Samstag, 21. März 2020

Zaubern zu Corona-Zeiten… 3


Jetzt doch eine Karte ziehen?

In meinem letzten Beitrag habe ich inständig davor gewarnt, beim Zaubern die schrecklichste aller Aufforderungen zu verwenden: „Ziehen Sie eine Karte!“

Die Wahrheit ist: Es gibt in der magischen Literatur natürlich zehntausende Routinen, welche sich damit beschäftigen, eine vom Zuschauer bestimmte Karte zu erraten, wiederzufinden, verschwinden und an den unmöglichsten Stellen wieder auftauchen zu lassen. Nur sollte halt die Einkleidung interessanter sein als der oben erwähnte Satz.

Das folgende Kunststück habe ich in dieser Kombination noch nie vorgeführt – die einzelnen Teile in Varianten aber durchaus. Für mein Blog habe ich mir das Ziel einer Version gesetzt, die ohne komplizierte Hilfsmittel oder große Geschicklichkeit auskommt.

Sie benötigen lediglich ein Kartenspiel, einen Zeichen- oder Notizblock sowie einen schwarzen und roten Filzschreiber.

Entscheiden Sie sich für einen Kartenwert, um den es hier gehen soll: Günstig ist eine rote Zahlenkarte – nehmen wir an, die Karo 3.

Diese Karte markieren Sie auf der Rückseite. In den meisten Zauberanleitungen wird ein Bleistiftpunkt an einer Ecke empfohlen. Ich finde es besser, nichts hinzuzufügen, sondern etwas wegzunehmen. Schauen Sie sich die beiden Karten im Foto an: Welche ist die gekennzeichnete? (Wenn Sie es nicht erkennen: zum Vergrößern draufklicken!)

Stimmt: die linke! Mit einem Tupfer „Tipp Ex“ habe ich das Ornament in der Mitte teilweise gelöscht. Oder Sie malen eine weiße Stelle blau aus. (Nebenbei: Das amerikanische Poker-Format „Bicycle Riders“ verwendet die Mehrzahl der Kollegen – eine hervorragende Qualität.)

Diese Karte machen Sie zur obersten des rückenoben liegenden Spiels.

„Können Zauberer Gedanken lesen? Damit wir keine allzu intimen Geheimnisse erfahren, begnügen wir uns zunächst mit diesem unschuldigen Kartenspiel!“

Wenden Sie sich an eine Dame im Publikum. (Frauen sind meist die besseren „Helfer“, da sie auf „soziales Miteinander“ konditioniert sind. Bei einem Mann kann es passieren, dass Ihre Routine durch „Hahnenkämpfe“ ins Trudeln gerät!) Drehen Sie das Spiel bildoben und fächern es kurz auf.

„Sie sehen: ein gut gemischtes Spiel. Wollen Sie noch abheben? Nehmen Sie einfach einen Teil der Karten oben weg und legen sie auf den Tisch. Prima!“

Sie halten das Spiel in der Hand und lassen die Dame so verfahren (1). Danach legen Sie den Rest der Karten rechts neben das abgehobene Päckchen. (2) Dann werfen Sie den links liegenden Spielteil auf den rechten. (3)
Ausprobieren und staunen: Die oberste Karte ist immer noch die markierte! Dies ist eine simple und freche Tour des „Falschabhebens“. Ob Sie damit durchkommen, hängt entscheidend davon ab, wie zügig und quasi „selbstverständlich“ Sie es durchziehen. So hebt man halt ab, basta! Sprechen Sie sofort weiter:

„Entscheiden wir uns für eine beliebige Karte! Die wievielte im Spiel soll es denn sein?“

Bei einem Mann könnten Sie sich nun Antworten wie „die einundfünfzigste“ einhandeln – oder: „die zweite“. Ihre „Assistentin“ wird wohl eine Zahl zwischen 5 und 10 nennen. Ansonsten können Sie zu große oder kleine Vorschläge mit Bemerkungen abtun wie: „Ginge es ein wenig kleiner? So viel Zeit haben wir nicht“ oder „Ein bisschen schwieriger sollten Sie es mir schon machen!“ Prinzipiell geht es aber mit jeder Zahl. Nehmen wir an, die Dame möchte die neunte Karte:

„Die neunte? Gut: Eins, zwei, drei, vier… neun, zehn – also bitte: die zehnte Karte!“

Zählen Sie die Karten in Ihrer Hand vom Spielrücken aus einzeln ab und legen sie aufeinander auf den Tisch, sodass sich ein Päckchen bildet. Die zehnte Karte heben Sie hoch:

„Bitte sehr: die zehnte Karte! Äh, wie bitte? Entschuldigung, Sie wollten ja die neunte – also nochmal! Eins, zwei drei…“

Legen Sie diese 10.Karte wieder auf das Spiel zurück, dann werfen Sie das Neuner- Päckchen darauf und beginnen erneut abzuzählen.

„Jetzt aber, die neunte Karte! Merken Sie sich den Wert, zeigen Sie die Karte dem Publikum – nur mir nicht. Ich kenne den Trick schon…“

Probieren Sie die Tour und staunen Sie: Die „gewählte“ Karte ist die markierte (hier also die Karo 3) – bewirkt hat dies das Umzählen. Die Zuschauerin hatte also nur scheinbar die freie Wahl; wir Zauberer nennen das „Forcieren“.

„Geben Sie die Karte ins Spiel zurück und mischen sie es gründlich. Vielen Dank! O je, die Karten sind wirklich gründlich durcheinander… Nein, so geht es nicht.“

Drehen Sie das Spiel bildoben und fächern es (Rückseiten zum Publikum) kurz durch, bis Sie die Karo 3 entdecken. Nehmen Sie (möglichst locker und lässig) alle Karten darunter weg und legen sie diese nach oben. Die bewusste Karte landet dadurch wieder, wie zu Beginn, als oberste am Spielrücken. Legen Sie die Karten zu Seite und greifen zu Zeichenblock und Papier:

„Denken Sie bitte ganz intensiv an Ihre Karte! Senden Sie mir das Bild! Ich versuche, es zu zeichnen.“

Skizzieren Sie mit dem schwarzen Stift ein Rechteck im Kartenformat und zeigen sie das Ergebnis:

„Sah die Karte etwa so aus?“ (Ein garantierter Lacher!)

„Ja, okay, ich arbeite ja dran. Sie müssen sich mehr konzentrieren! Was…, ich empfange gerade ‚Dieter‘ – nein, bitte, nicht an Männer denken, sondern an den Kartenwert!“ (Dürfte wieder für Heiterkeit sorgen!)
Ah ja, jetzt wird es konkret – Moment…“

Zeichnen Sie in das Rechteck einen schwarzen Kartenwert ein, zum Beispiel Kreuz 4.

„Ihre Karte war eine Zahlenkarte… eine schwarze Karte… es war die… Kreuz 4! Was, wirklich nicht??“

Zeigen Sie die Zeichnung und blicken Sie, Zustimmung fordernd, die Dame an. Sie wird zunächst bejahen, dann aber verneinen. Ihre Unsicherheit, Ihren Frust müssen Sie jetzt überzeugend darstellen! Plötzlich kommt Ihnen eine Idee: Fügen Sie ein paar Striche ein, damit die Skizze nun ein Päckchen darstellt, dessen oberste Karte die Kreuz 4 ist:

„Meine Dame, wollen Sie die Vorstellung sonst noch irgendwie durcheinanderbringen? Okay, ich war ja noch nicht fertig – sehen Sie: Das soll nämlich ein ganzes Kartenspiel darstellen, und darin befindet sich sicher auch Ihre gewählte Karte. Vielen Dank!“

Blicken Sie mit einer leichten Verbeugung ins Publikum. Man lacht, aber der so geforderte Applaus dürfte weitgehend ausbleiben. Kommen Sie nun zügig zum Ende und ergänzen die Skizze um eine Karo 3, welche halb aus dem Päckchen heraussteht.

„Ich glaube, Sie haben sich zu schwere Gedanken gemacht. Nehmen Sie es locker und leicht, denken Sie nochmal an Ihre Karte… und schon steigt sie aus dem Spiel heraus, die Karo 3!“

Drehen Sie die Zeichnung zur Mitspielerin und dann ins Publikum. Man wird bestätigen, dass es sich um die gewählte Karte handelt.
„Und nicht nur in der Zeichnung stieg die Karte nach oben, sondern auch in der Realität. Meine Dame, bitte nehmen Sie die oberste Karte vom Spiel, drehen Sie sie um – es ist die Karo 3!

Ende und Applaus!

Für den Experten lässt sich die Tour in drei Begriffen beschreiben:
Falschabheben – Force – Kartensteiger.
Geübte Zauberer haben für jedes Manöver ihre eigenen, oft viel anspruchsvolleren Methoden. Vielleicht finden sie die Zusammenstellung dennoch originell.

Die Routine lebt vor allem von einem geheimen Wunsch, den wir alle haben: Gedanken lesen zu können. Wenn noch dazu ein Mann versucht, einer Frau hinter die Stirn zu schauen (was real bekanntlich unmöglich ist), hat das seinen besonderen, leicht erotischen Reiz.

Die Comedy ergibt sich aus Ihren ziemlich dilettantischen Zeichen-Versuchen und einer Portion Schadenfreude über das vermeintliche Misslingen.

Warum die bewusste Karte auf der Rückseite markiert ist? Ganz einfach: Zur Beruhigung Ihrer Nerven! Sie haben so stets die Kontrolle, dass die Dame wirklich die forcierte Karte bekommen hat. Vorhersagen sind nämlich in der Zauberei nur dann etwas wert, wenn sie auch eintreffen. Alles andere wäre ultimativ uncool…

Viel Spaß beim Ausprobieren!

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