Dienstag, 21. April 2020

Die Zusammenstellung des Programms


Öfters sehe ich Zaubervorstellungen, welche mir anfangs gut gefallen –im weiteren Verlauf allerdings wird mir immer fader zumute. Oft liegt es an der Überlänge. Ich habe es noch nie erlebt, dass eine Ausdehnung von mehr als anderthalb Stunden eine Verbesserung brachte, im Gegenteil.

Häufiger liegt es aber daran, dass der Kollege einen Typ von Zaubereffekt, eine bestimmte Vorführweise in Variationen wiederholt (z.B. Manipulatoren, die zuerst Spielkarten vermehren, dann Billardbälle, schließlich Münzen etc.). Oder es werden ständig Zuschauer einbezogen und ähnlichen „Gags“ ausgesetzt, man holt das x-te Kind auf die Bühne und kostümiert es wieder mit Umhang plus Zauberhut.

Kollegen, die ihre Begabung in der Comedy sehen, reißen pausenlos Witze, Mentalisten lesen unentwegt Gedanken: Nach einiger Zeit ahnt man, was kommt, und hat immer weniger Lust, es zu erleben.

„Variatio delectat“ – die Abwechslung erfreut halt und nicht die Eintönigkeit. Nach der Befolgung dieser Regel sucht man in künstlerischen Darbietungen oft vergeblich!

Trotz unterschiedlicher Erscheinungsart sind viele Zaubereffekte vom prinzipiellen
„Strickmuster“ her sehr ähnlich. Nachfolgend – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – eine kleine Aufstellung gängiger Touren:

·         Produktionen: Aus scheinbar leeren Behältnissen erscheint eine Unmenge an Gegenständen (meist gut zusammenlegbar wie Seidentücher und -bänder, Klapp- oder Federblumen bzw. Schaumstoffartikel). In der Branche nennt man das etwas respektlos „Auspacknummern“.
·         Verschwinde-Effekte: Kommen isoliert seltener vor, da sie einen „Anticlimax“ darstellen – wenn etwas Interessantes plötzlich weg ist, wirkt dies eher enttäuschend (Beispiel: Spazierstock wird in Zeitung gewickelt und löst sich „in Luft“ auf).
·         Wanderungen und Verwandlungen bilden eine Kombination der obigen Muster: Ein Gegenstand verschwindet, ein anderer (oft damit in Beziehung stehender) erscheint dafür (bzw. der gleiche an einem anderen Ort). Dieser Kunststücktyp kommt in Zauberprogrammen sehr häufig vor (z.B. einzelne Tücher werden zu einer Tücherkette, Schwammball wandert in Zuschauerhand).
·         Repeat-Effekte: Deren magische Wirkung geht davon aus, dass sich Unerklärliches oft wiederholt, was immer erstaunlicher anmutet. Häufig zeigt man Produktionen auf Raten wie beim „Six Card Repeat“ (von sechs Karten wird eine weggelegt, es bleiben wieder sechs übrig usw.) – wird auch mit Geldscheinen, Blumen oder Seilen vorgeführt. Ebenfalls gehört die beliebte „Flaschenvermehrung“ in diese Sektion. Gerne werden solche Zaubereien als „Running Gag“ eingesetzt (z.B. der unerschöpfliche Wasserkrug alias „Ganga“).
·         Restaurationen: Zerstörtes wird ganz gemacht (z.B. Zeitungszerreißen, Seilzerschneiden oder die zersägte Dame). Verwandt damit sind Darbietungen, bei denen aus Unordnung wieder Ordnung entsteht wie beim berühmten „Kubusspiel“.
·         Durchdringungen: Oft vorgeführte Varianten dieses Typs sind natürlich das Ringspiel oder Befreiungseffekte; es gibt allerdings kaum einen Gegenstand, bei welchem die Solidität der Materie nicht per Trick in Frage gestellt werden kann!
·         Geheimnisse oder Gedanken erraten: Hierzu gehören sicherlich zwei Drittel aller Kartenkunststücke, wo in immer wieder neuen Varianten gewählte oder gedachte Karten gefunden werden. Die „Abnutzungsgefahr“ ist hierbei hoch, da solche Effekte sehr häufig gezeigt werden und deren Ende meist ziemlich erwartbar ist! Aber auch zu anderen Themen (z.B. Wörter aus Büchern erraten) existiert eine Fülle von Mentalexperimenten.
·         Links-Rechts-Effekte beruhen auf einer bilateralen Anordnung von meist ähnlichen Requisiten und zeigen oft Wanderungen (z.B. die klassischen Flasche-Glas-Routinen oder die „Hopp-Hopp-Kaninchen“). Häufig besteht das Muster auch darin, dass eine Veränderung der einen Seite dann auf der anderen Position „gespiegelt“ wird (z.B. wiederum beim Kubusspiel).
·         Aufsitzer sind bei Zauberern recht beliebt: Dem Publikum wird eine scheinbare Trickerklärung angedient, allerdings diese am Ende widerlegt. Das führt zwangsläufig zu einem intensiven Kontakt mit dem Publikum, welches auf die scheinbare Lösung einsteigt. Solche Provokationen bergen allerdings auch Risiken, wenn sich die Zuschauer (gerade Kinder) zu sehr „veralbert“ fühlen.
·        Story-Tricks: Basis ist hier eine häufig poetisch-märchenhafte oder lustige Geschichte, die durch einen Zaubereffekt illustriert wird. Die magische Stimmung bewirkt vor allem der Text und dessen schauspielerische Interpretation. Beispiele sind die Kunststücke von Punx wie das „Märchen von den vier Wünschen“ oder sein „Herz aus Glas“.
·         Comedy-Effekte sind derzeit nicht nur in der Kinderzauberei sehr beliebt. Sie reichen von ungewöhnlichen Eigenschaften bestimmter Gegenstände (z.B. zerbrechender Zauberstab oder quietschender Salzstreuer) bis zu Parodien auf klassische Zaubereffekte (Zersägeillusion geht schief). Die Vorführenden geben sich oft skurril bis paranoid, was – je nach Inszenierung und Interpretationskunst – sehr lustig oder auch nervtötend wirken kann.
·         Routinen mit Zuschauerbeteiligung sind seit längerer Zeit ein absolutes „Muss“ in der Szene. Häufig wird ein unschuldiger Gast zunächst verbal angemacht, fungiert dann einige Zeit als Kontrast zum perfekten Magier und darf – wenn er Glück hat – abschließend doch noch selber zaubern. Besonders schwer erträglich, wenn diese Strategie bei einem Auftritt öfter eingesetzt wird.

Sicherlich könnte man hier noch zahlreiche Kategorien anfügen, zudem gehören manche Kunststücke in mehrere Bereiche. Aber mir kommt es nicht auf eine lexikalische Vollständigkeit an, die sowieso nicht erreichbar ist – glücklicherweise kann jede Routine eigenständig gestaltet werden. Was Sie aber versuchen sollten:

Ordnen Sie Ihre Kunststücke bestimmten Typen zu – und zeigen Sie in einem Programm möglichst nur eine Nummer aus jedem Bereich!
Dies gilt ebenso für die Art der Requisiten: Dem Laien bleiben halt beispielsweise „Kartentricks“ in Erinnerung, egal, wie unterschiedlich diese gewesen sind.

Natürlich gibt es auch hierbei Ausnahmen. Allerdings müssen dann deutliche Gegensätze zwischen zwei Effekten der gleichen Kategorie bestehen – und Sie dürfen diese Nummern keinesfalls hintereinander platzieren!

Weitere Kontrastmöglichkeiten für Ihr Programm:

·         langer, ausgefeilter Ablauf mit mehreren, sich steigernden Touren
·         sehr kurzer, direkter und überraschender Effekt
·         stark über die Textlinie wirkende Routine („Wörtertrick“)
·         Kunststück, welches allein durch die Optik überzeugt; oft mit Begleitmusik
·         apparativ geprägte Nummer mit größerem Bühnenaufbau (z.B. Produktion)
·         eher kleines, einzelnes Requisit (z.B. Tuchverschwinden mit DS)
·         Running Gag (z.B. Ganga)
·         dramatisches bzw. turbulentes Kunststück
·         zauberhaft-poetische, ruhige Routine (öfters mit Begleitmusik zum Text)
·         komische Nummer mit skurrilen Einfällen
·         seriöse, ernsthafte Darstellung

Natürlich kann schon eine einzelne Routine solche Gegensätze enthalten – umso besser! Andererseits muss Ihr Gesamtprogramm nun nicht all diese Optionen berücksichtigen: Je nach Künstlerpersönlichkeit sollte schon ein individueller Stil erkennbar sein, welcher in die eine oder andere Richtung geht. Aber unbesorgt, der entwickelt sich mit der Zeit von alleine – also richten Sie Ihr Hauptaugenmerk darauf, dass Ihr Auftritt möglichst abwechslungsreich ausfällt!
Andruck
Die Wirkung der Zauberei resultiert vorrangig aus dem Unerwarteten!

Ein Meister des Kontrastes ist für mich David Copperfield. Zwischen spektakuläre, äußerst medienwirksame Effekte wie die „Verschwindende Freiheitsstatue“ schob er immer wieder kleine, kammerspielartige Darbietungen ein – unvergesslich die „Schwebende Rose“ von Kevin James:


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