Bei Anfragen bekommt man
gelegentlich den Eindruck, manche Eltern würden gerne schon für ihren sechsmonatigen Säugling eine
Kindervorstellung buchen.
Tatsächlich aber liegt für
mich die Altersgrenze bei mindestens vier Jahren: Erst dann beginnen
sich Fantasie und Realität so weit zu trennen, dass
etwas Unwirkliches wie Zauberei überhaupt vom „Normalen“ unterschieden
werden kann.
Auch bei Vierjährigen kommt
es sehr darauf an, ob diese via Kindergarten schon an größere soziale Gruppen
gewöhnt sind (das Publikum eines Magiers ist nämlich eine solche). Erst dann
besteht die Hoffnung, dass Kinder in diesem Alter bereits die nötige Konzentration
und Frustrationstoleranz aufbringen, um für 30 Minuten einen Zauberauftritt zu
verfolgen und nicht lange vorher schon anderen Impulsen nachzugeben. Oft genug sind
die Eltern sehr optimistisch:
„Mein
Kind versteht das schon.“
Nein –
tut es nicht!
Andruck
Tatsächlich ist es sogar
noch schlimmer: Befinden sich einzelne jüngere Kleinkinder im Publikum,
werden sie sich mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent bald lautstark
bemerkbar machen – mit Quengeln, Heulen und Gezeter. Ich habe das oft genug erlebt. Den genauen Mechanismus kann ich nur vermuten. Wahrscheinlich liegt es am gefühlten Stimmungsumschwung, der sie beunruhigt: Musik,
Stille, Lachen, Klatschen, an der mangelnden Zuwendung ihrer Bezugsperson, die
ja die Show verfolgen will – und natürlich daran, dass die Kleinen Sinn und Zweck der Veranstaltung
überhaupt nicht erfassen.
Besonders problematisch
wird es, wenn sich die Vorstellung eigentlich an Erwachsene richtet, jedoch auch sehr kleine Kinder (oft in Ermangelung eines Babysitters) anwesend
sind.
Meiner Assistentin fallen entsprechende „Problemfälle“ schon vor Programmbeginn
auf; sie bittet dann die Begleiter, im Falle des Falles mit ihrem Kind nach
draußen zu gehen. Oft stößt ihre Voraussicht auf Unglauben (siehe oben) – bis dann das fast Zwangsläufige
eintritt. Manche Erziehungsberechtigte wollen jedoch selbst in dieser Situation
nicht einsehen, dass man ihnen zumuten muss, auf die Vorstellung zu verzichten,
anstatt allen anderen den Spaß zu verderben.
Da bleiben wir jedoch
hart: Meine Darbietung steht und fällt damit, dass ich die Aufmerksamkeit des Publikums habe und nicht ein plärrender Zweijähriger. Im Notfall
lege ich kommentarlos eine Pause ein und mache hinter den Kulissen dem
Gastgeber die Alternative klar:
Der oder
ich!
Kindergartenbesucher (bis zu zirka 6 Jahren) bilden
das typische „Vorschulpublikum“, für das man häufig engagiert wird.
Halten Sie die Effekte kurz und Ihre Sprache einfach (z.B. „ist weg“ statt
„ist verschwunden“). Eine interessante Optik ist hier viel wichtiger als geschliffene Texte! Für die Kinder sind Gegenstände, zumal, wenn mit ihnen
Magisches geschieht, lebendige Wesen
– personifizieren bzw. animieren Sie diese (z.B. durch Namen, Bewegungen etc.).
Und lassen Sie, vor allem nach den Effekten, genügend Pausen – Ihre kleinen Zuschauer brauchen Zeit, um das Gesehene zu
verarbeiten!
In jenem Alter ist Zauberei
stets „echt“, also verzichten Sie auf das (sowieso unsinnige) Bekenntnis,
Sie würden lediglich „Tricks“
vorführen. Deshalb sind auch Aufsitzer
sinnlos – die Kleinen suchen eh nicht nach einer Erklärung (da können Sie die
Hasen noch so lange „heimlich“ drehen…). Und geben Sie sich besonders freundlich und Vertrauen erweckend: Sie sind gefühlte zehn Mal größer und treiben
unerklärliche Dinge – öfters habe ich bei einem solchen Publikum Angstreaktionen erlebt. Seien Sie ein „netter Zauberer“, und auch die
Utensilien, welchen Sie Leben
einhauchen, sind nicht wirklich gefährlich, höchstens ein bisschen frech…
Zeitlich sollten Sie sich darauf einrichten, nach zirka 30 Minuten aufzuhören – wenn da noch ein
Rest Konzentrationsvermögen übrig ist, können Sie ja eine letzte Nummer
dranhängen.
Grundschulkinder
(ca. 6 bis 10 Jahre):
Dauer und Sozialstruktur
einer Unterrichtsstunde haben sich bei
ihnen bereits gefestigt, so dass Sie von maximal 45 Minuten ausgehend können – ebenso sind Ihre Zuschauer darauf
konditioniert, dass sie einer „Autoritätsperson“
für diese Zeit (mehr oder weniger) Aufmerksamkeit schenken. Andererseits sind
sie aber durch die Schule daran gewöhnt, Vorgänge
erklären zu sollen – kein Wunder, dass sie dies auch auf die gesehenen
Effekte anwenden. In diesem Alter beginnen die einschlägigen Zwischenrufe vom
Typ „Ich weiß, wie das geht“. Fassen Sie das nicht als Angriff,
sondern als Zeichen des Lernwillens
auf!
Aufsitzer zeigen daher ihre Wirkung, allerdings oft
nicht im gewünschten Sinne, sondern als Beginn langwieriger Diskussionen, bei denen Ihnen die Zügel entgleiten könnten.
Bedenken Sie: Da sind Ihre kleinen Zuschauer stolz darauf, etwas zu durchschauen – und dann werden sie von
Ihnen als Deppen hingestellt!
Beliebter werden Sie dadurch nicht…
Vorsicht ist weiterhin
angebracht bei zu „kindertümlichen“
Präsentationen (Requisiten mit Comicfiguren, „Eiapopeia-Texte“), die
schnell als „Babykram“ abgetan werden. Die Geschichten
zu den Zauberkunststücken dürfen schon länger sein – je skurriler und
verrückter, desto besser!
Im Alter von über 10
Jahren sollte Ihrem Programm auf den ersten Blick nicht mehr anzumerken
sein, dass es „für Kinder“ gedacht
ist – Ihre Zuschauer fühlen sich sonst schnell unterfordert bis veralbert! Vermeiden Sie reine Erwachsenenthemen (wie Partnerschaft, Ehe oder Schlimmeres), ebenso
wie zu komplizierte Routinen, Rechenoperationen, das Merken von Kartenwerten
u.ä. Ironie und Anspielungen können bereits wirken, wenn man es nicht
übertreibt. Die Dauer einer Schulstunde
ist jedoch weiterhin die Obergrenze.
Andruck
In der Pubertätsphase steht
die Zauberei in den Charts ganz weit unten, so dass Sie ein
entsprechendes Publikum eher selten vorfinden werden. Dieser
Entwicklungsprozess ist ja dadurch gekennzeichnet, dass ein Bruch mit der Kindheit stattfindet. Da erlebt
man hormonbedingt genügend
Verwirrendes und Unerklärliches – Zauberer sind dabei absolut unnötig!
Sollten Sie (vielleicht
bei einem Schulfest) mit „Pubertätern“
zu tun haben, geben Sie sich betont lässig, ohne in „Jugendsprache“ zu
verfallen – nichts ist in dem Alter peinlicher
als ein Erwachsener, der den Gleichaltrigen
markiert…
Vermeiden allzu „typisches“ Equipment wie Zylinder, Zauberstab,
Hasen, Glitzerkisten und „magisches“ Getue (auch sonst keine schlechte Idee…).
Vielleicht gelingt Ihnen selber etwas
ironische Distanz dazu – das wäre
ganz im Sinne Ihrer Zuschauer!
Auftritte vor altersmäßig
gemischtem Publikum stellen die größte Herausforderung dar. Hierzu gehören
vor allem Festivitäten in Bildungseinrichtungen,
zu deren Kundschaft ja meist verschiedene
Altersstufen zählen. Ich tue im Vorfeld mein Möglichstes, die
Veranstalter von getrennten
Vorstellungen, z.B. für „Größere und Kleinere“ (mit entsprechender Altersbegrenzung)
zu überzeugen. Wenn daraus nichts wird, müssen Sie Ihr Programm stets auf
die jüngsten Zuschauer abstellen: Falls Sie nämlich die nicht
erreichen oder bald verlieren, kommt es zu maximaler Unruhe! Der zu erwartende „Kollateralschaden“ besteht darin, dass
sich Ältere (inklusive die ratschenden Mütter oder Lehrer im Hintergrund)
unterfordert bzw. gar nicht angesprochen fühlen und so für Störungen und vor allem Ablenkung der Jüngeren sorgen.
Ich habe sehr gute
Erfahrungen damit gemacht, bei Kinderauftritten stets mit einer Metaebene zu
arbeiten, welche in diesem Fall besonders nützlich ist: Vordergründig zaubere ich
für das junge Publikum, die Effekte müssen allerdings auch für Erwachsene interessant
und undurchschaubar sein. Die Einstellung „Hauptsache, die Kinder kapieren
es nicht“ ist sowieso oft unrealistisch, und zudem verlieren Sie die Aufmerksamkeit
älterer Betrachter! Weiterhin gehört zu diesem Konzept, immer wieder
Textbausteine, vielleicht auch kleine Zwischenspiele einzubauen, welche sich –
über die Köpfe der Kleinen hinweg – direkt an die restlichen Zuschauer richten.
Sie zeigen sozusagen parallel zwei Routinen und erreichen somit
das gesamte Auditorium.
Nach vielen Jahren
Zauberei ahnt man meist schon vorher (und spätestens beim Eintreffen am Ort des
Geschehens), ob es krisenhaft werden
dürfte. Meist höre ich dann die leise Frage
meiner Assistentin: „Hier ist
wohl eine Ansprache fällig?“ Kurz
vor meinem Auftritt erkundigt sich Karin bei den versammelten Zuschauern,
wer von ihnen schon einmal in einer Theatervorstellung war und wie man
sich da benehmen solle. Ob es angebracht sei, über Stühle zu klettern,
herumzuschreien oder den Sitznachbarn zu ärgern?
Letztlich ist der genaue Inhalt
der Belehrung gar nicht so entscheidend, sondern die Botschaft: Nicht nur der
Vorführende, sondern auch das Publikum hat bestimmte
Pflichten, die es zu
erfüllen gilt. Damit wird eine wichtige Grundlage geschaffen, deren Wirkung ich
normalerweise die ganze Vorstellung über spüre!
Fazit:
Bei
Kindervorstellungen ist es
entscheidend, zuvor die Altersstruktur
des Publikums zu kennen und sein Programm darauf abzustellen. Bei Erwachsenen ist dies weniger
kompliziert. 20- bis 30-Jährige Zuschauer
haben Sie nur, falls die bei einer Familienfeier zur Anwesenheit verpflichtet
sind. Aber auch dann ist deren Interesse
begrenzt: In dem Alter ist man mit seiner Berufsausbildung beschäftigt –
und später damit, den Falschen zu heiraten, Kinder zu kriegen und sich scheiden
zu lassen.
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