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meiner kleinen Serie von Geschichten aus fast 35 Jahren Zauberei. So
unglaublich diese auch fallweise klingen mögen: Ich habe sie alle selbst erlebt
und ohne jede Übertreibung aufgeschrieben. Viel Vergnügen!
Auftrittsplätze
bringen einen gelegentlich zum Grübeln: Ob der Veranstalter schon jemals eine künstlerische Darbietung erlebt haben mag? Ein kleines „Best Of“:
· Auf der stählernen Ladefläche eines LKW legten wir an einem Sommertag eine heiße Sohle hin!
· In der überfüllten Turnhalle eines heilpädagogischen Zentrums hingen die Kinder sogar über uns an Kletterstangen.
· Der Auftritt in einem Nobelhotel wurde kurzfristig in den „Spiegelsaal“ (mit Rundumeinsicht!) verlegt.
· der unüberdachte Treppenabsatz vor einer Haustür (ca. 1 m2) nebst plötzlich einsetzendem Regen
· Bierzelt, nach längerem Regen, mit einigen über den Matsch gelegten Brettern als „Künstlereingang“
· Partyzelt auf einer abschüssigen Wiese: Wir boten einen ziemlich schrägen Auftritt nebst umfallendem Zaubertisch!
· Der Burggraben eines Schlosses erzwang ca. 30 m Abstand zwischen Publikum und Künstler; die Brücke war über 300 m entfernt – ein „spontan“ assistierendes Kind musste bereits vor Beginn ans richtige Ufer verbracht werden!
· schmutziger Dachboden mit Vorhang (= Wäscheleine + Decke); Aufstieg über Hühnerleiter (gerechterweise hatte ich meine Tonanlage vergessen)
· Schlafzimmer: auf der einen Seite des Bettes die Zuschauer, auf der anderen ich – Requisiten auf dem Bett liegend
· Elefantenhaus in einem Tierpark: Als ich den „verschwindenden Elefanten“ vorführte, fühlte sich das ebenfalls anwesende Flusspferd nicht angesprochen und tauchte unter lautem Grunzen ab!
· Christmette in einer evangelischen Kirche: Der (ziemlich unkonventionelle) Pfarrer hatte sich neben Reisschalen, Bambusrohren und Buschtrommeln einen Zauberer eingebildet, der zu reichlich abstrusen Texten passende (?) Effekte zeigen sollte. Die braven Kirchgänger starrten mich an, als sei ich einer geschlossenen Anstalt entsprungen – ich dagegen fühlte mich in einer solchen angekommen…
Technische Anlagen vor Ort
haben mich längst dazu gebracht, mir eine Tonanlage nebst drahtlosem Mikrofon anzuschaffen. In grauer Vorzeit verließ ich mich auf das Equipment der Veranstalter…
· Der laut Vertrag „leistungsfähige Cassettenrecorder“ bei einem Kindergeburtstag erwies sich als riesige Mickymaus von Tchibo, der man, sollte die Musik ertönen, den Schnabel zuhalten musste – ähnliche „Kaffeezugaben“ wurden uns noch mehrfach angedient!
· Bei einer ziemlich noblen Geburtstagsfeier mit Barpianisten und Buffet von „Käfer“ spielte die Edel-Hifi-Anlage statt meiner Auftrittsmusik die Verkehrsdurchsage von Bayern 5 („zwischen den Anschlussstellen …und … kommt Ihnen ein Zauberer entgegen“).
· Ein großes Hotel musste kurz vor Auftrittsbeginn (20 Uhr) einen Elektriker holen, der die völlig desolate Installation in einer halben Stunde reparierte – 150 Zuschauer warteten so lange…
· Einmal reiste ich ca. 80 km an, um mir im Vorfeld die Licht- und Tonanlage einer Stadthalle anzusehen. Kommentar des Hausmeisters: „Meinen Sie, dass ich extra wegen Ihnen jetzt da raufsteige?“ Meine Antwort: „Meinen Sie, dass ich extra wegen Ihnen unverrichteter Dinge wieder fahre?“
· Vertraulich war auch die Anrede eines Gastwirts in ähnlicher Situation, der mich mehrfach mit „guter Mann“ titulierte, bis ich ihn dann ebenso ansprach. Hinfort war er tödlich beleidigt! Ein anderer Vertreter dieser Zunft erlaubte sich die Frage: „Was ist eigentlich, wenn ich das jetzt nicht mache?“ Na klar: „Dann fahr’ ich halt wieder und krieg’ mein Geld trotzdem!“
· In einer noch feudaleren Stadthalle freute ich mich schon auf die Super-Bühnentechnik. Leider erfuhr ich, dass ich auf der Vorbühne zu arbeiten hatte. Aber wenigstens farbiges Licht wollte ich haben, ging aber nicht: Man hätte (14 Tage vorher!) vermittelst einer Leiter hochsteigen müssen, um die Scheinwerfer neu einzurichten…
· In einem äußerst noblen Casino mit modernster Ausstattung wollte ich mein drahtloses Mikrofon über die hauseigene Anlage laufen lassen. Auskunft im Vorfeld: Kein Problem, der Techniker, der diese installiert habe, sei persönlich anwesend. Der bastelte dann am Abend eine halbe Stunde herum, doch es gelang diesem Idioten nicht, das Scheißding in Gang zu bringen – bis zu diesem Moment: Mein vorstehender Kommentar wurde an die hundert hochrangigen Gäste übertragen!
· Zurückgeschlagen haben wir auch, als sechzig Essensgäste plötzlich mit ihrem Besteck ins Dunkle stießen: Wir hatten wohl beim Rumprobieren zwischen Saal- und Bühnenbeleuchtung etwas den Überblick verloren.
· Eine Kleinkunstbühne auf dem Lande warb gekonnt mit Portraits des Regisseurs, der Marketingleiterin sowie des Licht- und Toningenieurs. Am Abend des Auftritts reduzierte sich das Personal auf eine Bedienung, die mir zeigte, wie man, in einer staubigen Seitengasse kniend, den Stecker unter Aussendung bläulicher Funken in die Dose praktizieren musste, auf dass die Bühnenbeleuchtung ansprang!
· Selten wird uns zu viel Technik aufgedrängt, aber den Alleinunterhalter, der uns nach jedem Effekt „Tüsche“ und elektronischen Applaus einspielte, brachten wir schleunigst zur Ruhe!
· Das Intro ist wahrlich der spannendste Moment eines Auftritts, da es sich in der ersten Minute entscheidet, ob man das Publikum gewinnt oder nie mehr erreicht. Schön, wenn da plötzlich die Begleitmusik ausfällt! Dies schafften u.a. ein professioneller DJ (die Anlage war für mehrere Minuten defekt) und der leicht eifersüchtige Gatte einer Kundin, der zweimal hintereinander den Stecker aus der Dose zog (wie sinnig!).
Die Ansage
bildet ja die vorweg genommene Rache des Veranstalters am Künstler. Wenn man die, hilflos in den Kulissen wartend, überstanden hat, ist der Auftritt selber das kleinere Übel.
Oft wird als erstes betont, dass ich meine Gage für eine Wohltätigkeitsorganisation spende, so nach dem Motto: Mag es auch nichts Besonderes sein, so ist es doch immerhin für einen guten Zweck. Welchen nun genau, unterliegt der Kreativität des Moderators: Statt der Deutschen Welthungerhilfe wird schon mal die „Weltkinderhilfe“ (gibt’s die?), die Innere Mission, Misereor oder sonst was Leidendes genannt.
Gegen Rufmorde anderer Art kann man sich beim eigenen Intro revanchieren. Als ich einmal in einem Reisebüro auftrat, meinte der Chef: „Nun, es ist zwar nicht David Copperfield…“, was bei mir zur Replik führte: „Nun, ich zaubere zwar heute nicht für die TUI…“. Ein Bandleader formulierte wie folgt: „Jetz’ kimmt a Super-Zauberer, der…wia hoaßt er überhaupt?“ Ich dankte anschließend der Super-Musikgruppe, den… Mir wollte der Name partout nicht einfallen!
Loriot-reif war die Ansage eines Mitglieds der Familie Hoppenstedt: Akribisch schon die Planung – ich bekam eine Kopie des Textes, in dem die jeweiligen Publikumsreaktionen (Lachen, Klatschen) schon verzeichnet waren… Gut, wenn man seine Lieben so genau kennt!
Einen Künstlernamen (möglichst noch auf „-ini“ endend) mochte ich mir nie zulegen – der wirkliche Name oder allenfalls „Die Magie des G.R.“ sollte reichen. Doch leider vereint sich hier die geballte Kreativität von Veranstaltern und Journalisten. Im Laufe meiner magischen Laufbahn erfanden Organisatoren und Presse fast ein Dutzend falscher Namen. Wer Näheres erfahren will:
https://diemagiedesgr.blogspot.com/2015/03/ein-zauberer.html
Vor der Show
gilt vor allem: Ruhe bewahren und warten!
Der häufigste Satz, den wir beim (fast immer pünktlichen) Eintreffen am „Tatort“ zu hören bekommen, lautet: „Wir sind noch beim Essen.“ Wegen der Serviererei kann man noch nicht alles fertig aufbauen. Beim Eintritt der Sättigung soll man dann aber blitzartig auftreten, wird oft zu früh angesagt und kämpft dann mit diversen Haken und Ösen. Dies riss einen Veranstalter einmal zu der Ankündigung hin: „Er kimmt glei, aber er bringt sei’ Schleiferl no ned zua!“
Nett gemeint ist sicherlich das Angebot, derweil an leiblichen Genüssen teilzunehmen. („Kommen Sie doch schon zwei Stunden früher, dann können Sie mit uns essen!“) Es ist schwer vermittelbar, dass vorheriges Herumsitzen im Publikum weder dramaturgischen Gesetzen entspricht noch mit dem steigenden Adrenalinspiegel kompatibel ist. „Aber hinterher die Nachspeise müssen Sie probieren!“ Geduld, dazu kommen wir später…
Leider setzt bei der Ankündigung magischer Ereignisse in der Verdauungsphase bei Erwachsenen ein umfassender Run zum Klo ein. (Gut, wenn das nicht die Garderobe war!)
Die letzte Minute vor dem Auftritt ist auch die passende Gelegenheit, mir noch wichtige Fragen zu stellen („Wie sollen wir Sie ansagen?“, „Dürfen wir während der Vorstellung fotografieren?“ oder „Wie lange dauert denn Ihre Show?“)
Tritt man dann auf bzw. ein, so kollidiert man gerne mit der Kellnerin, welche noch ein letztes Bier bringt, dem Haushund oder freilaufenden „Pampers-Rockern“.
Nach dem Auftritt
und einer knappen Stunde Text, Zaubertechnik, Ablenkung, Mimik, Gestik, Schauspielerei und Spontanreaktionen bleibt künstlerseits eine gewisse körperliche und geistige Leere zurück. Zudem muss man ja blitzartig seine Requisiten vor neugierigen Kindern jeden Alters retten, welche zumeist schon 30 Sekunden nach Auftrittsende dringend ihren in der Garderobe aufgehängten Mantel oder das dort deponierte Geburtstagsgeschenk benötigen und mit dem Satz „Ich schau’ schon nicht!“ hereingestürmt kommen.
Obwohl man sich also mit Fragen wie „Toll! Ein Bier?“ oder allenfalls „Haben Sie einen Prospekt für mich?“ zufriedengeben würde, muss man – sofern einen die Assistentin nicht rettet – längere Gespräche führen:
Aufbauend ist die Frage, ob man den Zauberkollegen NN aus XYZ nicht kenne – also, was der alles drauf habe – super! Gemeinerweise kann ich mich an solche Leute generell nicht erinnern!
Nach einer Vorstellung für gute Freunde (also gagenfrei) rühmte einer der Verwandten die Leistungen eines Kollegen derart penetrant, dass ich schließlich wissen wollte, was denn nun an dessen gezeigten Effekten so toll gewesen sei. Die Antwort: „Na, das kann man nicht vergleichen, der nimmt für jede Vorstellung fünfhundert Euro!“ Meine Antwort: „Den Trick kann ich auch…“
Bezeichnenderweise wurde mir eine Bemerkung dieses Zuschauers vor meinem Auftritt kolportiert: „Jetzt noch den Zauberer, dann haben wir’s hinter uns!“
Da war mir die Feststellung einer älteren Dame schon lieber, sie hätte seit dem legendären Kalanag keine derart gute Darbietung mehr gesehen – auch wenn dann die Nachfrage ergab, dass die Zuschauerin seit damals überhaupt keinen Zauberer mehr gesehen hatte…
Bei einigen Reengagements waren die Veranstalter voll des Lobes über meinen früheren Auftritt, den ich leider anhand der Beschreibung nicht wiedererkannte – man hatte wohl die Telefonnummern verwechselt, was mich nicht an einer Zusage hinderte! Einmal bekam ich sogar zu hören, man wolle mich wegen der guten Musik wieder als Alleinunterhalter – als ich einwarf, der ebenfalls aufgetretene Zauberkünstler zu sein, nahm die Begeisterung merklich ab…
Fast unvermeidlich ist der bei Verwandtschaftstreffen häufige Onkel Fritz, welcher einem nach einigen einleitenden Sprüchen freudig mitteilt, er könne auch zaubern, und daher sein Kartenspiel zückt, auf dass man daraus umgehend eine Karte ziehe… Wow!
Gelegentlich wird man nach der letzten Verbeugung von „Experten“ beiseite genommen und mit dunkler Verschwörer- und Insiderstimme in „fachliche“ Diskussionen verwickelt, so nach der Prämisse: Ich weiß eh, wie’s geht, möchte aber noch die Feinheiten Ihrer Methode erörtern… Meine Devise: Reden lassen (tun die eh am liebsten)! Von einem solchen gut unterrichteten Herrn (ein Berufskollege von ihm zaubert auch) erfuhr ich, dass es drei Sparten der Magie gebe: Fingerfertigkeit, Apparatezauberei und Gedankenlesen. In welcher davon ich denn tätig sei? Ich unterdrückte die Antwort: „Nicht in einer Ihrer Schubladen…“
Kaum entziehen kann man sich der nachherigen Beteiligung bei Dessert, Kaffee, Kuchen sowie „gemütlichem Beisammensein“. Die künstlerseitige Nahrungsaufnahme wird von Publikumsblicken begleitet, die zwischen Mitleid und der Befriedigung schwanken, dass nun auch hungrige Kleindarsteller satt werden können. Zudem muss man mit vollem Mund originelle Fragen beantworten im Stile von „Seit wann zaubern Sie schon?“ , „Müssen Sie viel üben?“ und „Das Wichtigste ist ja wohl die Fingerfertigkeit?“. Ideal geeignet ist diese Situation zur Äußerung lang gehegter Wünsche wie „Können Sie mir nicht ein Bier herzaubern?“ oder „Lassen Sie doch mal meine Frau verschwinden!“ Meine (ebenfalls standardisierte) Antwort: „Magie ist die Kunst der erhabenen Zwecklosigkeit – bei den nützlichen Dingen versagt sie!“
Ergreift man nach hastigem Verzehr nicht schnell genug die Flucht, erhält man eventuell noch einen profunden Einblick in akute sowie chronische Erkrankungen einzelner Familienmitglieder, deren hochwichtige Berufe nebst gesellschaftlichen und politischen Grundvorstellungen. Und wenn man nicht schnell genug wegkommt, droht schon die nächste Darbietung, die man dann wohl oder übel absitzen muss: Schwager Heinz und Gemahlin Gertje sagen ein sich hinten reimendes Geburtstagsgedicht auf – gewürzt mit witzigen Geschenken wie Schlankheitspillen, Klopapierrollen…
Gerne wird bei solchen Anlässen auch der Hauptberuf des Künstlers zum Mittelpunkt angeregter Erörterungen, wobei man in meinem Fall endlich alle Klischees über den Paukerstand loswird – „Leerer ohne ‚h’ (kicher, kicher), da haben Sie ja viel Zeit für Ihr Hobby!“ Einmal revanchierte ich mich beim leitenden Angestellten eines gerade in die Schlagzeilen gekommenen Großkonzerns: „Und Sie arbeiten bei dieser Schmiergeldfirma?“
Den Vogel schoss ein Vertreter der höheren Bildungshierarchie ab, als ich einmal beim Geburtstag eines Schulleiters zauberte: „Das war ja ein professioneller Auftritt – kaum zu glauben, dass Sie Lehrer sind! Was sagt eigentlich Ihr Chef zu dieser ausgedehnten Nebentätigkeit?“ Nur der Hinweis, dass ich meine Gagen spende, hielt ihn wohl von dienstlichen Nachforschungen ab!
Und man weiß: Nach der Show ist vor der Show!
Fortsetzung folgt…
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