Die gemeinsame Struktur
solcher Effekte besteht darin, den Zuschauer glauben zu machen, er habe das Geheimnis eines vorgeführten Kunststücks
entschlüsselt. Dies geschieht, indem
man – von vornherein oder nach einer gewissen Anlaufphase bzw. „Panne" – den Hintergrund scheinbar erklärt. Oder man macht durch
die Art der Vorführung ein bestimmtes Erklärungsmuster
offensichtlich. Am Schluss erkennt das Publikum, dass der vorgebliche, stets
sehr einfache Plot nicht stimmen kann, die Zauberei mithin unerklärlich bleibt.
Wenn solche Routinen
überzeugend vorgeführt werden, die Betrachter also „den Braten nicht riechen“,
überwiegt natürlich der Vorzug eines überraschenden, nicht vorhersehbaren
Schlusses. Allerdings ist die Auswahl wirklich guter Aufsitzereffekte nicht
sehr groß – Sie müssen bei diesem Thema also verstärkt damit rechnen, dass Ihre
Gäste eine Nummer bereits von anderen Auftritten kennen.
Dennoch amüsiert man sich nach meiner Erfahrung
immer wieder über solche „Klassiker“ wie den Eierbeutel oder die Sache mit Tuch
und Ei. (Niemand hat den Effekt so schön vorgeführt wie Eckhard Böttcher!) Ich
hörte hierzu einmal die Theorie, dass man sich Unlogisches schwer merke und daher stets aufs Neue verblüfft sei. Vielleicht freut man sich auch über die Ahnungslosigkeit anderer Zuschauer,
welche die Auflösung noch nicht kennen…
Meine Einstellung zu
diesem Typus von Zauberkunststück hat sich im Lauf der Zeit ziemlich gewandelt.
Wahrscheinlich hat mich früher der Frust über die teilweise penetrante Neugier bzw. Besserwisserei des Publikums (zumal bei Kindervorstellungen) ziemlich
häufig zu Aufsitzern greifen lassen, ehrlicherweise durchaus mit dem Motiv,
solche Zeitgenossen einmal so richtig „abschmieren“
zu sehen – und tatsächlich hat der Anblick verständnisloser Blicke sowie
offener Münder schon etwas Befriedigendes…
Allerdings erkauft man
sich einen derartigen Lustgewinn recht
teuer: Die Betrachter merken
natürlich, dass man sie „veralbert“
hat – und das steckt gerade die beschriebene Zielgruppe schlecht weg. Letztlich
veranstalten Sie das, was man einem einzelnen
Helfer aus dem Publikum nicht antun sollte, nun sogar mit allen Zuschauern – sie als „Deppen“ hinzustellen! Eventuell wird sich
Enttäuschung breit machen, die Stimmung flaut ab.
Möglicherweise schüren Sie
sogar „Revanchegelüste“: Man wird Ihnen hinfort noch schärfer auf die
Finger sehen und bei wirklichen oder auch nur vermeintlichen Schwächen mit Zwischenrufen, „Untersuchungsbegehren“und Ablauf-Wünschen
reagieren. („Können Sie das Spiel jetzt
nochmal mischen?“) So vergrößern Sie Ihre „Absturz-Chancen“ erheblich!
Besonders heikel ist dies
bei Kindervorstellungen: Während man
im Vorschulalter oft gar nicht auf die „Scheinerklärung“ kommt und so die Aufsitzer-Wirkung
verpufft, bricht bei älteren Kinder häufig geradezu ein „Krieg“ aus, wenn Sie zu deutlich den Besserwisser geben. Sie werden sich bei den folgenden Effekten der Zwischenrufe nicht erwehren können –
und wenn Sie Pech haben, kommen die durchaus mal in die Nähe der wirklichen Erklärung!
Inzwischen versuche ich
gerade bei diesem Publikum, bei Aufsitzern (wenn ich sie überhaupt einsetze) ohne
den „Ätsch-Faktor“ auszukommen oder ihn wenigstens deutlich zu
reduzieren. In vielen Fällen brauche ich ja (scheinbar) gar nicht zu bemerken, dass meine Art der Präsentation eine
bestimmte Erklärung nahelegt. Wenn
diese sich schließlich als falsch herausstellt, muss sich niemand dafür
genieren, gedanklich auf dem Irrweg
gewesen zu sein. Bei bestimmten Routinen ist es sogar möglich, beim plötzlich ganz
anderen Ausgang selber den „Fassungslosen“
zu spielen. Damit nehmen Sie sozusagen die Perspektive des Publikums ein,
stellen sich auf seine Seite, anstatt den „Neunmalklugen“
zu markieren.
Ein Klassiker in diesem
Bereich ist der Würfelkasten, der
bevorzugt in Kinderprogrammen vorkommt. Ich gebe dabei vor, ebenso ahnungslos zu sein wie meine kleinen
Zuschauer. Wo der Würfel jetzt schon wieder ist? Keine Ahnung! Gehen Sie dabei
auf die Ideen des Publikums ein: Linke Seite, rechte Seite – alles leer.
Umgekehrt, also von hinten – auch nichts! Ach, da klappert was? Alle vier Türen
öffnen: Wieso? Ach – jetzt ist er ganz verschwunden! Wo er denn sonst sein
könnte? Wenn Sie ein paarmal auf den Hut (oder wo er sich sonst befindet)
schielen, kommt ziemlich sicher der entsprechende Zwischenruf. Gott sei Dank –
er ist wieder da!
Intelligente oder auch
erwachsene Zuschauer werden wohl – spätestens im Nachhinein – Ihren Plan zwar durchschauen, Ihnen aber für Ihre Raffinesse eher Anerkennung zollen als sich ärgern! Im
Einzelfall kann sich natürlich eine „Debatte“
mit den Anwesenden
ergeben, welche Ihnen trotz der „soften“ Präsentation die vermeintliche Lösung zurufen. Halten Sie solche Dialoge locker und
witzig – es ist ein augenzwinkerndes
Spiel! Sobald Sie ein Abgleiten in eine verbissene Atmosphäre spüren,
treten Sie den Rückzug an und kommen
zügig zum Schluss.
Seit Langem schon setze
ich Aufsitzereffekte sehr sparsam ein (meist einen pro Auftritt). Wie bei einem
guten Gewürz macht die Dosis den Geschmack! Außerdem nutzen sich
die meist ziemlich ähnlichen Taktiken
ab: Wenn Ihre Gäste einmal „hereingefallen“ sind, werden sie beim nächsten Mal
den „Holzweg“ schon ahnen, was eine überzeugende Präsentation viel schwerer
macht.
Im Ergebnis bekommen Sie
auch hier wieder eine Spiegelung: Wollen Sie Ihre Zuseher hereinlegen oder Ihren
Frust ausleben, werden diese es ebenso versuchen. Daher:
Ziehen Sie Ihr
Publikum nicht herunter, dann lässt es Sie auch oben!
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