehe
voriger Beitrag) oder in Ihrer Darbietung,
welche für das Publikum uninteressant ist
bzw. wird – durch schwache Präsentation
oder (häufiger) ein Überziehen der passenden Vorstellungsdauer.
Hierbei müssen Sie entscheiden, ob Sie
etwaige Störungen von außen sofort abstellen können bzw. noch „Knüller“ im
Programm haben. Lassen Sie auf jeden Fall schwächere Nummern weg und steigern
Sie die Energie Ihrer Aktionen! Notfalls
kommen Sie schnellstens zum Ende, bevor sich beim Gastgeber der Eindruck
eines missglückten Auftritts erhärtet!
Auf Sie zu:
In dem Fall rücken Ihnen Ihre jungen Zuschauer
immer mehr auf die Pelle, sowohl räumlich als auch vom Verhalten her. In der günstigeren
Variante geschieht dies nur verbal:
Die Lautstärke und Frequenz der Zwischenrufe steigt, die Frageform wird immer
mehr zum Imperativ oder Ausruf („Ich möchte jetzt auch so ein Seil haben!“,
„Mich nimmst du nie dran!“ etc.).
Schlimmer noch ist es, wenn die Übergriffe physischer Natur sind: Kleinkinder
krabbeln unter Ihrem Tisch herum oder machen sich an Requisiten zu schaffen.
Der Grund hierfür liegt oft in mangelnder
Prophylaxe (fehlende Abgrenzung des „Zauberbereichs“, Altersgrenze nach
unten offen, keine Betreuer anwesend). Häufiger noch haben Sie vorher eine zu
starke Verringerung der Distanz
zugelassen, um den „Kontakt mit den Kindern“ zu intensivieren. Die eingesetzte Überdosis
produziert entsprechende „Nebenwirkungen“!
Insgesamt sind hier aber die Korrekturmöglichkeiten größer, weil das
Interesse des Publikums ja weiterhin Ihnen gilt! Allerdings müssen Sie umgehend
für mehr Abgrenzung sorgen, etwa durch klare Ansagen („Alle bleiben
hinter dieser Linie!“ oder „Finger weg von meinen Sachen!“).
Rufen Sie, wenn möglich, Betreuer oder Eltern auf
den Plan („Können Sie bitte den kleinen Terroristen hier entfernen?“ –
hart, aber äußerst wirksam). Streichen Sie Nummern mit direkter
Zuschauerbeteiligung und ignorieren Sie alle weiteren Zwischenrufe! Gut
funktionieren dramatische Pausen
mit anschließendem Flüstern („Pst! Habt ihr den Hasen auch schon gehört?“) Leider haben Sie auch in
dieser Situation nicht viel Zeit, den Absturz zu verhindern – sollte das nicht
glücken, müssen Sie umgehend aufhören
(oder die Vorstellung unterbrechen und für bessere Rahmenbedingungen sorgen)!
Selbst wenn ein Krisenmanagement in letzter Minute gelingt – es wird bei den
erwachsenen Gästen nicht unbemerkt bleiben und Ihnen den Ruf bescheren, dass
Sie „nicht mit Kindern umgehen“ können (rangiert heute in den
Charts noch vor Steuerhinterziehung und Schutzgelderpressung).
Daher ist gerade hierbei Vorbeugen besser als Heilen! Neben der Schaffung geeigneter äußerer
Bedingungen kann man im Verlauf des Auftritts viel zur Vermeidung der geschilderten Probleme
tun:
In meinem Hauptberuf als Lehrer habe ich mich
stets an einen Rat gehalten, den ich in der Anfängerzeit von erfahrenen
Kollegen bekommen habe: „Streng anfangen – locker lassen geht später auch
noch!“ Legen Sie zu Beginn nicht gleich eine rangordnungsmäßige Bauchlandung vor Ihren kleinen Zuschauern hin
nach dem Motto „Ich bin einer von euch!“ Das erwarten die Kinder
von einem Erwachsenen (zumal einem Zauberer) gar nicht – ja, glauben es nicht
einmal. Was Sie damit verbreiten, ist lediglich Verunsicherung, und die Kleinen werden sofort nach den neuen „Spielregeln“ fahnden, indem sie
Grenzen austesten.
Stellen Sie den Zusammenhang vom Kopf auf die Füße: Da der Umgang mit
einem Magier für Ihre kleinen Gäste ungewohnt ist, nehmen sie Signale zum
„richtigen“ Verhalten zunächst einmal bereitwillig auf – und wenn Sie
konsequent agieren, bleibt es dabei: Sie sind das Alphatier! Geben Sie sich freundlich, aber zeigen Sie, dass Sie
wissen, was Sie tun, und das auch durchziehen werden.
Nehmen Sie Ihr Publikum
ernst –
völlig unabhängig vom Alter! Meine Anrede in diesen Fällen lautet stets: „Meine
sehr verehrten großen und kleinen Damen und Herren!“ Dieses
Signal transportiert zwei Botschaften:
Ich möchte einem Sechsjährigen den gleichen Respekt entgegenbringen wie einem Sechzigjährigen. Gleichzeitig
deute ich damit an, dass mir die andere Seite ebenfalls Achtung zu zollen hat.
Wiederum kommt es hier zu einer Spiegelung:
Behandle ich die Kleinen als „Rotznasen“, werden sie sich auch so benehmen –
oder im Gegenteil wie „Damen und Herren“.
Wenn Sie auf Zwischenbemerkungen eingehen, gestalten Sie dies mit positiver Zuwendung und geben Sie eine
vernünftige, vielleicht auch witzige Antwort. Erinnern Sie sich daran, dass auch
Erwachsene gelegentlich überflüssige bis dämliche Fragen stellen – und da werden Sie wohl nicht ärgerlich oder
herablassend reagieren!
Tun Sie alles dafür, dem jungen Publikum
einen möglichst perfekten Auftritt zu bieten! Ich glaube fest daran,
dass schon die ganz Kleinen spüren, ob Sie präzise oder schlampig
arbeiten – und ganz sicher werden Unachtsamkeiten nicht „höflich
übersehen“, sondern laut und deutlich benannt.
Testen Sie Routinen, bei denen Sie noch
unsicher sind, ja nicht vor jungen Zuschauern – im Gegenteil: Wenn Ihnen
die technische Seite einer
Nummer vor Erwachsenen keinerlei Schwierigkeiten mehr macht, können Sie
versuchen, sie auf Kinder zu adaptieren. Oft werden Sie merken, dass Sie
wieder mit Problemen zu kämpfen haben,
denn Jüngere ziehen Ihre Aufmerksamkeit
viel stärker von der Handhabung und Präsentation der Requisiten ab.
Eine hohe Kunst in diesem Metier ist das
Gespür, wann eine Pause angebracht und in welchen Fällen diese völlig
kontraproduktiv ist. Vor allem direkt nach einem Zaubereffekt müssen Sie den
Kleinen Zeit geben, das Gesehene zu verarbeiten.
Machen Sie hier zu schnell weiter, kriegen Ihre Zuseher vom Beginn einer neuen
Routine wenig mit. Andererseits gibt es Passagen, bei denen Zwischenrufe gefährlich sind („Du
hast gerade was aus der Tasche geholt!“). Steigern Sie in diesem Moment Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit,
dann ist gar kein „Platz“ für eine solche Irritation (oder sie geht zumindest
akustisch unter). Viele unwillkommene Zwischenrufe sind somit Folgen
eines schlechten Timings.
Manchmal steigert der Vorführende ja die
Lautstärke im Zuschauerraum, indem er via Aufsitzereffekt sein Publikum
zu „Protesten“ animiert. Dann darf er sich allerdings nicht wundern, wenn die
Kleinen das Hineinschreien generell
für ein erlaubtes Mittel halten,
sich am Geschehen zu beteiligen!
Weiterhin bekommen Sie verbale
Einmischungen häufig in zwei Fällen:
Erstens verkennen speziell sehr kleine Kinder
völlig den sozialen Kontext und
beginnen ein „Privatgespräch“ mit Ihnen
(Thema beinahe beliebig). Mein Tipp: Hören Sie kurz, aber ernsthaft zu und
biegen Sie dann rhetorisch ab: „Aha, du hast schon mal einen Hasen
gestreichelt? Toll - meiner kann sogar noch mehr, pass einmal auf…“ Rücken
Sie anschließend ein paar Schritte weg von Ihrem Gesprächspartner, wenden sich
demonstrativ anderen Gästen zu und
überhören weitere Äußerungen. Wenn Sie nämlich öfter darauf eingehen, wird Ihr
Publikum konditioniert, dass man Sie jederzeit
unterbrechen darf – und dann kriegen Sie bald keinen Satz mehr ungestört zu
Ende!
Der andere Fall betrifft eher Kinder um die
zehn Jahre, die eigentlich gar nicht Sie meinen, sondern die restlichen
Zuschauer. Man hat in der Schule schon viel gelernt und möchte diesen Wissensvorsprung
demonstrieren. Folglich „kennt man den Trick schon“, „weiß, wie es geht“
und dergleichen. Eine ernsthafte Antwort Ihrerseits wird gar nicht erwartet, man möchte lediglich mit seinen Fähigkeiten
glänzen und Ihre Reaktion testen. Dies gilt erst recht für Missgeschicke, die Ihnen tricktechnisch unterlaufen und dann geradezu
triumphierend bloßgestellt werden: „Ich
hab gesehen, wie du das machst“, „Der Beutel ist gar nicht leer“.
Umgekehrt gilt übrigens ebenso: Das höfliche Schweigen von Erwachsenen muss
keineswegs bedeuten, dass Sie für alle undurchschaubar gezaubert haben – selbst
bei guter Vorführung gibt es stets „Schlauberger“, die etliche Ihrer Manöver entschlüsseln!
Ihre jungen Kritiker wissen aber nicht zehn
Prozent von dem, was sie vorgeben – oft vermuten
sie eine Lösung oder generalisieren einen
Momenteindruck. (Bestes Beispiel:
Sie bringen ein Kartenspiel zum Vorschein und ernten die Bemerkung: „Das
kenn ich!“ – klar, es muss ja derselbe Kartentrick sein, den der ältere
Bruder immer zeigt. Dass sich die Fachliteratur zu diesem Thema nach laufenden
Metern bemisst, ist selbstverständlich jenseits aller Vorstellungskraft…)
Weiterhin haben Ihre kleinen Gäste nicht wirklich eine Ahnung davon, ob ein
„Patzer“ versehentlich passierte oder zur Routine gehört. Daher mein Rat:
Zwischenfälle dieser Art
sind nur so schlimm, wie Sie darauf reagieren!
Sollten Sie folglich auf einen entsprechenden
Kommentar hin zusammenzucken wie vom Blitz getroffen und anschließend rot
anlaufen, haben Sie ein selber
verursachtes Problem – bleiben Sie dagegen locker und cool, wird der
Einwand wohl grundlos gewesen sein. Auch hierbei müssen Sie also wieder Ihre Körpersprache
trainieren! Natürlich können Sie mit einem lässigen Spruch reagieren, beispielsweise
·
„Ich weiß, wie das geht“: „Ich auch!“ oder „Aber nur für hundert
Euro weitersagen“
·
„Wie geht das?“: „Gut, siehst du doch!“
·
„Gibst du mir auch so ein Bällchen?“: „Nein, das sind meine!“
·
„Den Trick kenn ich schon“: „Okay, dann dreh dich um und schau
weg!“
·
„Ich hab gesehen, wie du das machst“: „Sehr gut, merk dir das!“
·
„Darf ich das Seil mal untersuchen?“: „Nein, ich untersuch dich ja
auch nicht!“
Aber Vorsicht:
Hiermit konditionieren Sie Ihr Publikum ebenfalls auf ein ständiges Frage-Antwort-Spiel! Es reicht, wenn
Sie Ihre Rolle mit wenigen Bemerkungen absichern und weitere Zwischenrufe ignorieren
– meist hören diese irgendwann auf.
Ein probates Mittel, wieder etwas Ruhe in die
Vorstellung zu bekommen, ist eine stumme Nummer zu Musikbegleitung.
Seltsamerweise verebbt der Lärm dann – vielleicht, weil nun bei den Kindern
eine andere Art der Wahrnehmung angesprochen wird. Ich habe jedenfalls bei
einem solchen Programmpunkt noch nie Zwischenrufe vernommen (eventuell war auch
die Musik zu laut…).
Andere heikle Situationen bilden „Mitmach-Nummern“.
Stellen Sie bitte niemals die Frage: „Wer will mir denn jetzt
einmal beim Zaubern helfen?“ Während bei Erwachsenen daraufhin ein
betretenes Wegschauen begänne, würden sich Ihre kleinen Zuschauer umgehend zu
einem Sturm auf die Bühne rüsten. In beiden Fällen gilt: Nur Sie wählen die
betreffende Person aus!
Freilich müssen Sie bei Kindern diplomatisch
verfahren und können in der Regel den „Ehrengast“,
der seinen Geburtstag feiert, nicht übergehen. Dennoch sollten Sie darauf
achten, ob dieser Ihnen zu schüchtern oder vorlaut erscheint. In dem Fall
betrauen Sie ihn mit einer Aufgabe, bei der er nichts falsch machen kann (z.B.
ein Requisit bewachen), und suchen sich für eine schwierigere Routine einen geeigneteren
Helfer!
Generell halte ich auch in diesem Metier nichts
davon, sich für jede zweite Nummer einen „Assistenten“
nach vorn zu holen – die Tour nützt sich ab, und die Risiken häufen sich:
Wenn Ihr kleiner Helfer bei einem längeren
Ablauf mitmachen soll, muss er beschäftigt werden und nicht nur als Alibi
für „Kinderfreundlichkeit“ vorne auf einer Kiste stehen. Er braucht jedoch noch
mehr Anleitung und Unterstützung als ein Großer – schon
bei der Feinmotorik (z.B. Halten eines Schwammballs) könnte es Probleme geben,
welche zumindest den Fortgang der Handlung verzögern und Ihnen so wieder Einbrüche
bei der Konzentration bescheren.
Besser ist es, die Kinder insgesamt zu
einer Mitwirkung zu animieren, indem sie beispielsweise im Chor einen
Zauberspruch aufsagen, via Pusten „magischen Wind“ erzeugen oder ihre
Lieblingsfarbe rufen. Hierbei kann kaum etwas schiefgehen, und Sie ersparen
sich nebenbei das Gezerre, wer denn nun mitmachen dürfe und wer nicht!
Weiterhin steuern Sie damit eine kontrollierte Entladung der Emotionen und
bestimmen, wann und wie die Zuschauer
sich verbal bemerkbar machen sollen.
Insgesamt gilt hier mehr noch als bei
Erwachsenen die strikte Regel:
Legen Sie sich nie mit dem
Publikum an!
So schwer es Ihnen auch fallen mag: Behalten
Sie Ihre private Ansicht zum Grad der Unerzogenheit
des Publikums für sich – Sie können eh nichts daran ändern. In diesem Metier sind Sie ganz schnell „unten durch“,
und die Sympathie der Eltern gehört stets dem Spaßmacher, nicht dem Spaßverderber.
Sollte Ihnen trotz Beachtung der Rahmenbedingungen ein Auftritt zu entgleiten
drohen:
Fallen Sie nicht aus der
Rolle, sondern spielen Sie diese noch aktiver!
Steigern Sie sich schauspielerisch, modulieren Sie Ihre Stimme
deutlicher, lassen Sie keine ungeeigneten Pausen, verzetteln Sie sich nicht in
fruchtlose Diskussionen, bieten Sie eine gut getimte Folge von optischen
Eindrücken und interessanten Anreizen, kurz:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.