Sonntag, 12. Juli 2020

Kinderzauberei – die äußeren Bedingungen


„Die Kinder können sich ja auf den Boden setzen“

Ob Sie für den Neujahrsempfang einer Bank oder ein Kinderfest gebucht werden, zeigt vor allem der Aufwand, den der Veranstalter betreibt. Trotz aller vorgeblichen „Kinderfreundlichkeit“ möchte man bei den Kleinen die Bemühungen schon in Grenzen halten: Der Künstler soll sich halt „irgendwo da vorne“ hinstellen (sei es nun im Gymnastikraum oder Garten) – und das junge Publikum darf auf Turnmatten, dem nackten Fußboden oder im Gras Platz nehmen.

Wenn Sie sich darauf einlassen, haben Sie für Ihren späteren Absturz bereits eine wichtige Grundlage geschaffen!

Unbequemes Sitzen wird in jedem Alter als störend empfunden – und von Kindern wegen der geringeren Frustrationstoleranz nicht lange ausgehalten. Bald schon macht sich im Auditorium Unruhe breit – und warum sollte man auf Gymnastikunterlagen nicht lieber einen Purzelbaum versuchen?

Zudem ist dieser Bereich nicht fest abgegrenzt, wodurch eine stetige „Wanderung“ nach vorne einsetzt, bis die Kleinen schon fast unter Ihrem Zaubertisch ankommen. Daher mein eiserner Grundsatz: Kinder brauchen feste Sitzplätze, am besten Stühle! Schon bei Bänken besteht das Risiko, dass ein Gerangel um den individuellen Freiraum beginnt. In einem solchen Fall muss wenigstens ausreichend Platz vorhanden sein, damit niemand sich eingeengt fühlt! Bei spärlichen räumlichen Verhältnissen kann es nötig werden, den „Zauberbereich“ am Boden mit einem Seil, Klebeband oder Kreidestrich per „magische Linie“ abzugrenzen.

Weiterhin brauchen Ihre jungen Gäste eine gute Sicht auf das Geschehen, weil sie sonst schnell den Faden verlieren. Mit genügender Bereitschaft zum Umbau kann man fast stets eine befriedigende Lösung finden – und natürlich sitzen die kleinsten Zuschauer ganz vorne, Eltern bzw. Betreuer sollten am Rand Platz nehmen (so können sie bei Problemen auch schnell eingreifen). Denken Sie daran, Ihre Requisiten hoch genug zu platzieren; ab einer gewissen Gästezahl ist eine Bühne oder ein Podest eine große Hilfe.

Bei dieser Art von Publikum kann man eine gewisse Unruhe nicht vermeiden, bei dramatischen Szenen ist diese ja sogar erwünscht! Dennoch dürfen Ihre Texte darin nicht untergehen – agieren Sie also mit lauter und fester Stimme sowie deutlicher Aussprache. (Ist zudem ein Rangordnungszeichen: Der „Platzhirsch“ röhrt am heftigsten!) Lassen Sie genug Pausen und modulieren Sie Ihren Text!

Bei einer Zahl von mehr als 30 Kindern nehme ich stets mein Sendermikrofon mit (die Tonanlage habe ich ja wegen der Begleitmusik sowieso dabei.) Oft genug rettet diese Maßnahme meine Vorstellung vor dem Untergang im Begleitlärm – oder mindert jedenfalls meine Nervosität angesichts einer dreistelligen Zuschauerzahl.

Mein früherer Seminarlehrer pflegte zu sagen: „Wenn die Stimme des Lehrers nicht bis zur letzten Bank klar vernehmlich ist, erübrigen sich alle weiteren Überlegungen zu Methodik und Didaktik!“

Weiterhin verringern diverse Nebenbeschäftigungen die Aufmerksamkeit der Betrachter. Speziell bei Kindergeburtstagen werden ja die Gäste großzügig mit festen und flüssigen Kalorien versorgt. Dies muss aber vor meinem Auftritt erledigt sein, am besten in einem anderen Raum!

Die Örtlichkeit, an der ich zaubere, zeichnet sich dann durch völliges Fehlen von Essen und Trinken aus. (Für elterliche „Kampfdrohnen“: Eine derartige Abstinenz über eine Dreiviertelstunde hin führt nicht zur Dehydrierung oder gar zum plötzlichen Hungertod!) So vermeide ich, dass meine Vorstellung durch umfallende Gläser oder den Streit um einen herrenlosen Muffin beeinträchtigt wird. Ebenso ist Spielzeug fehl am Platz (das habe ich ja mitgebracht) – und beim Kinderfasching werden alle Cowboys und Gangster im Vorfeld entwaffnet.

Grundsatz: No meals, no drinks, no toys, no guns!

Erkundigen Sie sich bei größeren Events stets nach dem Gesamtprogramm! Mehr als einmal ist es mir passiert, dass während meiner Vorstellung draußen im Hof plötzlich die ebenfalls eingeladene Blaskapelle zum Konzert ansetzte oder orientalische Musik die Show einer Bauchtänzerin begleitete. Sehr beliebt in Bildungseinrichtungen sind Lautsprecherdurchsagen des Inhalts, welches Auto mit diesem oder jenem Kennzeichen gerade die Feuerwehrzufahrt blockiere oder welcher Kollege dringend ins Lehrerzimmer kommen solle. (Vielleicht haben Sie ja eine kleine Kombizange, mit der Sie die Drähte am Lautsprecher… nein, war nur Spaß!)

Aber auch hier gilt: Erkannten Gefahren kann man meist begegnen! Günstig ist es, wenn die kleinen Gäste zunächst Gelegenheit zum Spielen und Toben und dann etwas zu essen und trinken bekommen, bevor die Zaubervorstellung beginnt.

Ein nicht unbeträchtliches Risiko bilden Open-Air-Auftritte, die ja gerade bei Frauen (welche z.B. in Kindergärten oder bei Geburtstagsfeiern das Sagen haben) äußerst beliebt sind: Draußen ist es ja viiiel schöner (und man bewahrt die Innenräume vor Schäden aller Art)! Leider kann ich auf zahlreiche Gigs zurückblicken, wo ich bei gefühlten 40 Grad an der Sonne in meinem Anzug langsam vor mich hin kochte, der CD-Player sich temperaturbedingte Aussetzer leistete oder ich meine Requisiten vor herannahenden Sturmböen retten musste. Dazu kamen unebene Böden, 30 Meter Verlängerungskabel bis zur nächsten Steckdose, Zaungäste rundum sowie ellenlange Transportwege bis zur Garderobe. Außerdem kann schon ein vorbeiflatternder Schmetterling (oder gar eine Wespe) dafür sorgen, dass ein Zaubereffekt unbemerkt bleibt…

Deshalb geht gerade hierbei ohne einen Ortstermin vorher nichts – so lassen sich wenigstens die kalkulierbaren äußeren Bedingungen halbwegs zur Zauberei passend gestalten. Weiterhin mache ich stets darauf aufmerksam, dass bei schlechter Witterung entweder eine überdachte Alternative (oder ein Ausweichtermin) bestehen muss bzw. meine Gage auch bei einer Stornierung fällig wird. Gerne kommt hier das Argument: „Im Juli regnet es doch bestimmt nicht!“ Statistisch bietet dieser Monat (zusammen mit Juni und August) hierzulande die höchsten Niederschlagsmengen…

Und zu guter Letzt: Es müssen Betreuungspersonen anwesend sein! Weder meine Assistentin noch ich können uns um freilaufende „Pampers-Rocker“ kümmern, die zwischen unserem Equipment umherirren, ebenso wenig wie um Kinder, welche plötzlich aufs Klo müssen (bzw. gemusst hätten, alles schon passiert) oder auf einmal ihre Trotzphase ausleben. Leider kollidiert dies mit dem Wunsch von Erwachsenen, während der Vorstellung einmal „frei“ zu haben. Sorry, das geht leider nicht: Wir bieten Kinderzauberei und keine „Rundum-Betreuung“ – hierfür gibt es andere Angebote!

Zusammenfassend noch einmal die Eckpunkte äußerer Bedingungen, mit denen eine solche Darbietung steht und fällt:

·         Einstimmung der Kinder auf die „Vorführsituation“
·         feste, bequeme Sitzplätze
·         Abgrenzung des „Zauberbereichs“
·         gute Sicht- und Hörbarkeit
·         keine „Nebenbeschäftigungen“ (Essen, Trinken, Spielzeug)
·         Vermeidung sonstiger äußerer Störfaktoren
·         sinnvolle Einpassung ins Gesamtprogramm
·         Auftritte im Freien nur nach Ortsbesichtigung; Festlegung des Verfahrens bei schlechter Witterung
·         Anwesenheit von Betreuern, die bei Problemen eingreifen

Nach meinen Erfahrungen hält sich die Lust pädagogischer Mitarbeiter, dem Zauberkünstler gute Rahmenbedingungen zu bieten, oft in engen Grenzen. Meine Botschaft ist dann glasklar: Ich tue alles dafür, dass der Auftritt ein Erfolg wird. Gleiches erwarte ich jedoch auch von den anderen Beteiligten.

Mein Tipp für die Verhandlungen mit Veranstaltern, die sich für kleine Zuschauer nicht besonders anstrengen wollen: Der Begriff „Kinderfeindlichkeit“ bildet heutzutage ein „Totschlagargument“. Warum sollten Sie es nicht auch einmal – für einen guten Zweck – einsetzen?

Fazit: Kindervorstellungen scheitern öfter an ungeeigneten Rahmenbedingungen als am Programm des Künstlers!

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