Montag, 4. Mai 2020

An das glauben, was man tut


Parallel zur verbalen Ausdrucksweise senden wir oft Botschaften, die sich über körperliche Aktionen vermitteln. Widerspricht sich der Informationsgehalt beider Kanäle, so ist der Empfänger verwirrt. Irgendetwas „kann nicht stimmen“!

Das gilt längst nicht nur in der Zauberei:

Ein Politiker, der bei einer Rede sein Publikum „herzlich begrüßt“ und dabei den Kopf einzieht, die Arme vor der Brust verschränkt oder sich am Pult festhält, erscheint unglaubwürdig.
Auch im Alltag wirkt jemand verdächtig, der Sie seiner „große Sympathie“ versichert und dabei statt in Ihre Augen an Ihnen vorbeiblickt.
Oder was halten Sie von jemandem, der Ihnen gegenüber bekundet, seine Kritik sei „nicht persönlich gemeint“ und sich dabei anspannt, als erwarte er gleich einen Angriff?
Kein Mensch glaubt Ihnen auch, wenn Sie verbal Entschlossenheit betonen, dies aber mit leiser, zögerlicher Stimme verkünden und mit Verlegenheitsgesten garnieren (Hand vor dem Mund, am Kopf kratzen, Blick nach unten).

Zur Illustration empfehle ich die allabendlichen Talkshows, bei denen Sie viele Varianten beobachten können.   

Unser körperlicher Ausdruck lässt sich weit weniger bewusst steuern als unsere Worte. Er ist somit meist „ehrlicher“. Im normalen Leben sollten wir daher die großen Sprüche lassen, wenn wir nicht wirklich an sie glauben. Es ist besser, das zu sagen, was unsere Körpersprache sowieso ausdrückt.   

Das Problem beim Zaubern besteht darin, dass wir sehr häufig „lügen“ müssen: Was wir wirklich tun, unterscheidet sich oft stark von dem, was wir dazu erzählen. So sind wir stets in Gefahr, dem durch unsere physischen Aktionen zu widersprechen.

In der Zauberszene wird ein riesiger Wert darauf gelegt, die „Fingerfertigkeit“ zu trainieren. Die verwendeten Kunstgriffe müssen möglichst perfekt sitzen. Das führt häufig dazu, dass die tausendmal geübten Trickbewegungen aus dem normalen Bewegungsablauf herausstechen. Die Zuschauer sehen zwar meist nicht, was der Künstler getrieben hat, argwöhnen jedoch, dass er in dem Moment etwas Geheimes bewerkstelligt hat.

Je mehr das Publikum argwöhnt, dass verbale und körperliche Aktion nicht übereinstimmen, desto genauer sieht es hin. Klar sollten die geheimen Handlungen sauber geübt sein – wer noch mit Ablauf oder Technik kämpft, kriegt den stimmigen Ausdruck nicht hin. Viel wichtiger als irgendwelches Fingergezwirbel ist es aber, dass Sie sich nicht mit Ihrer Körpersprache insgesamt verraten.   

Bleiben wir beim einem Beispiel, welches zum „Grundrepertoire“ jedes Magiers zählt: Sie zeigen einen Gegenstand in der rechten Hand vor und übergeben ihn scheinbar in die linke – in Wahrheit wird er rechts verborgen (palmiert, wie die Insider es nennen).

Die Spannung und Aufmerksamkeit sollte links landen, doch trotz unserer entsprechenden Worte („Der Schwammball kommt nun in meine linke Hand“) bleibt diese locker und entspannt (obwohl sie ja etwas halten müsste), während die rechte Körperseite (vor allem Arm und Hand) plötzlich erstarren und wie „betoniert“ wirken.

Dem Publikum fällt diese Diskrepanz auf, und es beginnt darüber nachzudenken, ob alles dem entspricht, was Sie sagen.

Meinen Zauberkurs-Teilnehmern erklärte ich es immer so:
„Das ist kein Ratespiel – in welcher Hand ist der Ball jetzt? Nein, Ihre Zuschauer müssen bereit sein, ihr ganzes Vermögen darauf zu wetten, dass er sich in der linken
Faust (und nicht rechts) befindet!“

Daher sollten Sie die Übergabe zunächst real versuchen:

Beobachten Sie Ihre Körperhaltung – vor allem auch die Tatsache, dass eine Faust, in der sich etwas befindet, nicht ganz eng zusammengepresst sein sollte! Bewegen Sie diese nach vorne und oben, richten Sie den Blick darauf! Eventuell machen Sie mit den Fingern leicht knetende Bewegungen, da Sie ja den Gegenstand „fühlen“.

Beachten Sie, wie der rechte Arm nun, da im Moment nicht benötigt, inklusive der Schulter entspannt nach unten fällt und leicht auspendelt! Die Finger sind locker, aber nicht ausgestreckt – Sie müssen nicht beweisen, dass diese Hand leer ist – sie ist es ja scheinbar sowieso!

Schön wäre es, wenn Sie mit der palmierenden Hand schnell etwas ergreifen könnten, beispielsweise einen zweiten Ball, Zaubersalz oder einen Zauberstab. Wenn dieses Requisit sich in der Tasche oder in einer Ablage befindet, können Sie den verborgenen Gegenstand auf diese Weise loswerden. Falls Sie ihn weiter brauchen, ergreifen Sie mit jener Hand z.B. den Zauberstab: Es entspricht den Sehgewohnheiten, dass eine Hand meist nur einen Gegenstand umfasst, nicht zwei!

Die beste Palmage beinhaltet dennoch immer das Restrisiko der Entdeckung. Eine Gegenstrategie sind kurze, direkte Bewegungswege.
 
Vom heimlichen Verbergen des Balls in der rechten Hand bis zum Ergreifen
eines zweiten Gegenstands sollten Sie eine möglichst geringe Strecke zurücklegen. Sie können es vorher schon so einrichten, dass z.B. der Zauberstab ganz nahe liegt oder Sie ihn – mit dem freien Ende nach vorne und unten – in die linke Achselhöhle klemmen und dann in die Hand nehmen. Und der Weg in die Jackett-Tasche ist sowieso nahe!
Im Gegenzug gestalten Sie die Bewegungen der nur scheinbar haltenden Hand (inklusive Arm und Schulter) rund und weit!

Üben Sie abwechselnd die reale und die Trickbewegung: Beides muss absolut gleich wirken. Wenn Sie dann nur noch den Kunstgriff anwenden, suggerieren Sie sich selber, dass alles so ist, wie Sie vorgeben! Ich erlebe dies in der Praxis immer wieder: Bei einem richtig gut laufenden Auftritt komme ich in eine Phase, wo ich wirklich daran glaube, zaubern zu können.

Damit stimmen verbale und Körpersprache wieder überein! Und genau darauf beruht die magische Wirkung.

Denken Sie bei Ihrer nächsten Rede, dem nächsten Referat oder Kurs daran: Nur, wenn Sie selber an das glauben, was Sie erzählen, nimmt Ihnen das Publikum Ihre Aussagen voll und ganz ab. Ansonsten müssten Sie zaubern können…

Als Beispiel dazu eine Folge der legendären Fernsehreihe „Magisches Intermezzo“. Der Magier und Zauberhändler Eckhard Böttcher hat mich in meiner Entwicklung maßgeblich beeinflusst. Seine Texte und Routinen sind bis aufs Letzte durchdacht. Vor allem aber führt er die Effekte absolut seriös, glaubwürdig und humorvoll vor – und das in einer (nach außen) traumhaften Ruhe:

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