„Ich
weiß, wie das geht!“
„Gut,
merken Sie sich das.“
(Standard-Dialog
bei meinen Auftritten)
Nach
meinen Erfahrungen ist die magische Branche unglaublich fixiert auf den „Trick“
selbst. Möglichst spektakulär sollte er sein, vor allem aber dürfen die
Zuschauer nicht herausbekommen, wie
er funktioniert. Die panische Angst vor der Entdeckung des Geheimnisses (für die meisten der größte
anzunehmende Unfall) führt dazu, weitgehend am technischen Hintergrund zu kleben.
Das
überschattet oft die ganze Performance:
Körpersprache, Ausstrahlung und Texte
leiden darunter, der Gesamteindruck ist nervös
bis krampfig. Entertainment?
I wo! Hauptsache, keiner kapiert, wie es geht.
I wo! Hauptsache, keiner kapiert, wie es geht.
Als
Triumph gilt, sogar Zauberkollegen täuschen
zu können – ein Vorzug, mit dem viele Effekte in Büchern und noch mehr bei
Zauberhändlern angepriesen werden.
Schon
daher muss das Kunststück „neu“
sein, denn die „alten Sachen“ sind
ja in der Szene, vielleicht sogar bei Laien, längst bekannt. So beschäftigen sich viele
Zauberkollegen ein Leben lang damit, den „ultimativen“ Trick zu finden, mit dem sie sogar die Kollegen
hinters Licht führen können. Ob die Sache für Laien irgendeinen Unterhaltungswert besitzt, wird kaum
bedacht. In den Sitzungen des magischen
Ortszirkels betreibt man so weitgehend Inzucht.
Ich
habe früher öfters und meist vergeblich den Dialog mit anderen Zauberern über die Inszenierung eines bekannten
Effekts gesucht. Fast immer gingen meine Ideen ins Leere – kein Thema, man weiß ja, wie die Sache
funktioniert. An dieser Panzerung kann man nur zerschellen…
Mir
persönlich ist es jedenfalls völlig egal, ob andere Magier meine Kunststücke durchschauen oder nicht. Ihre spezielle
Sichtweise sagt mir nichts über die Perspektive des normalen Zuschauers. Und selber verpflichten die mich sowieso nicht
zu einem Auftritt – sie können es ja auch. Wenn sie dann hinter meinem Rücken
erzählen, ich führe nur „olle Kamellen“
vor, nehme ich das inzwischen mit einem Lächeln hin. Was für mich zählt, ist
einzig und allein die Wirkung auf ein Laienpublikum!
Wenn
ich mir den Auftritt eines Kollegen
ansehe, gibt es für mich ein entscheidendes Qualitätskriterium: Die Show ist dann gut, wenn ich mir keine Gedanken darüber mache, wie die
einzelnen Effekte zu erklären sind, der
Vorführende mich also mit seiner Persönlichkeit,
Inszenierung und dem Entertainment
von solchen Gedanken fernhält. Sobald ich Zeit und Lust habe, über den Modus
Operandi zu grübeln, läuft etwas falsch.
Ich
gehe sogar noch einen Schritt weiter: Natürlich gehört es zur professionellen
Einstellung, eine Trickfolge gewissenhaft einzuüben, alle möglichen Strategien der Täuschung zu bedenken
und einzusetzen – und auch auf ein Kunststück zu verzichten, weil man es nicht
in den Griff bekommt. Es wäre eine Zumutung
für das Publikum, dessen Intelligenz durch dilettantisches
Gefummel zu beleidigen.
Andererseits
sind etliche Menschen schlau genug, mittels einiger logischer
Überlegungen zumindest das Trickprinzip zu vermuten – spätestens nach
einer Internet-Recherche. Die Frage ist, ob sie das wollen. Hiergegen kann ich einiges tun, es im Extremfall aber nicht
verhindern. Es gibt halt total kopfgesteuerte
Menschen, deren seelische Basis gefährdet wäre, wenn sie Zauberei
hinnähmen. Die geben erst Ruhe, wenn sie eine Erklärung gefunden haben – ob die nun stimmt oder nicht. Daher akzeptiere
ich diese Möglichkeit, bleibe locker und beschäftige mich lieber mit einer interessanten Präsentation! Der
durchschnittliche Zuschauer lässt sich darauf ein, anstatt über das Wie zu grübeln.
Entscheidend ist
nicht, ob Ihre Kunststücke unerklärlich sind, so
lange sie
unterhaltsam wirken!
So gesehen sind wir in unserer heutigen, technokratischen Welt von „Rätseln“
umzingelt: Wer von uns vermag hinreichend zu erklären, wie ein Handy oder ein
Computer funktionieren, wie auf einem Bildschirm Schriftzeichen, Muster und
Farben entstehen? (Soweit wir männlichen Geschlechts sind, beginnt das vielleicht
schon bei der Bedienung einer Geschirrspül- oder Waschmaschine…)
Eines dagegen wissen wir ganz sicher: Zauberei ist das nicht. Und es wirkt oft kein bisschen unterhaltsam. Mittels Gebrauchsanweisung kommt man
mit diesen Geräten zurecht, und nach einer entsprechenden Ausbildung erschließt
sich auch deren Arbeitsweise.
„Wieso
zersägt man Frauen? Das sollten die Vorführenden einmal mit ihrem
Therapeuten besprechen…“
(aus einem Text meines Zauberprogramms)
Gerade bei Großillusionen
erlebt man oft genug die nackte Vorführung
eines Zauberapparats: Auch wenn wir als Laien nicht ahnen, wie es geht,
sind wir doch zuversichtlich, dass wir es könnten, wenn wir uns das
entsprechende Material und Wissen beschafften (und eventuell eine genügend
schlanke und wendige Assistentin hätten). In diese Rubrik fällt leider ein
beträchtlicher Teil dessen, was uns auf Zauberbühnen vorgesetzt wird: Wenig Entertainment, dafür viele unerklärliche
Rätsel.
Noch dazu ahnen wir in obigem Beispiel doch von vornherein, dass
die junge Dame, welche soeben durch eine Säge zerteilt bzw. mit Metallschiebern
oder Schwertern traktiert wurde, hinterher wieder wohlbehalten und in einem
Stück auftauchen dürfte. Die Überraschung
ist begrenzt.
Ein einziges Mal habe ich eine Zersägeillusion erlebt, die mich überzeugte:
Ein elegant gekleidetes Paar kommt von einem Ball nach Hause und
trinkt noch ein Glas Sekt. Da schlägt die Uhr Mitternacht, und der Ehemann
verwandelt sich in einem Werwolf, holt die Kettensäge und zerlegt einen Sarg,
in dem die Gattin inzwischen liegt. Nach dramatischen Aktionen schlägt die Uhr
eins, die Geisterstunde ist vorbei, und beide sind normal und vergnügt wie zuvor.
Wie gesagt, einmal in meinem langen
Zauberleben beeindruckte mich ein derartiger Effekt, denn er war Bestandteil
einer logischen und vor allem unterhaltsamen sowie emotionalen Geschichte!
Nun kann man einwenden, solche Nummern würden ja immerhin die Lust
am Spektakulären und Sensationellen befriedigen. Bereits im
ältesten Dokument über Zauberei, dem Papyrus
Westcar (verfasst vor ca. 4000 Jahren), wird berichtet, dass der Magier Dedi eine (wirkliche) Gans enthauptete
und wieder lebendig machte, und die Gaukler des Mittelalters lockten ihr
Publikum ebenfalls mit solch drastischen Darbietungen.
Doch was ist das gegen die Metzeleien,
welche heute dank Stunts sowie Computeranimation in den Unterhaltungsmedien aufgeführt werden können? Muss da unsere Kunst
nicht auf den hinteren Rängen landen?
Jenseits der großen Showbühnen greift man eher zu weniger
gefährlichen
Tricks. Da werden halt dann Seile
zerschnitten und restauriert. Oder ein Zuschauer darf eine Karte ziehen, welche wieder ins Spiel
gemischt wird, und anschließend noch eine Zahl „frei“ bestimmen (d.h. nach
gewissen Rechenoperationen inklusive Bildung von Quersummen). Und siehe da, an
dieser soundsovielten Stelle im Päckchen liegt die gewählte Karte! Oder es
erscheinen bzw. verschwinden Knoten in Seidentüchern.
Alles unerklärliche Rätsel
– nur: Will man das wirklich sehen? Ergreift
es uns emotional?
„Zauberer“ ist ein Archetyp, verbunden mit Erwartungen und Sehnsüchten, die sich nicht direkt auf das Herz As als dreizehnte
Karte im Spiel richten, sondern tief an unser Unterbewusstsein rühren. Stellen Sie sich daher vor allem eine
Frage: Was würden die Menschen gerne
können, wenn es echte Zauberei
gäbe? Diese Wünsche sollten Sie
(soweit möglich) stellvertretend für sie erfüllen!
Eine (sicherlich unvollständige) Auswahl:
·
Geld herbeizaubern / vermehren
·
Gedanken lesen / geheimste Wünsche kennen
·
die Zukunft vorhersagen
·
Essen / Getränke aus dem Nichts (Alkohol!) herbeischaffen
·
schweben / fliegen können
·
unverletzlich bzw. unbesiegbar sein
·
Zerstörungen rückgängig machen
·
die Zeit zurückdrehen können
·
schöne Dinge herbeizaubern
·
einen Alltagsgegenstand in etwas Attraktives verwandeln
·
Frauen beeindrucken / beschenken (Blumen!)
·
beim Glücksspiel / Kartenspiel gewinnen
·
schlagfertig sein / jede Situation meistern
·
feste Materie durchdringen / sich von Fesselungen befreien
·
unsichtbar werden
Die Magier vergangener Zeiten
genossen den Vorteil, dass die Menschen oft noch an echte Zauberei glaubten. (Manchmal wurden sie aber auch als Hexer
verbrannt.) Heute haben wir ein Publikum vor uns, dem ziemlich klar ist, dass
es real erklärbaren Täuschungsmanövern
ausgesetzt ist. (Außer natürlich unsere esoterischen Freunde, aber da müsste man ganz andere Sachen vorführen oder einfach nur behaupten…)
Daher: Lassen Sie das mystische
Getue und haben Sie keine Angst davor, irgendein Schlauberger könnte mit der richtigen
Erklärung eines Effekts aufwarten! Na und? Konzentrieren Sie sich auf den Rest des Publikums: Das will vor
allem entspannen und einen schönen Abend haben.
Und den bieten Sie den Zuschauern – ob nun unerklärlich oder
nicht!
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