Sicherlich planten Sie schon einmal ein wichtiges Treffen mit einer Person, die Ihnen
bislang unbekannt war – egal, ob es sich dabei um einen Handwerker, Arzt oder
Versicherungsvertreter handelte. Vielleicht hatten Sie im Vorfeld sogar mit
einem bestimmten Klischee zu kämpfen
wie „unzuverlässig“, „Halbgott in Weiß“ oder „Halsabschneider“?
Meine
Frage nun: In welcher Zeit nach dem ersten Kontakt hatten Sie eine ungefähren
Eindruck davon, ob Ihnen Ihr neues Gegenüber angenehm oder unsympathisch war,
Ihre Klischeevorstellungen erfüllte respektive es Ihnen schien, dass Sie damit
auf dem Holzweg waren?
Ich
vermute einmal, dass Sie dazu nicht lange brauchten: Oft merkt man schon am
ersten Händedruck, einer freundlichen Frage zu Beginn oder einem Lächeln, ob
man sich in einen vertrauensvollen Kontakt begeben möchte oder aber das Gefühl
hat, die „Chemie“ stimme wohl nicht. Sicherlich hängt der Gesamteindruck dann
auch vom weiteren Verlauf ab – generell anders aber fällt er abschließend kaum
einmal aus.
Bei
einer Zaubervorstellung treten genau diese Effekte auf! Sie dürfen davon
ausgehen, dass deren Ankündigung bei vielen Gästen Klischeevorstellungen
abruft, welche oft genug aus der frühen Kindheit stammen (Sternchenumhang,
Spitzhut, Hokus-Pokus-Getue) oder von den zwischenzeitlichen Auftritten von
Kollegen: In dem Fall ergibt sich eine riesige Spannweite von der „Flucht aus
Alcatraz“ à la Copperfield bis hin zu läppischen Späßchen des „Zauber-Clowns“
bei der letzten Vereinsfeier. Eines jedoch ist praktisch sicher: Mit Ihrer
Person, Ihrer geplanten Performance hat das wenig bis nichts zu tun.
Diese
Vorurteile müssen Sie in der ersten
Minute bereits widerlegen! Das primäre Interesse der Zuschauer gilt nicht dem,
was Sie machen, sondern der Frage, wer
Sie sind: Hält man Sie für freundlich, sympathisch, geistreich,
geheimnisvoll, albern, unsicher oder distanziert? Diese Charakterisierung hängt
zunächst von Ihrem Aussehen, Ihrer Mimik und Gestik ab (der optische Sinn ist
beim Menschen der wichtigste!) – und erst in zweiter Linie von Ihrem Text und
/oder der Begleitmusik.
Wenn
Sie Wert auf Engagements außerhalb von Randgruppen legen, müssen Sie „mainstream“ herüberkommen, also so,
wie es die Mehrzahl der Menschen als angenehm und sympathisch empfindet. Ein
Tipp: Sehen Sie sich die ersten sechzig Sekunden von Fernseh- oder Bühnenshows
erfahrener Entertainer (wie Jauch oder Gottschalk) an! Diese Leute haben jahrzehntelang
an der „Wirkung des ersten Moments“ gefeilt und sind (bzw. waren) ziemlich
erfolgreich damit.
Leider
stehen uns Versatzstücke wie Laserlicht, Bodennebel, Pyroeffekte oder hübsche
Balletttänzerinnen zur Verstärkung unserer Wirkung nur selten zur Verfügung. Musik allerdings ist machbar und hat
einen hohen Ankündigungscharakter. Bei Stand up- oder Bühnenzauberei würde ich darauf zu Beginn (und bei der Schlussnummer) nie verzichten!
Wie
auch immer Sie Ihren Typ und die Art Ihrer Zauberei gestalten wollen – Ihr Opening muss genau das, sozusagen
„einreduziert“ enthalten – wie beim Kochen: Der erste Löffel Soße, den
Ihnen der Küchenchef zum Probieren reicht, muss schmecken und Lust aufs ganze
Menü machen.
Leider
wird man bei realen Vorstellungen zu oft Zeuge davon, wie vorab die Küche
aufgeräumt und die Zutaten eingekauft werden – sprich, der Kollege lässt
zunächst einmal lange Reden vom Stapel oder, noch schlimmer, kämpft erstmal mit
dem Mikrofon, der Verstärkeranlage oder bosselt noch an seinen Requisiten
herum. Somit geht der primäre Eindruck eher in Richtung „geschwätzig“,
„umständlich“ oder „unsicher“. Bedenken Sie: Man hat sie nicht als Redner,
Techniker oder Bühnenarbeiter engagiert, sondern als Magier – also zaubern Sie, und zwar dalli!
Da
die erste und wichtigste Information stets über die Optik läuft, empfehlen sich hier vor allem Produktionen. Es bedarf keiner weiteren Erklärungen, wenn Sie
schöne Dinge (wie zum Beispiel Blumen oder Seidentücher) hervorzaubern, sich
also quasi Ihr „Bühnenbild“ selber erschaffen. Gerade in den ersten Minuten
muss die Effektdichte maximal sein,
ihr Publikum sozusagen „atemlos“ machen. (Übrigens auch gut für Ihre Nerven:
Bei einer ganzen Serie magischer Ereignisse ist es nicht ganz so schlimm, wenn ein
Detail einmal nicht so ganz gelingt!)
Die
Auftrittsnummer stellt auch aus anderen Gründen die riskanteste Phase Ihres Programms dar. Meist kommen ja Sie zu Ihren
Kunden, nicht umgekehrt, und müssen daher ein Spiel auf fremdem Terrain
bestreiten. Normalerweise können Sie Ihren Auftrittsort zwar vorab besichtigen,
„zu Hause“ fühlen Sie sich – gerade anfangs – aber nicht. Zudem mussten Sie
vielleicht kurz vorher eine ziemlich schreckliche Ansage des Veranstalters
anhören, oder es laufen Ihnen beim Hereinkommen noch verspätete Gäste, Kinder,
Hunde oder die Kellnerin mit einem vollen Tablett durchs „Bühnenbild“. Ob Mikro
und Tonanlage wirklich gut arbeiten, hören Sie auch erst in diesem Augenblick.
Dass
Sie an vielen dieser Faktoren unschuldig sind, nützt Ihnen wenig: Sie können
doch zaubern, oder? Daher muss die erste Nummer stets die am besten Geübte des ganzen Programms sein: Hier ist überhaupt kein
Platz für Requisiten, welche meistens funktionieren, Kunstgriffe, die
normalerweise gut klappen oder einigermaßen gelernte Vorträge. Ich garantiere
Ihnen: Gemäß „Murphys Law“ werden
Gerätschaften genau in diesem Moment herumzicken, Handgriffe fummelig ausfallen
– und in der anschließenden Hektik fallen Sie aus dem Text!
Daher
am Beginn Hände weg von schwierigen
Routinen – und zaubern Sie lieber zur Musik anstatt Ihrem Gehirn noch eine
Textlinie als „multitasking“ anzutun! Dann haben Sie die Chance, Ruhe und
Souveränität anstatt Anspannung plus Aufregung zu verbreiten. Die Ansprüche
steigern können Sie in der Folge noch – und zwar auf der Basis des Kredits, den
Ihnen das Publikum nach einem gelungenen Intro einräumt!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.