Dienstag, 3. August 2021

Zauberhändler

 

Ich weiß noch genau, wie mein erster Kontakt zu dieser Spezies zustande kam: Vor fast 40 Jahren wünschte ich mir von meinen Eltern zu Weihnachten ein paar Zaubertricks. Vorher hatte ich mit glühenden Augen den Katalog der Firma Kellerhof studiert und war begeistert von den magischen Verheißungen, die ich dort vorfand.

Nach der Bescherung war meine Hochstimmung etwas abgeflaut. Die Prospekt-Poesie schien mir doch ziemlich übertrieben – und die tollen Requisiten waren eher billig wirkende Plastikprodukte, mit denen man auch technisch nicht immer einfach zurechtkam. Die beiliegenden schriftlichen Erklärungen bestanden öfters aus wenigen Sätzen auf einem Zettel im DIN A5-Format.

Dass es auch anders geht, erfuhr ich 1984, als mich ein Kollege auf Eckhard Böttchers „Zauber Butike“ aufmerksam machte. Dort kamen alle zwei Monate „Zauberbriefe“ heraus, welche weitgehend realistische Beschreibungen und vor allem schöne Abbildungen (bald darauf sogar in Farbe) enthielten.

Die meisten Requisiten waren sehr gut verarbeitet und wiesen ein ansprechendes Design auf. Vor allem aber war ich beeindruckt von den wirklich ausführlichen Beschreibungen. Bei denen merkte man, dass Böttcher selber ein hervorragender Zauberkünstler war und sich mit dem Material ausführlich beschäftigt hatte. Manchmal enthielten die Anleitungen Ideen von Zauberkollegen. Auch für ein Requisit, das weniger als 20 DM kostete, bekam man oft mehrere Seiten mit vielen Anregungen.

Weitere Routinen und Tipps fand man öfters in den darauf folgenden Zauberbriefen, wo Beiträge von Kunden veröffentlicht wurden. Etliche Routinen stammten später sogar aus meiner Feder – hatte ich doch inzwischen begriffen, dass es nicht die eine „richtige“ Methode gab, einen Effekt zu präsentieren. Kein Zweifel: Böttchers Stil regte dazu an, sich über ein Kunststück selber kreative Gedanken zu machen.

Ich habe in der ganzen Zeit viele Händler kennengelernt, deren Ambitionen sich auf sehr bescheidenem Level bewegten. Nach meinem Eindruck werden oft Requisiten verkauft, die man selber nicht einmal auspackt, um sie auszuprobieren. Lediglich die oft englischen Beschreibungen werden eher schlampig ins Deutsche übersetzt. Man muss ja selber gar nicht zaubern können, um magische Effekte zu verhökern.

Ich hatte nicht die Energie (und lange Zeit auch nicht das Selbstvertrauen), mich mal bei gewissen Trickverkäufern über die schlechte Qualität ihrer Produkte zu beschweren. Wahrscheinlich wäre dabei aber eh nichts herausgekommen, da Zauber-Utensilien wegen des „Geheimnisses“ meist vom Umtausch ausgeschlossen sind. Und nach meiner Erfahrung prunken gerade die Händler mit den lausigsten Geschäftspraktiken am meisten mit „Exklusivität“. Kritik daher zwecklos…

Ich möchte hier keine konkreten Empfehlungen oder Warnungen aussprechen – schon, da ich nur noch höchst selten etwas bei Händlern bestelle und daher nicht auf dem aktuellen Stand bin. Allerdings musste ich in den letzten Jahren bei relativ teuren Effekten (Blumen-Produktionen) feststellen, dass  beispielsweise viel zu schwache Magnete verwendet wurden oder in einem Fall ein Bodengestell, das deutlich zu leicht und daher instabil war. Ich behaupte einmal, dass die betreffenden Verkäufer den Effekt nie persönlich probiert haben, weil selbst bei nur rudimentären Zauberkenntnissen hätte auffallen müssen, dass ein Handling nicht oder nur mit viel Mühe klappt.

Man wird so zu größeren Bastelarbeiten gezwungen, damit Requisiten halbwegs funktionieren, die man für teures Geld erstanden hat. Ich finde, etliche Zauberhändler sollten bestenfalls Scherzartikel anbieten. Das zeigt sich häufig schon am verwendeten Material: Kunststoff und Pappendeckel. Utensilien aus früheren Zeiten waren dagegen aus Metall, Holz und Glas gefertigt. Ich würde beispielsweise viel darum geben, ein wunderbares Kunststück wie die „Zig Zag Lady Parade“ in einer stabilen Ausführung erwerben zu können, statt bei jeder Vorführung zu zittern, ob das zusammengepappte Zeug nicht endgültig zerfällt.

Öfters ärgere ich mich auch, dass man technisch nicht an diverse Verbesserungen gedacht hat, welche die Präsentation viel überzeugender machen würden.  

Aber solche Missstände haben auch ihr Gutes, warnen sie uns doch vor der Legende, von welcher die Requisiten-Dealer leben: „bestellen, auspacken, Beschreibung lesen, vorführen“. Mit überzeugender Zauberei hat das natürlich nichts zu tun. Sieht man sich YouTube-Videos von Klassikern wie den „Hopp Hopp Kaninchen“ oder dem Würfelkasten an, erkennt man aber: Dieser Irrglaube findet viele Jünger, welche diese Routinen alle gleich und streng nach Vorschrift zeigen.

Wie man ein Kunststück rein durch die „Verpackung“ aufwerten kann, sieht man in diesem Video:


https://www.youtube.com/watch?v=kYjE5H_tCsU

Bedenken Sie daher: Fast alle Gerätschaften, welche Ihnen die Zauberhändler verkaufen, können mehr, als in der Beschreibung steht. Dazu muss man sich mit dem Material intensiv auseinandersetzen und darf nicht gleich aufgeben, wenn es nicht passt. Bei mir lagen Requisiten oft jahrelang herum, bis ich auf den entscheidenden Dreh, die passende Textidee kam, die plötzlich eine überzeugende Darbietung ermöglichten.   

In meinem Zauberbuch habe ich eine Anekdote über den legendären Ken Brooke erzählt, der ja auch als Verkäufer in einem Zauberladen arbeitete. Er verblüffte einen Kunden maßlos mit einem Effekt – und als der das Kunststück sofort erwerben wollte, überreichte Ken Brooke ihm ein Buch, welches der Käufer noch kurz vorher als „schrecklich langweilig“ bezeichnet hatte.

Wenn Sie ein solches Werk kaufen, erwerben Sie nicht einen Effekt, sondern Dutzende! In der magischen Literatur warten viele ungehobene Schätze auf Sie – man muss sie nur entdecken! Und es gibt Requisiten, die nicht nur eine Aktion ermöglichen, sondern viele – beispielsweise Kartenspiele, Schwammbälle oder Seile.

Ich gestehe gerne, bei den Zauberhändlern viel Geld gelassen zu haben – bei entsprechender Beratung hätten sich in meiner Anfängerzeit manche Fehlinvestitionen vermeiden lassen. Die Kunststücke aber, die ich erfolgreich immer wieder zeige, stellen in der Mehrzahl äußerst preiswerte und variabel zu handhabende Effekte dar. Beispielsweise ein paar Seilstücke für die „Odd Ropes“, de Covas „Ropemare“ – oder eine Geldbörse plus Tuch und DS bei seinem „Purse Swindle“. Auch das Riesenkartenspiel, mit dem ich zirka 350 Mal das „Märchen von den vier Wünschen“ von Punx vorgeführt habe, hat sicherlich nur einen niedrigen zweistelligen Betrag gekostet. Einzig das 8er-Ringspiel habe ich vor vielen Jahren – nach heutigen Preisen – für vielleicht 80 Euro erstanden. Allerdings war es auch an die 800 Mal in meinem Programm vertreten – macht pro Auftritt 10 Cent!

Daher rate ich jedem Anfänger, den Zauberhändlern gehörig auf den Wecker zu gehen: Die haben alle Telefon und eine Mailadresse für Anfragen – und wenn sie die nicht beantworten respektive Ihnen schrottiges Material mit einer DIN A5-Kurzbeschreibung liefern: Bestellen Sie dort nie mehr – besser wird es nämlich kaum!

Zauberhändler verkaufen halt – im doppelten Sinne – Illusionen. Requisiten sind aber keine Krücken, welche zauberische Mängel ersetzen.

Der höchst kreative Alexander de Cova hat einmal geschrieben:

„Denken Sie einmal darüber nach, dass wahrscheinlich mehr Menschen jonglieren würden, wenn es Jongliergimmicks gäbe!“

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