Donnerstag, 2. April 2020

Kontakt mit dem Publikum


Dies ist sicherlich der wichtigste Bereich jeder Performance, bei dem Sie Ihre persönliche Wirkung einsetzen müssen und der über Erfolg oder Scheitern einer Darbietung entscheidet – egal, ob es sich um eine Moderation, einen Zauberauftritt, ein Referat oder eine Schulstunde handelt!
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Ich habe Vorstellungen erlebt, bei denen der Magier wie unter einer Käseglocke
arbeitete, während das Publikum, da weitgehend unbeschäftigt, ziemlich bald den Charakter einer „Parallelgesellschaft“ annahm.

Gründe hierfür finden sich auf beiden Seiten: Durch die heutige Medienpräsenz
sind viele (vor allem jüngere) Zuschauer daran gewöhnt, dass es dem flimmernden Bildschirm vor ihnen egal ist, ob jemand an dem Geschehen Anteil nimmt oder nicht – und was zu schwierig ist und das (immer geringer werdende) Konzentrationsvermögen überfordert, wird halt „weggezappt“!

Die gewichtigere Ursache liegt aber wohl beim Vorführenden: Häufig ist der so absorbiert von Handhabung, Ablauf und Text seiner Zaubereffekte, dass er für die Anwesenden kaum noch ein Auge hat.

Sie gewinnen oder verlieren Ihr Publikum in den ersten 30 Sekunden!
Ausdruck
Gerade das Intro einer Darbietung muss die Zuseher sofort „anspringen“, damit sie erst gar nicht die Chance bekommen, auf Distanz zu gehen. Also lassen Sie das einleitende Geschwafel und kommen Sie sofort zur Sache! Das zweitstärkste Kunststück Ihres Programms kommt an den Beginn – und das tollste zum Schluss!

Dazwischen dürfen Sie es fallweise gemütlicher angehen lassen, wobei Sie nach dem Prinzip „Spannung - Entspannung“ immer wieder Dramatik und Höhepunkte einbauen. Ein gleichförmiges Tempo dagegen ließe die Betrachter früher als gewünscht „abschlaffen“.

„Was gestrichen ist, kann nicht durchfallen.“ (Kurt Tucholsky)

Wenn die Zuschauer unruhig bzw. unkonzentriert werden, lassen Sie die schwächeren Programmpunkte aus und steuern umgehend die „Schlusskurve“ mit dem (hoffentlich) überzeugenden Finale an. Dies ist besonders wichtig bei Kindervorstellungen: Während Erwachsene schon aus Höflichkeit oft trotz Ermüdung die Augen offen halten, bekommen Sie ein junges Publikum kaum noch in den Griff. Der Schlusseindruck entscheidet, und es wäre Ihr „Super-GAU“, wenn die letzten fünf Minuten in der allgemeinen Unruhe untergingen!

Die Zeitdauer eines Auftritts ist stets eine „gefühlte“ Größe!

Noch nie hat mich ein Veranstalter gerügt, wenn ich die vorgesehene Auftrittsdauer unterschritten habe. Wenn es toll läuft, hat man nach dem Eindruck von Laien eh „relativ kurz“ gezaubert, und das Gegenteil ist nicht erstrebenswert. Gerade bei größeren Feiern wurden die Gäste meist schon mit einer Unmenge von Darbietungen
respektive viel Essen und Trinken versorgt – dass sie zu Beginn Ihrer Vorführung dann bereits „abgefüllt“ sind (in welchem Sinne auch immer), ist nicht Ihre Schuld, oft genug wissen Sie das vorher gar nicht so genau.

Die richtige Programmdauer haben Sie gewählt, wenn es nachher heißt: „Schade, dass es schon vorbei ist“ und nicht „Wann hört der denn endlich auf?“

Verzichten Sie auf das heute übliche Getue mit mindestens drei Zugaben! Wenn Sie einen (hoffentlich gigantischen) Schlusseffekt bringen, geht danach nichts mehr. Daher kündige ich den meist als „Zugabe“ an!

Führen Sie stets einen Dialog mit den Zuschauern!

Das gilt auch, wenn diese nicht mit Worten reagieren! Mit der Zeit werden Sie es
schaffen, die Fragen, die Ihnen unausgesprochen gestellt werden, zu beantworten, auf Lachen, Gemurmel, Unruhe etc. zielgenau einzugehen.

Dies lernt man allerdings nur bei realen Auftritten – schon deshalb ist das Üben am Schreibtisch, vor dem Spiegel oder der Videokamera kein Ersatz. Lassen Sie lieber eine „echte“ Vorstellung von sich aufnehmen und analysieren hinterher alle Probleme und Schwächen. Bei Testvorführungen vor Zauberkollegen (die ja das Geheimnis kennen oder zumindest ahnen) bekommen Sie eine Einschätzung, die mit der Perspektive von Laien wenig zu tun hat und Sie dadurch in die Irre führen könnte! (Ich spreche da aus leidvoller Erfahrung…)

Arbeiten Sie nicht für die Gäste, sondern mit dem Publikum!

Ein wichtiges Stilmittel ist der abwechselnde Augenkontakt mit verschiedenen
Zuschauern; stellen Sie sich vor, dass Sie dabei mit genau dieser einen Person sprechen. Vergessen Sie nicht die ganz hinten Sitzenden, dann wird Ihre Stimme auch laut genug! Besonders übungsbedürftig ist dies, wenn Sie auf der Bühne ins grelle Scheinwerferlicht schauen – dann müssen Sie sich die entsprechenden Menschen einfach vorstellen.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, gelegentlich einen „Assistenten“ – stellvertretend für alle – ins magische Geschehen einzubeziehen. Diese Variante erfordert jedoch viel Fingerspitzengefühl; keinesfalls dürfen Sie an Ihrem Partner grobe Scherze exekutieren bzw. den Kontrast zwischen „Alles- und Nichtskönner“ betonen. Lassen Sie bei Frauen die dämlichen „Anmachsprüche“ – die kennen Ihre Zuseher bereits – und ja: Sie sind als Zauberer engagiert und nicht als Witzeerzähler!

Halten Sie Publikums-Beteiligungen kurz! Minutenlang auf der Bühne herumsitzende „Helfer“ zerdehnen den Zeitablauf, da sie ausführlich instruiert bzw. korrigiert werden müssen.

Die Gretchenfrage: Lieben Sie Ihr Publikum?

Glauben Sie mir: Die Zuschauer merken es, ob Sie ihnen mit einer positiven Einstellung gegenübertreten oder heimlich denken: „Jetzt muss ich auch noch für diese Idioten auftreten!“

Klar, jeder von uns hat schon Vorstellungen in gänzlich kulturlosem Ambiente erlebt (und ich war zusätzlich 35 Jahre lang Lehrer…). Dennoch: Ohne die Menschen, welche vor Ihnen sitzen, könnten Sie Ihre Leidenschaft nicht ausleben. Daher schulden Sie ihnen Dankbarkeit und Zuwendung.

Es ist Ihre Show!

So notwendig es ist, sein Publikum höflich und freundlich zu behandeln, so wenig dürfen Sie sich die Inszenierung aus der Hand nehmen lassen. Es mag Anlässe geben, wo Sie nicht gewinnen können – insbesondere, wenn viel Alkohol im Spiel ist oder die Zauberei halt überhaupt nicht in den gegebenen Rahmen passt. Manchmal sehen sich die Gastgeber auch außerstande, geeignete Vorführbedingungen zu schaffen, so dass Sie keine Chance haben, „über die Rampe zu kommen“ (ungünstige Sichtbedingungen, Lärmbelästigung, keine adäquate Vorbereitung möglich usw.).

Ich versuche daher im Vorfeld stets, so viel wie es geht über eine Veranstaltung zu erfahren, notfalls durch einen Lokaltermin vor Ort. Wenn ich mir nicht hinreichend sicher bin, dass ich eine reelle Chance habe, sage ich ab. Lieber ein Engagement weniger als der ganze Ärger – und vor allem eine weitere Diskreditierung der Zauberei als eine Kunst, die „beim Zuschauer nicht ankommt“!

Zauberei ist Theater!

Meist liegt es aber an der Show selbst, wenn der Kontakt mit dem Publikum
nicht klappt oder bald verloren geht. Wieso folgen die Zuschauer einem Theaterstück meist ruhig, konzentriert und ohne Zwischenrufe? In erster Linie deshalb, weil sie den Eindruck einer bis ins Letzte geprobten und durchgehenden Inszenierung haben, bei der man nicht stören darf! Wenn Sie eine solche Vorführung bieten, wird das Resultat ähnlich sein. Vermeiden Sie alles, bei dem die Zuschauer „den Faden verlieren“ könnten: umständliche Texte, komplizierte Abläufe, unmotivierte Verzögerungen, zu geringe Lautstärke, schlechte Sichtbarkeit etc.

Sie müssen sich nicht rechtfertigen!

Machen Sie sich nach außen hin (!) nicht abhängig von den Reaktionen Ihrer Zuseher! Diese werden sonst darauf konditioniert, den Gang Ihres Programms beeinflussen zu können. Damit fordern Sie (weitere) Zwischenrufe geradezu heraus! Sie müssen auch nicht für jeden Trick einen Helfer zu sich bitten, alle möglichen Requisiten untersuchen lassen oder ständig begründen, warum Sie dieses tun oder jenes lassen. Speziell vor Kindern kommen Sie schnell in eine „Rechtfertigungsspirale“, aus der es kein Entrinnen gibt.

Kämpfe mit dem Publikum können Sie nur verlieren!

Im Zweifel ist es besser, Zwischenrufe zu überhören und stattdessen Lautstärke und Vorführtempo zu erhöhen. Voraussetzung ist natürlich, dass Sie sich die Sympathie des Publikums erworben haben. Es wird dann solche Störungen eher missbilligen und Ihnen umso aufmerksamer lauschen.

Auf Zwischenrufe einzugehen ist gefährlich, da Sie damit den Anspruch
billigen, von Ihnen jederzeit irgendwelche Antworten fordern zu dürfen. Riskant sind vor allem freche Sprüche („Killerphrasen“) als Reaktion. Sympathisiert nämlich die Mehrheit mit dem „Störenfried“ (spätestens bei einer ungeschickten Bemerkung Ihrerseits), so haben Sie bald das Auditorium gegen sich. Diesen Machtkampf können Sie nicht gewinnen, also lassen Sie sich erst gar nicht darauf ein, sondern konzentrieren Sie sich auf das, was von Ihnen erwartet wird:

Zaubern Sie, und zwar dalli!

Merke: Das Publikum hat immer recht! Aber es bekommt auch bestenfalls
die Vorstellung, die es verdient…

Ich habe bei diesem Text ein Kapitel aus meinem Zauberbuch (S. 38 -42) neu bearbeitet:


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