Mittwoch, 17. Juni 2020

Kinderzauberei – der erste Kontakt


Der findet meist telefonisch statt. Typischer Fall: Eine Mutter ruft an, da sie einen Kindergeburtstag zu organisieren hat. Der Beginn des Dialogs lautet meist:

„Zaubern Sie auch für Kinder?“
„Ja, gerne!“
„Was kostet denn sowas und wie lang dauert es?“

Wenn Sie dann antworten „eine Dreiviertelstunde, hundert Euro“ – haben Sie in der Regel bereits verloren! Denn als Antwort kommt mit ziemlicher Sicherheit: „Was, so viel?“

Die Rechnung ist ja sehr einfach: Für die Anruferin errechnet sich daraus ein Stundenlohn von über 130 Euro!

Daher stelle ich im Normalfall lieber zunächst Gegenfragen:

„Dazu müsste ich zunächst von Ihnen einiges erfahren: Wie viele Kinder werden denn ungefähr teilnehmen? Wie alt ist das Geburtstagskind? Und der jüngste Zuschauer? Sind noch ältere Kinder anwesend? Ich nehme an, Erwachsene sind auch dabei? Wohin müsste ich da fahren?

Nach den erhaltenen Informationen kann ich viel besser antworten, zum Beispiel:

Die Anfahrt dauert zirka 45 Minuten, nehme ich an? Also, inklusive Vorbereitung, Packen, An- und Abfahrt, Auf- und Abbau bei Ihnen, natürlich plus Auftritt, rechne ich mit ungefähr vier bis fünf Arbeitsstunden. Dafür würde ich, alles inklusive, hundert Euro vorschlagen.“

(Anmerkung: Damit will ich keinem Kollegen die Höhe seiner Gage vorschreiben – Näheres hierzu: https://diemagiedesgr.blogspot.com/2015/03/und-was-kostet-das.html)

So ergeben sich nunmehr, unter Berücksichtigung der wahren Arbeitszeit (über die Sie so Ihren Gastgeber informieren), nicht viel mehr als 20 Euro pro Stunde – und dafür kommt kein Handwerker ins Haus. Weisen Sie gegebenenfalls ruhig auf diesen Umstand hin!

Aber auch damit können Sie nicht alle Interessenten zufriedenstellen. Der Grund ist klar: Die defekte Klospülung muss repariert werden – ein Zauberer hingegen ist nicht unbedingt nötig.

Ich sehe das ebenfalls so: Der Live-Auftritt eines Künstlers ist etwas Besonderes. Und obwohl ich nicht davon lebe, sehe ich auch nicht ein, diesen „Luxus“ für ein Trinkgeld zu verramschen.

Übrigens sind gerade die Leute, welche den Preis drücken wollen, meist keine Hartz 4-Bezieher – im Gegenteil. Immer wieder erlebe ich es dann vor Ort, dass einfache Menschen nach der Vorstellung noch einen Schein drauflegen (oder eine Flasche Wein) – bei Kunden in eher exquisitem Ambiente hingegen bekommt man so gut wie nie auch nur einen Euro extra!

Auch die andere Frage sollten Sie zurückgeben: „Wie lange soll ich denn zaubern, was meinen Sie?“ Man hört dann (gerade bei größeren Kinderfesten) oft Erstaunliches: Ja, so zwei Stunden wären schon ganz gut… In solchen Fällen läutet bei mir bereits die Alarmglocke: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie dann eher zur „Kinderbetreuung“ denn zum Zaubern eingesetzt werden sollen, damit die Gastgeber weniger Stress haben. Natürlich mache ich anschließend klar, dass die Dauer einer Schulstunde (45 Minuten) die Obergrenze ist – bei kleineren Kindern eher weniger.

Weiterhin frage ich alles ab, was ich an Organisatorischem wissen muss – und weise auf die Liste hin, welche auf meiner Website steht:

Außer bei sehr guten Bekannten verlange ich auf jeden Fall eine schriftliche Auftragsbestätigung (heute ja per Mail leicht auszutauschen). Der Kunde erhält dabei einen Text, den man ebenfalls auf meiner Website finden kann:

Bei aller Digitalisierung freuen sich die meisten Kunden dennoch, wenn sie etwas schriftliches Informationsmaterial bekommen. Ich biete es jedenfalls stets an und übersende dann meinen Prospekt, eventuell zusätzlich auch spezielle Hinweise für besondere Fälle.

Wenn ich meine alten Unterlagen zu den über tausend Auftritten in bald 35 Jahren durchblättere, wird mir klar: Nach den Erfahrungen, über die ich nun verfüge, hätte ich sicherlich zwischen 10 und 20 Prozent der Engagements ablehnen sollen – gerade im Kinder-Bereich.

In vielen Fällen liefert nämlich bereits das erste Telefonat  Alarmzeichen, welche man nicht überhören sollte:

·         Wenn ums Geld geschachert wird, ist das ein sehr schlechtes Omen. Sollten sich die Gastgeber dann zähneknirschend auf die Höhe der Gage einlassen (vielleicht, weil die Kollegen noch teurer sind), dürfen Sie sicher sein: Praktische Hilfe vor Ort werden Sie kaum erhalten, eher muffiges Verhalten  – und wenn Sie Pech haben, sind die Spuren solchen Anspruchsdenkens bereits auf die Kinder übergegangen. Im Zweifel lieber selber die Reißleine ziehen – sollen die doch in einen Kinder-Ferienpark fahren und dort das Mehrfache des Geldes lassen!
·         Bedenken sollten Ihnen auch kommen, wenn die Auskünfte nur widerstrebend erfolgen: Nein, man wisse 14 Tage vorher noch gar nicht, wie viele Gäste kämen, in welchen Räumlichkeiten der Auftritt stattfinden solle, wo Sie Ihre Requisiten ungestört vorbereiten könnten... Das Risiko ist groß, dann in einem desorganisierten Chaos zu landen. Bitten Sie in solchen Fällen um eine neue Kontaktaufnahme, wenn diese Daten feststünden – meist hört man dann nie mehr etwas vom Kunden…
·         Ebenfalls ein sehr schlechtes Zeichen ist während des Gesprächs lautes Kindergeschrei im Hintergrund. Wenn die Mutter es nicht hinkriegt, einmal zehn Minuten ungestört zu telefonieren, sind die Machtverhältnisse in dieser Familie äußerst verdächtig! Ich spreche das inzwischen ganz offen an: „Sagen Sie, bei der Vorstellung sind die Kinder dann schon ruhiger, oder?“ Es gibt Fälle, wo Ihre Gesprächspartnerin die Problematik positiv erkennt und für Ruhe sorgt. Ansonsten sollten Sie es lassen.
·         In den Jahrzehnten meiner magischen Aktivitäten ist das Alter der Kinder stetig gesunken, in dem sie nach Ansicht der Eltern schon reif für einen Zauberauftritt sind. Auch für Zweijährige scheint inzwischen zu gelten: „Mein Kind versteht das schon!“ Ein klares Nein: Erst ab mindestens vier Jahren ist der Realitätssinn der Kinder stark genug entwickelt, dass sie Abweichungen von der Wirklichkeit, also Zauberei, einschätzen können. Lassen Sie da nicht mit sich handeln, das wird nichts – schlimmstenfalls haben Sie einen quengelnden und plärrenden Störfaktor, der Ihren Auftritt ruiniert.
Bei kleineren Kindern gebe ich den Eltern den Rat: „Hängen Sie sich eine Decke um und brüllen, dann sind Sie ein Löwe!“
·         Höchste Vorsicht ist geboten, wenn der Anruf von einem Kindergarten, einer Schule oder ähnlichen Einrichtung kommt. Meist geht es dann um eine größere Fiesta mit Altersstufen vom Kleinkind bis zum Opa. Schon das ist schwierig genug!
Zusätzlich herrscht an solchen Orten leider nicht selten eine „Kultur der organisierten Verantwortungslosigkeit“: Eine Mitarbeiterin bekam den Job aufgedrückt, einen Zauberer zu besorgen – und die gibt die lästige Aufgabe so bald als möglich ab. Folge: Die Person, mit der Sie alles abgesprochen haben, ist am Auftrittstag gar nicht da. Szenetypische Begründungen: Urlaub, Krankheit, Fortbildung, Teilzeit. Daher dürfen Sie sich im Gewühl durchfragen und landen endlich bei einer pädagogischen Kraft, die eigentlich nur weiß, dass „ein Zauberer kommt“.
Daher: Lassen Sie sich schriftlich bestätigen, wer Sie bei der Vorstellung betreut – und was dazu alles gehört. Öfters kriegt man dann von der Einrichtung eine Absage…
·         Letzter Tipp: Wenn eine Künstleragentur anruft – sofort auflegen! Nach meiner Erfahrung gibt es nur schlechte und ganz miese Agenturen. (Okay: Es mag auch wenige gute geben – aber die rufen nicht mich an, sondern Günther Jauch…)

Wenn ich dann zugesagt habe, kann ich nur hoffen, dass alles so wird, wie man es besprochen hat. Dies ahne ich schon am Hauseingang des Auftrittsorts: Wenn davor kreuz und quer die Fahrräder liegen, ist das kein gutes Zeichen. Ebenso, wenn kein Erwachsener die Tür öffnet, sondern nach mehrmaligem Läuten ein Kleinkind. Muss ich dann im Flur über einen Berg von Jacken steigen, wird es ganz schlimm. Und wenn ich dabei auch noch auf einen Keks trete, möchte ich eigentlich gleich wieder heimfahren.

Was ich stattdessen mache, erfahren Sie in den nächsten Beiträgen!

Foto: www.tangofish.de

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