Dienstag, 24. März 2015

„Ein Zauberer“



„Call me a motherfucker, but spell my name correctly!“

Es begab sich, dass ich vor Kurzem beim Fest einer Kirchengemeinde zaubern sollte. Fast vier Wochen vor dem Auftrittstermin schrieb ich der ob meiner Künste bereits vorab begeisterten Organisatorin: „Falls Sie für Werbung, Ankündigung etc. Bilddateien von mir benötigen, würde sich meine Illustratorin bei Ihnen melden.“ Eine Antwort blieb aus.

Als ich einige Zeit später auf die Website der Pfarrei sah, hieß es dort lediglich, „ein Zauberer“ werde den Event verschönern. Bei der Ortsbesichtigung einen Tag vor meiner Darbietung machte ich die Veranstalterin darauf aufmerksam, dass auch wir Magier nicht vom Verschweigen lebten und ich es daher nett gefunden hätte, namentlich erwähnt zu werden – so, wie sie ja wohl auch nicht schreiben würde, der Festgottesdienst würde von „einem Pfarrer“ zelebriert. Und warum sie nicht das angebotene Bildmaterial zur Werbung eingesetzt hätte? (Im Übrigen konnte ich mir nun sicher sein, dass auch in der Presseankündigung bestenfalls von „einem Zauberer“ die Rede war!)

Die „Chefin von‘s Ganze“ gab sich betroffen: Das habe man wohl übersehen, und zudem hätten die vor mir bei Kirchenfesten engagierten Zauberkollegen auf sowas keinen Wert gelegt (!). Man werde sich aber bemühen, dass nachher auf der Pfarreiwebsite sowie in der Zeitung meine Person gebührend gewürdigt werde.

Bis zum Auftrittstag reichte der gute Wille wohl leider nicht – auch auf den Plakaten und Wegweisern vor Ort war nur vom „Zaubern“ die Rede. Eine Reporterin aber erschien tatsächlich, wurde von meiner Frau sogleich mit entsprechendem Informationsmaterial versorgt, schien sehr interessiert und fotografierte alles, was sich bewegte.

Am übernächsten Tag erschien wahrhaftig im Lokalblatt ein ausführlicher Bericht über die Feier – u.a. sogar mit einem Foto meines Auftritts, an dessen linkem Rand ich auch persönlich identifizierbar war. Die Bildunterschrift lautete: „Ein Zauberer unterhielt die Gäste der Feier mit seinen Tricks.“ Auch im Artikel selbst war nur davon die Rede, dass die Gäste „eine Zaubershow erlebten“ – während natürlich alle anderen Beteiligten (auch die singende Tochter der Veranstalterin) namentlich genannt waren. Ja, mehr als das: Beim Landrat hielt man sogar dessen Zusage für lesenswert, er werde bei der nächsten Feier „ein Wildschwein spendieren“. Na prima, das hat – bis auf die arme Sau – sicherlich alle gefreut!

Nun gilt für mich beim Kontakt mit Journalisten nach jeder Menge leidvoller Erfahrungen die Devise „höchste Frustrationstoleranz bei niedrigster Erwartungshaltung“. Viele Vertreter dieser Branche verbinden gekonnt einen hohen Grad an Desorganisation mit einem chaotischen Zeitmanagement: Interviewtermine gelten als völlig unverbindlich, zugesandtes Material landet im Spamfilter – und bei kritischen Reaktionen ist man viel zu beleidigt, um davon Notiz zu nehmen.

So kann es mich bei öffentlichen Auftritten kaum noch verwundern, wenn zehn Minuten nach Beginn ein nebenberuflicher Spaltenfüller mit Fotoapparat in Vorhalte durch die Saaltür bricht, wild um sich knipst, insgesamt zehn Minuten bleibt und dann einen Artikel liefert, welcher mit meiner Zaubershow nur sehr indirekt zu tun hat. Eckhard Böttchers „Tuch-Färbung-Ei“ liest sich dann so: „Herr Riedl färbte ein weißes Taschentuch rot“ – und mit „er durchbohrte mit einem Stäbchen folgenlos eine Glasscheibe“ ist natürlich das „Herz aus Glas“ von Punx gemeint. Gerne erinnere ich mich auch noch an einen Hörfunkbericht auf „Bayern 4“, bei dem mich eine Journalistin zu einem Auftritt begleitete und dort kaum von meinen Requisiten wegzubringen war. Anschließend durfte ich die Dame, da unmotorisiert, noch nach Hause fahren. Heraus kam dann ein Drei-Minuten-Report im Stil von „Auf der knarzenden Bühne des Pfarrheims stand Gerhard Riedl vor zwei Dutzend Seniorinnen“.

Immerhin war da noch mein Name richtig genannt, so viel Glück hat man (trotz Überreichung von Flyern, Visitenkarten etc.) nicht immer. In meiner Zauberkarriere wurde aus
"Gerhard Riedl, Pörnbach, Lehrer am Hallertau-Gymnasium Wolnzach“
die folgende Auswahl:
 
„Gerhard Riedel“
„Gerald Riedl“
„Gerd Riedl“ (war mal der Vorname meines Schäferhunds)
„Kurt Riedl“
„Herbert Riedel“
„Gerhard Riel aus Förnbach“ (gibt’s auch, ist ein noch kleineres Dorf)
„Gerhard Riedl, Schrobenhausener Gymnasiallehrer“
„Gerhard Reindl, Lehrer an der Mainburger Hauptschule“
„Big-Magic-Riedl“ 

Da freut man sich sogar noch, wenn man lediglich als „ein Zauberer“ tituliert wird…

Ist das alles eigentlich böser Wille oder nur abgrundtiefe Dämlichkeit?

Da es mir zu schwer war, über dieses Thema keine Satire zu schreiben, habe ich es auch gar nicht erst versucht. Vielleicht sollte man ja den bekannten Zweizeiler zur Berufswahl noch um hundert Prozent steigern:

Wer nichts ist und wer nichts kann,
geht zur Post oder zur Bahn.
Und wem selbst das zu schwierig ist,
dem bleibt nur noch Journalist.

P.S. Auf der Website der Kirche fand ich heute zur Veranstaltung nur den Hinweis, doch bitte selbstgebackenen Kuchen mitzubringen. Na, ob der zum Wildschwein passt?

P.P.S. Ich sandte damals den Link zu diesem Artikel an das besagte Lokalblatt. Eine Antwort erhielt ich nie!

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