Sorry, aber heute
kein neuer Kartentrick!
Sondern etwas zum
Thema:
Es gibt
keine schlechten Kunststücke – nur schlechte Darbietungen.
Ein Manuskript mit dem obigen Titel habe ich
lange Zeit in meinen Zauberkursen
verwendet. Vielleicht ist es auch für Sie – in neuer Bearbeitung – interessant:
Haben
Sie schon einmal eine Zaubervorstellung
erlebt? Wie hieß der Künstler? Aha… irgendwas mit „-ini“?
An
welche Tricks können Sie sich
erinnern? Soso, mit Karten… und einem Seil… kleine Bällchen waren auch dabei?
Was
war das für ein Typ? Erinnern Sie
sich an Eigenschaften wie
freundlich, witzig, ernst, geheimnisvoll, dramatisch, locker, bescheiden,
großspurig, dämonisch, albern, verrückt, geschwätzig, belehrend, langweilig,
unsympathisch?
Hat
Ihnen der Auftritt gefallen?
Ich
habe diese Fragen in jedem Zauberkurs
gestellt. Fast nie konnten sich die Teilnehmer an den Namen des Magiers erinnern, und auch die Antworten zu den gezeigten
Effekten fielen in der Regel so vage
aus wie beschrieben. Ziemlich konkret wurden die Teilnehmer allerdings bei der
Beschreibung der Persönlichkeit des
Künstlers. Meist war diese sehr gut haften geblieben, und daraus resultierte
die Bewertung des Auftritts. Positiv wirkte eher eine freundliche,
lockere Präsentation mit Witz und Schlagfertigkeit.
Wenn
man das bedenkt, arbeiten wir Zauberer oft an den falschen Baustellen: Ewig üben wir schwierige Kunstgriffe, basteln am genauen Ablauf einer Routine herum, ändern ständig die Programmfolge. Und dann führen wir die ganze Pracht in einem persönlichen Stil vor, welcher das
Publikum nicht überzeugt.
Vielleicht
sollten sie sich über folgende Punkte
einmal Gedanken machen:
Das Publikum hat
immer recht!
Wie
unser Altmeister Robert-Houdin es
einmal ausdrückte:
„Ein Zauberkünstler
ist ein Schauspieler, der einen Zauberer darstellt.“
Sie
spielen also eine Rolle, und die müssen
Ihnen die Zuschauer abnehmen! Da Sie
wahrscheinlich kein professionell ausgebildeter Mime sind, sollten Sie diese
möglichst nahe an Ihrer wirklichen
Persönlichkeit ansiedeln.
Leider
erlebt man oft das Gegenteil: Der
Vorführende spielt jemanden, der er gerne wäre – aber halt nicht ist.
Da
plaudern Sechzehnjährige kennerisch über Eheprobleme, ziemlich sachliche Menschen
üben sich – schreiend bunt gekleidet – in Eiapopeia-Kindersprüchen, ältere
Kollegen mimen mit zerrissener Jeans den Berufsjugendlichen, und ein geborener
Scherzbold muss unbedingt poetische Texte aufsagen.
Daher:
Wie Sie sich selber sehen oder gern wären, ist völlig uninteressant. Mit der Zeit sollten Sie
an den Publikumsreaktionen merken, was die Zuschauer
gerne in Ihnen erblickten!
„Be natural“ (Dai
Vernon)
Verräterisch
ist oft nicht ein mäßig ausgeführter Kunstgriff,
sondern das Herausfallen der Aktion aus Ihrem normalen Bewegungsmuster. Jeder Mensch hat ein anderes. Daher sind
irgendwelche Griffbeschreibungen in
der Literatur nicht zwingend. Passen Sie diese Ihrer eigene Art an.
Natürlich
stehen wir bei einem Auftritt unter Hochspannung,
insbesondere bei den „dirty moves“ Lockerheit
zu bewahren ist die größte
Herausforderung beim Üben – und nicht, den x-ten Kunstgriff zu trainieren.
Reduzieren Sie Ihren Kraftaufwand, behandeln
Sie die Requisiten sanft und mit spitzen Fingern.
Das
Publikum spiegelt stets Ihre
Aktionen: Anspannung in der
Körpersprache überträgt sich ebenso wie Lässigkeit
– und bei Letzterer haben Sie bessere Chancen, mit Ihren geheimen Handlungen
durchzukommen.
„People pay für background“ (Harlan Tarbell)
Keinesfalls
sind Sie bei einem Auftritt „der Herr Maier von nebenan” (selbst wenn das
zuträfe). Sie können etwas, das nur wenige beherrschen: zaubern. Sie sind etwas Besonderes,
daher verhalten Sie sich auch
entsprechend! Das gilt nicht nur während der Vorstellung, sondern auch davor
und danach: Man beobachtet Sie, möchte herauskriegen, „wer Sie sind“.
Aus
der Sicht Ihres Publikums glänzen die „besseren Leute“ durch ein hervorragendes Benehmen und hohe Bildung. Streichen Sie daher geschmacklose
Witze aus Ihren Texten, bieten Sie ein hohes Sprachniveau. Es ist ein schlimmer
Fehler, das Publikum zu unterfordern.
Sie werden für Niveau bezahlt!
Ob Sie wollen oder
nicht: Sie sind das Alpha-Tier!
Dies
gilt für
·
Ihr
Outfit (immer etwas besser oder
zumindest ungewöhnlicher als das Publikum)
·
Ihre
Requisiten (keine abgenutzten Karten
oder fleckigen Seidentücher)
·
Ihre
Aufbauten und Behältnisse (Ich habe
da schon Pappkartons und Einkaufstüten erlebt…)
·
vor
allem für Ihr Verhalten:
Vergessen
Sie Relativierungen und Abschwächungen:
„Hallo, ich bin der
Sven. Ich bin gar kein richtiger Zauberer, die gibt es sowieso nicht, aber in
meiner Freizeit habe ich ein paar Tricks geübt…“
Nach
diesem Intro sollten Sie aufhören, denn dieses Spiel ist nicht
mehr zu gewinnen!
„Liebe Gäste, mein
Name ist Sven, ich bin Ihr Hauszauberer für heute Abend. Ich freue mich,
zusammen mit Ihnen etwas Spaß zu haben. Gibt es überhaupt echte Zauberei?
Machen wir dazu ein Experiment…“
Sie
sind der Boss – lassen Sie sich die Inszenierung nicht aus der Hand nehmen –
auch nicht durch irgendwelche Zwischenrufer!
Notfalls bringen Sie einen lockeren
Spruch, der zwischen den Zeilen durchaus eine ernste Botschaft vermittelt, zum Beispiel:
„Meine drei Sorten
von Lieblingszuschauern sind die Erklärer, Grabscher und Testaufbaubestimmer…“
Freilich
gibt es das andere Extrem.
Solche Begrüßungen habe ich auch schon erlebt:
„Mein Name ist … Ich
arbeite nun seit 35 Jahren als internationaler Profi-Zauberkünstler mit
Engagements in…“ (An der Stelle wollte ich raus...)
Es ist alles Theater!
Wie
spontan und improvisiert Ihre Darbietung auch wirken mag: Sie muss bis ins
Detail wohlüberlegt inszeniert sein!
Schauen Sie sich den Auftrittsplatz vorher an: Wie steht es um Sichtbarkeit und Beleuchtung, müssen Sie auf gefährliche Blickwinkel achten, sind Störungen
zu befürchten? Werden die Texte gut
verständlich sein oder benötigt man eine Verstärkeranlage? Sind alle Requisiten griffgünstig platziert?
Wohin mit ihnen nach dem Kunststück?
Der
Teufel steckt im Detail! Die Hauptursache
für eine misslungene Vorstellung ist der Satz: „Wird schon gutgehen!“
Schauen
Sie sich die nächste Fernsehshow
einmal mit der Frage an: Was musste alles geprobt und vorbereitet sein, damit
sie so ablaufen kann?
„Verwirrung ist keine
Zauberei“ (Dai Vernon)
Seien
Sie klar und nicht zu hastig in Ihren Aktionen und Texten!
Wenn etwas verschwinden soll, muss man es vorher deutlich gezeigt haben. Verstärken Sie Ihre verbalen Beschreibungen
gestisch. Machen Sie Pausen, damit sich das Gesagte setzt! Etablieren
Sie nicht zu viele „Nebenkriegsschauplätze“, kommen Sie in gerader Linie zum Schluss.
Die Kunst besteht im
Weglassen
Viele
von uns haben den Ehrgeiz, auch noch die schwierigsten
Routinen vorzuführen und uns so mit berühmten
Kollegen zu messen. Nun gut, wenn Sie acht Stunden täglich dafür Zeit haben…
So
lange Sie aber noch mit der Technik
kämpfen, bleibt Ihnen wenig Raum, sich um die Interpretation zu kümmern. Wenn Sie ein Programm gegen Bezahlung darbieten, müssen Sie es handwerklich auch noch nachts
um drei und rückwärts beherrschen.
Daher
meine herzliche Bitte: Lassen Sie das
tolle Kunststück weg, das Ihnen für die halbe Vorstellung die Nerven raubt und Ihre Ausstrahlung unentspannt wirken lässt!
Wollen Sie Tricks
oder Zauberei darbieten?
Nicht
die Requisiten zaubern, sondern Sie! Oder möchten Sie, dass man zum
Schluss Ihre Trickgeräte beklatscht? Der amerikanische Magier Leo Behnke schreibt dazu:
„Tricks sind Rätsel (z.B. Kästchen mit doppeltem Boden); jeder kann
sie vorführen, wenn er das Geheimnis kennt.
Zauberei beschäftigt sich mit normalen Gegenständen; sie ist
unerklärlich und kann nur von glaubwürdigen, überzeugenden Persönlichkeiten
vorgeführt werden.“
Zum
Schluss noch ein Beispiel, wie man
seine passende Rolle findet:
P.S.
Natürlich gelten diese Grundsätze
nicht nur für Zauberer, sondern für alle, die sich vor Publikum produzieren müssen – ob als Lehrer, Seminarleiter oder
Politiker.
Vielleicht
interessiert sie daher auch ein Text,
den ich schon vor Jahren verfasst habe:
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