Freitag, 20. März 2020

Zaubern zu Corona-Zeiten… 2


Spielkarten sind ein preiswertes und leicht zu beschaffendes Requisit. Auch erfahrene Zauberer schätzen sie, da sie fast unendliche magische Varianten bieten und bei Auftritten den Gepäckaufwand reduzieren. Außerdem gibt es sie für einen größeren Zuschauerkreis auch im Mega-Format („Riesenkarten“). Erst recht unübersehbar ist die Auswahl von Spezialspielen, welche mehr „in sich“ haben als der Laie meint. Deren Nachteil: Oft sind sie „One Trick Ponys“, also nur für einen einzigen Effekt brauchbar.

Daher möchte ich mich einstweilen auf Kunststücke beschränken, die mit einem handelsüblichen Päckchen funktionieren. Für die folgende Routine (so nennen Magier die Abfolge der Handlungen einer einzelnen Nummer) kann das Spiel sogar geliehen sein.

Eine herzliche Bitte! Vermeiden Sie Vorführungen, welche mit dem grausigsten Satz der magischen Kunst beginnen, den ich von Anfängern oft höre:

„Ziehen Sie eine Karte!“

Erstens wird diese Aufforderung inflationär verwendet und wirkt daher wenig originell. Noch schlimmer aber: Sie kündigen damit den Effekt an – was wird zum Schluss schon anderes herauskommen als diese Karte (auf oft sehr verschlungenen Wegen) zu erraten oder wiederzufinden? Die Überraschung ist dahin – und das Publikum hat viel Zeit, Ihren Modus Operandi angesichts des Ziels zu analysieren!

Weil wir schon dabei sind – der zweitschrecklichste Satz lautet:

„Hier habe ich ein ganz normales Kartenspiel.“

Hallo? Für viele Laien gibt es keine „unnormalen Spiele“ – prima, dass Sie die Leute darauf bringen, es könnten auch welche existieren, die tricktechnisch irgendwie präpariert sind!

Und bitte: Geben Sie nie ein Requisit „zum Untersuchen“ heraus! Klar tun Sie es nur dann, wenn an dem Gegenstand nichts Verdächtiges ist. Das Schlimme ist aber: Sie etablieren damit beim Publikum den Anspruch, dies als Voraussetzung anzusehen, auf die man sich stets berufen kann. Ich verspreche Ihnen: Der Satz „Darf ich das jetzt auch untersuchen?“ wird Sie an einer Stelle einholen, wo Sie ihn überhaupt nicht brauchen können! Erteilen Sie lieber konkrete Aufträge: „Mischen Sie bitte das Spiel“, „Sie dürfen abheben“ oder „Würden Sie das Seil kurz halten?“  Auch so vermitteln Sie die Vorstellung, das Requisit müsse doch ganz normal sein – aber ohne Verwendung des bösen Worts „untersuchen“!

Nach langer Vorrede nun einer meiner Lieblingseffekte, den ich vor einem kleinen Kreis schon sehr oft gezeigt habe. Er beweist überzeugend, dass man mit Spielkarten weit mehr anstellen kann als die nervigen „Ziehen Sie eine Karte“-Routinen:

Der Wandteppich des Herrn K.
(aus dem Buch „Roberto Extra Light“ des Schweizer Magiers Roberto Giobbi)

Das Spiel darf geliehen und sogar unvollständig sein, es muss aber die vier Könige enthalten. Dazu brauchen Sie noch 12 weitere, beliebige Karten. Die Reihenfolge ist egal. Legen Sie das Päckchen auf das Restspiel (alles rückenoben).

„Einem Freund von mir ist neulich eine seltsame Geschichte passiert. Der ist ziemlich wohlhabend, hat sogar ein Ferienhaus in Spanien. Und er sammelt Kunstwerke. Unter anderem hing dort ein sehr teurer Wandteppich. Damit Sie eine ungefähre Vorstellung haben – nehmen wir einmal 16 Karten!“

Zählen Sie von oben die 16 Karten ab.

„Wollen Sie mischen?“

Da die Sequenz in dem Päckchen egal ist, darf der Zuschauer dies nach Herzenslust tun. Fächern Sie die Karten dann bildoben auf:

„Sie sehen: eine bunte Reihenfolge.“

Legen Sie die Karten nach dem folgenden Schema aus! Beachten Sie: Die vier Könige müssen an den mit „K“ bezeichneten Stellen landen. Alle Karten liegen zunächst mit der Bildseite nach oben. (Die Schraffierungen müssen Sie noch nicht beachten.) Wo immer es geht, sollte der Eindruck entstehen, dass die Karten beliebig in der gemischten Reihenfolge ausgelegt werden. Sie müssen halt nur auf die Position der Könige achten. Improvisieren ist hier alles!


„So ungefähr müssen Sie sich das gute Stück vorstellen... Obwohl das Ferienhaus natürlich von einem Wachdienst betreut wurde, war mein Freund sehr vorsichtig. Er hatte in den Wandteppich ein unauffälliges Muster einarbeiten lassen, damit er als sein Eigentum identifiziert werden konnte. Ich zeige Ihnen das einmal:“

Drehen Sie nun entsprechend der Abbildung einen Teil der Karten mit der Rückseite nach oben (in der Skizze schraffiert). Für einen Zuschauer, der Ihnen gegenübersitzt, ist somit der Buchstabe „K“ zu sehen.

„Ich weiß nicht, ob Sie es sehen – aber man kann einen Buchstaben erkennen. Welchen? Richtig, ein „K“, denn mein Freund heißt König.
Leider kam es, wie es kommen musste: Trotz der Sicherheitsmaßnahmen gelangten Einbrecher in die Villa und erkannten sofort den Wert des Gobelins. Sie schnitten ihn ab und falteten ihn zum Abtransport zusammen.
Was meinen Sie: Auf welcher Seite haben die Diebe mit dem Zusammenfalten begonnen? Hier oben?“

Betrachten Sie die Skizze: Hat sich der Zuschauer für den oberen Rand entschieden, drehen Sie diese vier Karten um und legen sie auf die nächstinnere Reihe. Damit liegen die Karten nun nur noch in drei Reihen, die nun oberste von links nach rechts:
Karte bildoben / Karte rückenoben / König rückenoben / König bildoben.

Hätte sich der Zuschauer für die (von Ihnen aus gesehen) rechte Seite entschieden, würden diese Karten entsprechend auf die nächstinnere Reihe „umgeklappt“ (siehe Skizze). Er könnte sich aber auch für eine der beiden anderen Seiten entscheiden, hat also vier Möglichkeiten. Entsprechend verfahren Sie.

„Und wie dann weiter? Auf derselben Seite oder einer anderen?“

Wieder klappen Sie die entsprechende Reihe nach innen. So geht es weiter, bis schließlich alle Karten ein einziges Päckchen bilden. Das „Auffalten“ müssen Sie immer wieder gestisch illustrieren, damit sich das Bild eines Teppichs einprägt, den man auf diese Weise transportfertig macht.

„Vielen Dank! Übrigens… genauso haben es die schweren Jungs damals gemacht!“

Werfen Sie dem Helfer einen misstrauischen Blick zu (ein garantierter Lacher).

„Die Polizei hat ja alles versucht, die Kerle zu fassen – leider vergeblich. Aber mein Freund hatte Beziehungen zum Kunstmarkt. Und siehe da: Nach einigem Suchen entdeckte er den zusammengefalteten Wandteppich im Schaufenster eines Händlers. Natürlich stritt der erstmal ab, dass es sich um Hehlerware handle. Doch es gab ja die geheime Markierung!“

Bei dem Päckchen, das nun vor Ihnen liegt, gibt es zwei Möglichkeiten: Die vier Könige liegen rückenoben, dann sieht man alle anderen Karten von der Bildseite. Sollte es genau umgekehrt sein (erkennt man meist schon am Schluss der Auffalterei), drehen Sie den Stapel einmal um. Dann ziehen Sie die Karten zu einer langen, waagrechten Reihe auseinander und schieben Sie die vier rückenobenen Karten nach vorne heraus.

„Mein Freund hieß nämlich mit vollem Namen Karl Klaus-Konrad König!“

Wenden Sie die vier Karten bei diesen Worten genüsslich um:
Es sind die vier Könige!

Für mich einer der schönsten Story-Tricks, die ich kenne: 16 Karten illustrieren die Webart eines Gobelins. Das Publikum hat bis zum Schluss keine Ahnung, wohin die Reise geht. Umso überraschender ist das Ergebnis, welches synchron bildlich und sprachlich präsentiert wird.

Probieren Sie es aus und verblüffen Sie sich selber. Viel Spaß!

Auch dieses Kunststück gehört zu den Selbstgänger-Effekten": Ein Laie kann es ohne Fingerfertigkeit" vorführen. Bedenken Sie aber einen Satz des Magiers Gordon Bruce: „Es gibt vielleicht Selbstgänger-Tricks, aber keine Selbstgänger-Präsentationen!"  

P.S. Die Erklärung? Keine Ahnung, irgendein mathematisches Prinzip. Ist doch egal, oder?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.